Österreich : Weniger Technik in Gebäuden
Das Energieinstitut Vorarlberg entwickelte von 2015 bis 2020 mit einem länderübergreifenden Projektteam ein sogenanntes „Low-Tech“-Gebäudekonzept. Das Projekt wurde als einziges aus Österreich für die EU Regiostars Awards nominiert. Organisiert werden diese von der Generaldirektion der EU-Kommission für Regionalpolitik und holen jedes Jahr die innovativsten regionalen Projekte Europas vor den Vorhang: Grünes Europa und Wiederaufbau, sowie smarte Transformation für die Menschen, sind die großen Themen.
Low-Tech Gebäude bieten den Bewohnern und Nutzern das ganze Jahr über behaglichen Komfort, die langlebige Gebäudehülle schützt im Sommer vor Überhitzung und im Winter vor dem Auskühlen. Die Baukonstruktion für neu geplante oder bestehende sanierte Low-Tech Gebäude ist robust und auf eine lange Lebensdauer ausgelegt. Dem Einsatz natürlicher und lokaler Baumaterialien wird der Vorzug geben. Betrachtet wird dabei der gesamte Lebenszyklus sowohl von Wohngebäuden als auch von Nichtwohngebäuden. „Bei unserem Projekt wollten wir ein möglichst breites Spektrum abbilden. Aus diesem Grund untersuchen wir einen sozialen Wohnbau ebenso wie eine Schule und einen umgebauten Kuhstall, bei welchem im Silo ein Eisspeicher eingebaut wurde“, erklärt Projektleiterin DI Arch. Sabine Erber vom Energieinstitut Vorarlberg.
Das zuletzt genannte Projekt von Georg Bechter in Tirol wurde sogar für den Staatspreis nominiert. Gedämmt wurde es mit Strohballen vom Feld. Spannend ist auch das Prinzip des Eisspeichers: Sobald das Eis schmilzt, wird Energie freigesetzt. Erber zeigt sich auch von den eingesetzten Baumaterialien begeistert: „Es ist wichtig, nachwachsende und regionale Rohstoffe zu verwenden, die auch recycelbar sind.“
Beginnend bei der Planungsphase
Beim Wohnbauprojekt der Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft Arthur Krupp (einer Tochter der Wien Süd Gruppe) war das Forscherteam rund um DI Sabine Erber bereits von der Planungsphase an miteingebunden. Gemeinsam wurden Berechnungen verschiedener Elemente und Komponenten angestellt, gemeinsam wurden Materialien ausgesucht, gemeinsam wird nun nach evaluiert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Energiekosten bei den „Viertel hoch zwei“-Häusern in Theresienfeld sind um bis zu 70 Prozent niedriger als bei durchschnittlichen Haushalten. Lediglich 60 Euro an Energiekosten werden die Mieter der neuen Anlagen pro Monat aufwenden müssen – der größte Anteil entfällt dabei auf den Haushaltsstrom mit 67 Prozent, der kleinste auf die Kühlung mit drei Prozent. Das Heizen schlägt sich mit 28 Prozent zu Buche. Möglich sind diese geringen Kosten, durch das Nutzen vorhandener Ressourcen und der Bereitschaft, das Wohnen der Zukunft aktiv mitzugestalten. „Natürlich braucht es für dieses Projekt einen gewissen Enthusiasmus, aber auch das Interesse an Innovationen, um den Wohnbau weiterzubringen. Wir sind nicht auf uns alleine gestellt, sondern haben professionelle Partner mit an Board“, schildert Christof Anderle, Geschäftsführer der Arthur Krupp.
Einer davon ist neben dem Energieinstitut auch Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen. Eine große Herausforderung sieht Amann im Energiesektor. Laut ihm brauche es klimaneutrale Gebäude, doch Isolieren alleine genüge nicht. „Optimierte Heizsysteme sollen Energie nutzen, wo immer sie verfügbar ist. Die Häuser in Theresienfeld haben Photovoltaik-Anlagen am Dach, die Gebäude selbst dienen als Speicher für überschüssigen Strom, geheizt und gekühlt wird mittels Luft-Wasser-Wärmepumpe und Bauteilaktivierung.“ Das Warmwasser wird durch eine Micro-Wärmepumpe in den einzelnen Wohnungen bereitgestellt. Sommers wie winters soll es in den Räumen eine Temperatur zwischen 20 und 24 Grad haben. Für angenehme Luft im Inneren sorgt eine Abluftanlage, auf eine Kontrollierte Wohnraumlüftung wurde bewusst verzichtet.
„Es braucht Einfachheit in der Komplexität, so wie es früher war. Entscheidend sind die Lebenszykluskosten und eine einfache Technik, das führte mich zu der neuen Gebäudetypologie“, informiert Gerald Batelka von der Wien Süd.
Selbsterklärende Technik, dort wo notwendig
Genau darum geht es auch beim Projekt von Sabine Erber: Gebäude sollen selbsterklärend und mit möglichst wenig Technik funktionieren. „Sonnenschutz und Kühlung können auch über die Fassaden oder vorgezogene Balkone ermöglicht werden. Bei der von uns begleiteten Schule werden die Fenster nachts automatisch geöffnet, um eine Lüftung zu ermöglichen. Das Ganze ist natürlich einbruchssicher“, schildert Erber.
Viele technische Komponenten, etwa zur smarten individuellen Temperaturregelung, sind aufwändig zu steuern, verbrauchen bei der Herstellung vermehrt Energie und erhöhen sowohl die Baukosten als auch den Endenergiebedarf der Gebäude. Damit stehen sie einem sinnvollen Klimaschutz entgegen. Als bewusster Kontrapunkt zur immer stärkeren Technisierung von Gebäuden hat das Projektteam daher Konzepte für Gebäude entwickelt, die mit wenig Technik gut funktionieren und somit einfach in standzuhalten und zu warten sind.
Mit der Fertigstellung der Gebäude ist es aber noch nicht getan: „Wir begleiten das Gebäude auch noch danach und messen bei jedem seine Besonderheit. Nach dem ersten Winter in Betrieb gehen wir noch einmal durch. Dann wird kontrolliert, ob alles richtig eingestellt ist. Irgendetwas ist immer, da kann es schon zu Abweichungen von 20 bis 30 Prozent von der Berechnung kommen“, so Erber. Die Projektleiterin vom Energieinstitut Vorarlberg ist übrigens laufend auf der Suche nach neuen Projekten. Als besonders spannend sieht sie Einfamilienhäuser: „Die Siedlungsgebiete sind ein Potenzial, das es wert ist zu erhalten. Man muss nur über neue Formen der Nutzung nachdenken.“
Das Projekt Low-Tech Gebäude ist eine länderübergreifende Kooperation im Bodenseeraum, beteiligt sind Österreich, Deutschland, die Schweiz und Liechtenstein. Die lokale länderübergreifende Zusammenarbeit ist vorteilhaft, weil es große Überschneidungen bei den klimatischen Bedingungen, den kulturellen Wurzeln und den typischen Nutzern gibt. Das Projekt wurde durch die internationale Bodenseekonferenz 2015 initiiert und durch den EFRE, dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert.