Interview : "Ein Polier verdient mehr als ein Maturant"

Anton Rieder, LIM Tirol

Landesinnungsmeister Anton Rieder weiß, dass 2024 noch einmal herausfordernd für die Baubranche wird.

- © CHRISTOPHASCHER.AT / Riederbau

Fachkräftemangel und Lehrlinge

SOLID: Sie sind seit 2008 Tiroler Landesinnungsmeister Bau und seit 2020 Vizepräsident der Wirtschaftskammer Tirol. Welche Highlights gab es in dieser Zeit?
Anton Rieder:
In den vergangenen 16 Jahren haben wir in der Baubranche zahlreiche Entwicklungen und Veränderungen durchlebt. Während meiner Amtszeit konnten wir vieles erreichen und umsetzen. Der Ausbau des Lehrbauhofs und der Bauakademie sind nur zwei der vielen Projekte, auf die ich besonders stolz bin. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem WIFI konnten wir zudem zahlreiche Weiterbildungsprogramme initiieren, die dazu beigetragen haben, dass unsere Mitarbeiter top ausgebildet sind und wir als Branche stetig wachsen und professioneller werden.

Bundesinnungsmeister Robert Jägersberger meint, dass der Fachkräftemangel aufgrund der aktuellen Bausituation kein Thema mehr sei. Stimmen Sie dem zu?

Momentan mag das der Fall sein, aber in ein bis zwei Jahren wird sich das Blatt wieder wenden. Die demografische Entwicklung zeigt, dass weniger Menschen in die Baubranche kommen, als durch Pensionierungen ausscheiden. Zudem geht es nicht nur um Quantität, sondern vor allem um die Qualifikation und Expertise unserer Mitarbeitenden. Daher ist es essentiell, in Ausbildung und Weiterbildung zu investieren und den Berufseinstieg attraktiv zu gestalten.

Wie steht es denn aktuell um die Lehrlinge in Tirol – muss man sich um sie bemühen?

Es gab durchaus Zeiten, in denen sich viele junge Menschen für die Baubranche entschieden haben. Doch vor allem durch die Corona-Pandemie hat sich das gewandelt. Körperlich anspruchsvolle Berufe sind weniger gefragt. Dennoch setzen wir alles daran, junge Menschen für uns zu begeistern. Mit gezielten Programmen, Lehrlingsexperten in unserer Innung und den Talentchecks der Wirtschaftskammer versuchen wir, den Nachwuchs zu unterstützen und ihnen Perspektiven in der Baubranche aufzuzeigen.

Viele Eltern wünschen sich für ihre Kinder eine Matura und oft ein Studium. Dabei steht ein Baumeister einem Masterabschluss in nichts nach. Wie sehen Sie das?

Ich sehe das genau so. Bauberufe haben einen hohen Stellenwert. Hier sei vor allem der Nationale Qualifizierungsrahmen erwähnt. Dieser ordnet unser Bildungssystem in acht Niveaus ein, wobei Baumeister und Master sich beide auf Stufe 7 befinden. Der Handwerksmeister sowie der Lehrabschluss folgen auf den Stufen 6 und 4. Unser Wunsch und Ziel ist es, den Polier auf Stufe 5 zu integrieren, der schließlich mehr verdient als ein Maturant.

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AKTUELLE AUSGABE

SOLID Bau - Fachmagazin

Weiterentwicklung in der Baubranche

Welche Chancen ergeben sich aus der aktuell schwierigen Lage am Bau?
Die zunehmende Ökologisierung stellt uns ohne Zweifel vor Herausforderungen – sie öffnet aber auch Türen und gibt uns die Möglichkeit zur Veränderung. Die Baubranche muss wachsam bleiben, sich ständig weiterentwickeln, anpassungsfähig und innovativ sein, um der Kostenexplosion zu begegnen.

Die Baupreise sind ohnehin ein heiß diskutiertes Thema. Wie gehen Sie damit um?

Für uns wird es immer schwieriger, die immensen Summen vor unseren Kunden zu rechtfertigen. Ein Faktor sind auch die Lohnkosten, die 2024 wieder um 7 Prozent steigen werden. Jeder Baubetrieb muss sich ständig verbessern und innovativ sein, um im Wettbewerb zu bestehen. In Tirol könnte der Bau von Einfamilienhäusern stark zurückgehen, weil Grundstücke fehlen. Auch der Wohnungsbau nimmt ab, wobei es möglich ist, dass sich der Fokus auf den Tiefbau verlagert.

Wie kann ein Betrieb denn „besser” werden?

Effizienzsteigerung ist das Schlüsselwort. Mit dem einem Produktivitäts-Check (siehe unten), den wir in Zusammenarbeit mit der Zukunftsagentur Bau entwickelt haben, bieten wir Unternehmen ein Werkzeug, um ihre Prozesse zu überprüfen und Optimierungspotenziale zu erkennen. Hierbei analysieren Berater vor Ort verschiedene Aspekte und setzen diese in Relation zur gesamten Branche. Unsere Firma Riederbau in Tirol ist ein Testbetrieb, in Zukunft soll das Angebot auf alle Firmen ausgerollt werden.

Bauen wird auch 2024 nicht günstiger werden. Es gilt, neue Ansätze zu finden.

- © Adobestock

Ansätze zum günstigen Bauen

Gibt es weitere Ansätze, um das Bauen günstiger bzw. effizienter zu gestalten?
Absolut. Beispielsweise durch Vorfertigung, Prozessstandardisierung und den gezielten Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte. Aber zuerst sollten wir die Potenziale und Ressourcen nutzen, die bereits hier sind. Optimierung der Bauabläufe, Abwicklung durch Totalunternehmen und digitale Unterstützung sind weitere Schlüssel.

Und was sind Ihre Wünsche an die Politik?

Wir bauen stark auf Unterstützung der Entscheidungsträger. Beim Thema Zinsen haben wir keine Handhabe – mit unserem 5-Punkte-Plan haben wir konkrete Vorschläge erarbeitet, um die Baukosten zu senken (siehe Kasten). Das Jahr 2024 wird herausfordernd – daher lautet mein Appell an unsere Betriebe: Nutzt die Zeit, um euch weiterzuentwickeln und Strategien zu überdenken.

Lesen Sie hier das große Interview mit dem steirischen Landesinnungsmeister Bau Michael Stvarnik.

Produktivitäts-Check für Bauunternehmen

Die Firma von Landesinnungsmeister Anton Rieder stellt sich dem erweiterten Bauproduktivitäts-Check. Die gemeinsame Aktion der ZAB Zukunftsagentur Bau, als Unternehmen des Österreichischen Baumeisterverbandes, mit dem Europäischen Forum für Baukybernetik erarbeitet Lösungen für aktuelle und künftige strukturelle, organisatorische und strategische Herausforderungen der Bau- und Immobilienbranche.

In der dynamischen Welt des Bauwesens ist es entscheidend zu wissen, wie effizient das eigene Unternehmen agiert. Genau hier setzt der erweiterte Bauproduktivitäts-Check an und liefert wertvolle Erkenntnisse. Konkret handelt es sich um eine detaillierte Untersuchung, die aufdeckt, inwieweit ein Betrieb produktivitätssteigernde Maßnahmen erfolgreich umsetzt. Mit den Ergebnissen kann erkannt werden, wo das Unternehmen im Vergleich zu Mitbewerbern steht und welche Schritte unternommen werden können, um sich zu verbessern. Damit wird ein klarer Weg zur Optimierung aufgezeigt, was wiederum zu einer gesteigerten Arbeitsqualität, Kosteneinsparungen und einem stärkeren Marktauftritt führt.

Wie funktioniert es?
Drei Optionen stehen zur Auswahl:


1. Bauproduktivitäts-Erhebung (1.450,– Euro plus USt)


Eine gezielte Einschulung ermöglicht es, die Produktivität des Unternehmens eigenständig zu bewerten. Die Ergebnisse werden anschließend professionell ausgewertet und präsentiert.

2. Bauproduktivitäts-Check (3.250,– Euro plus USt)

Nach Zusendung einer Vorbereitungsliste erfolgt die Befragung der Mitarbeiter vor Ort im Unternehmen. Die Auswertung enthält neben den Ergebnissen auch konkrete Empfehlungen.


3. Bauproduktivitäts-Check plus (4.750,– Euro plus USt):


Zusätzlich zur Option 2 werden die Baustellen in die Befragung miteinbezogen.