Brandschutz : „Eigentlich brauchen wir eine Brandschutz-ÖBA“

Brandschutz Werner Hoyer-Weber

Werner Hoyer-Weber, Geschäftsführer des auf Brandschutzplanung spezialisierten Ingenieurbüros Hoyer, im SOLID-Gespräch

- © Robert Tober

SOLID: Von Brandschutz hört man meistens, wenn es irgendwo gebrannt hat oder wenn es um Materialfragen und Auflagen geht, vor allem bei Sanierungen. Wie viel hat sich beim Thema in den vergangenen Jahren bewegt?
Werner Hoyer-Weber: Was sich geändert hat, sind die Bauordnungen. Wir haben im letzten Jahrzehnt die Harmonisierung mit den OIB-Richtlinien erlebt. 2007 ist die erste OIB-Richtlinie erschienen, 2019 war es im Prinzip die vierte. Es sind jetzt alle Bundesländer mit dabei und Brandschutz ist mit der OIB 2 nach der Standfestigkeit das zweitwichtigste Thema in der Bauordnung.

Das heißt, wir haben jetzt endlich eine Vereinheitlichung österreichweit? Es war ja lang ein Treppenwitz, dass der Brandschutz auf der einen Seite der Straße anderen Regeln gehorchte als auf der anderen, wenn eine Straße zwei Bundesländer teilte.
Hoyer-Weber: Im Prinzip ja. Vor rund sieben Jahren haben Salzburg und Niederösterreich als letzte Bundesländer die OIB-Richtlinien in die Landesgesetzgebung aufgenommen. Damit gibt es im Brandschutz ein einheitliches österreichweites Regelwerk. Mit Jänner 2022 haben auch bereits alle Bundesländer die aktuellste OIB-Richtlinie, also aus 2019, in die Landesbauordnung übernommen.

Wie sieht es mit Brandschutz bei der Sanierung aus?

Wir haben vorhin Sanierungen erwähnt – da gibt es ja oft Zurückhaltung, weil die Brandschutzauflagen so groß sind. Zu Recht?
Hoyer-Weber:
Ältere Gebäude genießen ja beim Baurecht – nicht bei der Gewerbeordnung - den sogenannten Bestandsschutz. Sie müssen ein Gebäude also brandschutztechnisch nicht permanent nachrüsten. Aber bei größeren Umbauten oder einer Umnutzung wird das neue Baurecht herangezogen und da kann es dann für manche Bauherren schon zu unangenehmen Überraschungen kommen.

Worum geht es da vor allem, wo waren die größten Entwicklungen?

Hoyer-Weber:
Die Maßnahmen leiten sich aus den Schutzzielen ab. Es gibt vier wesentliche Schutzziele. Das wesentlichste ist, dass im Brandfall die Menschen sicher aus dem Gebäude heraus kommen. Für ein Hotel aus der Gründerzeit mit nur einem Stiegenhaus in eine offene Lobby gibt es viel zu tun. Das zweite große Schutzziel ist, dass sich der Brand nicht ungehindert ausbreitet – das ist dann das Thema Brandabschnitte. In der Planung bietet es sich an, jedes Geschoß als Brandabschnitt zu definieren. Wenn das Geschoß entsprechend groß ist, sollte man es noch einmal unterteilen. Möchte der Architekt offener bauen, was häufig der Fall ist, muss man anders herangehen. Dazu kommt natürlich auch das Thema Schutz der Einsatzkräfte.

Produkte für Brandschutz müssen ein Gebäudeleben lang halten

Was hat sich produktseitig und technologisch beim Brandschutz getan in den letzten Jahren?
Hoyer-Weber:
Meinem Verständnis nach ist der Brandschutz eine sehr konservative Branche. Das ist produktseitig auch deshalb sinnvoll, weil die Produkte ja für den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes funktionieren und nicht modischen Gesichtspunkten gehorchen sollen. Aber wir haben natürlich auch im Brandschutz die Digitalisierung – Brandmeldeanlagen arbeiten heute vernetzt untereinander und auch mit Smart Building-Technologie, Brandschutzpläne und Alarme kommen auf Smartphone oder Tablet etc.

Bauausführende Unternehmen berichten immer wieder von Reibungsflächen mit allem, was mit Haustechnik zu tun hat. Wie sehen Sie die Rolle des Brandschutzes im Spannungsfeld zwischen klassischem Bau und Haustechnik?

Hoyer-Weber:
Wir haben ja als Ingenieurbüro begonnen und uns auf Brandschutz spezialisiert. Als ich 2003 eingestiegen bin, kam der Wunsch von den Bauherren, aufgrund der Komplexität der Materie für Brandschutz jemanden zu haben, der das zusammenführt. Der Brandschutz steckt im Bau und er steckt in der Haustechnik. Da sind wir wiederum sowohl in der Lüftungstechnik mit beispielsweise Brandschutzklappen als auch in der Rohrleitungstechnik mit Löschanlagen, in der Elektrotechnik mit Meldeanlagen oder Fluchtwegsystemen etc. Das muss alles fächerübergreifend in ein Brandschutzkonzept zusammengefasst werden. Und dieses Erstellen von Brandschutzkonzepten ist das, was heute State of the Art ist.

Dass sich jeder nur um seinen Teil kümmert, finden wir heute auf den Baustellen, wenn wir uns Bausünden anschauen. Da hat etwa der Lüftungsplaner seine Brandschutzklappe wunderbar eingebaut, führt sie durch die Brandschutzwand, nur das Abschotten der Klappe in der Wand hätte jemand anders machen sollen, der aber nie davon erfahren hat und sich dafür nicht zuständig fühlt. Die Schwierigkeiten in der Brandschutzplanung sind immer Schnittstellenschwierigkeiten. Es braucht jemanden, der da übergreifend tätig ist.

Brandschutzinformationen für BIM

An welcher Stelle des Entstehungsprozesses eines Bauwerks steigen Sie ein?
Hoyer-Weber:
Im Idealfall schon beim Architekturentwurf, weil es ja um die Anzahl der Stiegenhäuser, die Festlegung von Brandabschnitten und daraus entstehende Konsequenzen etc. geht.

Wenn es um BIM-Projekte geht – mit welcher Software arbeiten sie? Denn die Softwarewelten von Architekt, Bauausführer, Haustechnikanbieter etc. unterscheiden sich ja.

Hoyer-Weber:
Da haben wir zwei Ansätze. Wir liefern einerseits für die Bauteile für BIM nur die Brandschutzinformationen. Das kann einfach über ein Excel-Sheet erfolgen. Wenn wir auf der anderen Seite Löschanlagenplanungen durchführen, arbeiten wir direkt im jeweiligen BIM-Modell.

Wie sehen sie die immer wieder hochgespielte Diskussion rund um Baumaterialien, was den Brandschutz betrifft? Jede Lobby behauptet, dass der Baustoff der jeweils anderen versagt.

Hoyer-Weber:
Als unabhängiger Planer sage ich: Sie haben alle Recht. Persönlich denke ich, dass das Bauwesen viel mit der Klimathematik zu tun hat. Die Frage nach den jeweils passenden Baustoffen muss man von dieser Seite her und von der Seite des Gebäudetyps beantworten, nicht vom Brandschutz her. Wir beraten Bauherren und Architekten, wo bei welchem Material die Grenzen sind. Wichtig ist es, gemeinsam das Risiko abzuschätzen, vor allem wenn offen gebaut werden soll und es zu großen Brandabschnitten kommt. Letztlich ist es ja unsere Aufgabe, im Fall des Falles den Schaden möglichst gering zu halten.

Wir müssen unsere Informationen zum Brandschutz bis zum letzten Arbeiter und Monteur in der Kette bringen.
Werner Hoyer-Weber, Geschäftsführer Ingenieurbüro Hoyer

Brandschutz auf der Baustelle

Bis jetzt haben wir über die Planung für fertig errichtete Bauwerke gesprochen. Aber auch die Baustelle selber ist ja brandgefährdet und da greift das endgültige Brandschutzkonzept ja noch nicht. Was tun sie da, um zu helfen und Brände zu verhindern oder überschaubar zu halten?
Hoyer-Weber:
Die Errichtung eines Gebäudes ist mit Sicherheit die risikoreichste Zeit in dessen Lebenszyklus, was den Brandschutz betrifft. Während gebaut wird, werden ständig Brandlasten eingebracht und brandgefährliche Tätigkeiten durchgeführt – es wird geschweißt, geflämmt, es gibt Funkenbildung und Hitze. Es liegen Baumaterialien herum, es liegen Verpackungsmaterialien herum, Rauchverbote und ähnliche Vorschriften werden vielleicht nicht lückenlos eingehalten und das Gebäude ist brandschutzmäßig noch nicht fertig: Brandabschnitte sind offen, Lösch- und Meldeanalgen noch nicht in Betrieb etc.

Wir als Brandschutzplaner können da eine Bewusstseinsbildung durchführen und wir erstellen auch spezielle Brandschutzkonzepte für die Baustelle. Wir überlegen uns dafür gemeinsam mit der Baufirma den Bauablauf und die dafür passenden Maßnahmen – z.B. wie kommen etwa die Bauarbeiter im Brandfall sicher von der Baustelle? Gibt es Löschmittel? Bei einem Hochhausbau kann es zum Beispiel sinnvoll sein, die Hydrantenleitung gleich mitzuziehen und in Betrieb zu setzen.

Was gehört zur Bewusstseinsbildung?

Hoyer-Weber:
Dazu gehört zum Beispiel, dass man Brandlasten möglichst schnell von der Baustelle wegbringt – das klassische Zusammenräumen nach dem Auspacken von Anlieferungen. Das kommt in ein Konzept oder auch in Schulungen oder mit einem Vortrag, natürlich auch in Aushänge. Was wir noch machen ist, regelmäßig durch die Baustelle durchzugehen und aufzuzeigen, wenn uns etwas auffällt. Aber das muss sich natürlich dann im Bewusstsein der handelnden Personen niederschlagen. Und es müssen alle das Gefühl bekommen, dass sie sich nicht am ordentlichen Arbeiten vorbei schummeln können, weil sonst die Abnahme einfach nicht erfolgt. Man muss sich da auch ein bisschen Respekt verschaffen.

Das große Problem ist: wir planen alle State of the Art, gebaut wird dann aber oft wie vor 15 oder 20 Jahren – und das gilt es zu durchbrechen. Wir müssen unsere Informationen bis zum letzten Arbeiter und Monteur in der Kette bringen. Eigentlich brauchen wir eine Art Fach-ÖBA für Brandschutz auf der Baustelle.

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