Digitalisierung : US-Bau-Startup aus Österreich: mit 9,9 Millionen an den Start

Das erwartet Sie hier:

  • Was das neue Bau-Startup kann und wo es startet
  • Wie und worin sich die US-Baubranche von der europäischen unterscheidet - und worin nicht
  • Wie der Fortschritt bei neuen Vertragsmodellen aussieht und welche sich durchsetzen
  • Wo bei der Nachhaltigkeit am Bau die Entscheidung fällt

Die Idee der Österreicherin überzeugt auch Investoren. Wie Trending Topics berichtet geht das Startup Trunk Tools mit 9,9 Millionen Dollar in der Seed-Runde an den Start.

Dieses Kapital stammt von Innovation Endeavors, mit Beteiligung von Fifth Wall, Foundation Capital. Bei Innovation Endeavors handelt es sich um einen early-Stage-Investor, der unter anderem auch bei SoFi, Uber, Upstart oder Fabric investierte.

Solid: Sarah Buchner gehört zu den High Prospects, die wir in Österreich in der Bauwirtschaft herausgebracht haben. Sie war jetzt drei Jahre zum Studium in Stanford im Silicon Valley (von dort aus entstanden auch immer wieder Beiträge für Solid, sie war Vortragende und ist Jury-Mitglied bei der Solid BIM Konferenz, Anm.). Sarah – du bist jetzt fertig mit dem MBA, was kommt jetzt?

Sarah Buchner:
Ich gründe gerade mein eigenes Startup, wie man das eben so macht im Silicon Valley. Und ich bleibe jetzt mal für die nächste Zeit in den USA und baue diese Firma auf.

Was macht dieses Startup?


Buchner:
Wir machen Software für die Baubranche und adressieren damit das größte Problem in Amerika - und das ist genau wie in Europa der Fachkräftemangel. Wir haben wirklich lange analysiert, was wir gegen den Fachkräftemangel tun können, vor allem in den nächsten fünf bis 10 Jahren. Die politischen Bewegungen sind im Vergleich dazu eher langfristig, mehr Leute in Ausbildungen bringen etc. Unser Fokus ist sehr kurzfristig, und die einzige Lösung unserer Meinung nach ist eine Produktivitätssteigerung im Bau. Und darauf fokussieren wir uns mit unserer Software.

Der Text beinhaltet nur einen Teil des im Interview Gesprochenen. Hier können Sie das gesamte Video sehen!

Wie kriegt ihr die hin, die Produktivitätssteigerung? Über dieses Thema haben sich ja schon mehrere Menschen ganz viele Gedanken gemacht in den letzten Jahren.

Buchner
: Wir haben einiges übernommen aus anderen Gebieten, also zum Beispiel lernen wir sehr viel von Uber und Lyft, was Produktivitätssteigerung bei sogenannten Non-Knowledge Workern betrifft. Aber auch Amazon hat sehr viel dazu entwickelt. Die Frage ist: Wie motiviert man Menschen, die kurzfristig denken und kurzfristig handeln? Und das heißt, es kommt ganz viel Psychologie rein und da lernen wir ganz ehrlich viel aus Las Vegas, also wie die das dort mit den Slot Machines machen und wie sie Menschen incentivieren, aber ohne dass diese damit rechnen, incentiviert zu werden. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen.

Jetzt gab es gerade in der Baubranche in den USA, ich glaube vor eineinhalb Jahren oder so, diesen riesigen Crash des Mega-Startups Katerra. In einer vielbeachteten Analyse hast du damals in Solid geschrieben: so einfach ist das in den USA mit der Baubranche nicht. Warum soll es bei dir klappen?


Buchner
: Der Ansatz von Katerra war ja aus einem ähnlichen Problem heraus entstanden. In Amerika gilt die Vorfertigung als die Lösung gegen den Fachkräftemangel. Katerra ist aus ganz vielen Gründen auseinandergefallen. Aber es war ja nicht die einzige modulare Vorfertigungsfirma, und es kommen jetzt kleinere Firmen auf den Markt, die sich halt fokussieren, auf Badezimmer oder auf Fassaden. Im Grunde das, was wir in Europa schon seit 30 Jahren machen. Das kommt jetzt langsam dort an und ganz viele von den ehemaligen Katerra-Mitarbeitern rutschen jetzt in diese neu gegründeten Unternehmen.

Aber trotz Vorfertigung brauchen wir immer noch die Leute am Bau und wir haben einfach nicht genügend. Und jetzt kommt in den USA dieses riesige billionenschwere Infrastruktur-Investitionspaket. Das ist ja jetzt wirtschaftlich betrachtet eine gute Idee, es ist nur nicht umsetzbar. Es fehlen mehrere Millionen Bauarbeiter, um das wirklich zu erfüllen. Mit Immigration kriegt man das auch nicht hin. Die einzige Lösung ist wirklich: Wir müssen mehr aus den Leuten rausbekommen, die wir jetzt haben. Und wie du weißt, sind die Produktivitätsraten im Bau einfach wahnsinnig gering. Wir sprechen irgendwo von 30 bis 40 % tatsächlich produktiver Zeit und die Frage ist: was passiert mit den anderen 60-70%? Und wer ist das Problem dahinter? Und es sind nicht die Bauarbeiter.

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Wenn ich dich richtig verstehe, sind wir da in Europa schon weiter?

Buchner
: Mit der Produktivität insgesamt nicht. Wir verschieben nur das Problem von der Baustelle besser in die Fabrik. Aber wir brauchen in der Fabrik auch die Leute.

Hast du da hauptsächlich Kalifornien im Blick? Das ist ja allein die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt. Wie ist die US-Bauwirtschaft überhaupt strukturiert?


Buchner
: Wir fangen tatsächlich hauptsächlich in Texas an, weil es dort ein Riesenwachstum in der Baubranche gibt und wenige Regulierungen, es ist simpel der einfachere Markt zum Einstieg für ein junges Unternehmen. Generell ist die Baubranche in den USA hoch fragmentiert, sehr ähnlich wie in Europa. Es gibt ein paar von diesen ganz großen Playern - zehn, zwölf Unternehmen, die in diesen Strabag- und Porr-Dimensionen spielen. Und dann gibt es Mittelstand und extrem viele kleine. Die Probleme sind überall dieselben.

Sarah Buchner im Gespräch mit Solid-Chefredakteur Thomas Pöll

- © WEKA Industriemedien GmbH
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Und auf dieselben Kleinen wird wieder von sämtlichen Großen zugegriffen. Also auch so eine schöne Rautenstruktur wie hier?

Buchner
: Alles sehr ähnlich. Abgesehen davon, dass halt mehr mit Holz gebaut wird als hier, wir haben halt mehr Ziegel und Beton. Aber abseits dessen wird auch alles ver-subt. Wir haben dieselben Themen, wie wir sie hier haben. Was Digitalisierung angeht, ist Amerika aber deutlich weiter. Einfach, weil gesellschaftlich früher damit begonnen wurde zu sagen: wir verwenden Apps und Software und vertrauen da mehr drauf. Ich habe keine Baustelle gesehen, auf der nicht Software verwendet wird, um zu bauen. Also auch nicht bei den Kleinen.

Vor ein paar Wochen gab es ein großes Interview des TED-Chefs Chris Anderson mit Elon Musk, der da erklärte, warum einfach alles super und besser werden wird. Teilst du diesen Optimismus von Mr. Musk? Gibt es in der Baubranche auch so einen Elon Musk - so du es nicht selber werden möchtest?


Buchner
: Der möchte ich sicher selber werden, das wäre natürlich der Plan (lacht). Im Ernst: Es gibt ein paar Leute, die schon sehr, sehr erfolgreiche Unternehmen gegründet haben und die auch viel die Branche in die richtige Richtung treiben – die Gründer von Procore zum Beispiel. Es gibt auch ein paar Vorstände von großen Unternehmen in Amerika, die wahnsinnig weit vorne mitspielen. Ich habe vor kurzem ein persönliches Gespräch gehabt mit Brendan Bechtel. Das ist der Vorstandsvorsitzende des größten US-Bauunternehmens und der weiß auch gut über Software Bescheid. Er denkt sehr fortschrittlich.

Ob ich den Optimismus von Elon Musk teile? Hundertprozentig! Sonst würde ich im falschen Job sitzen. Als Gründer muss man unglaublich optimistisch sein, weil du hast halt kein Sicherheitsnetz. Wenn ich morgen kein Geld mehr habe, ist die Firma tot. Daran darf ich nicht denken, sonst brauche ich gar nicht anfangen.

Musk hat unter anderem gesagt: Wir müssen uns eigentlich vor den als unausweichlich bezeichneten Katastrophen wie dem Klimawandel fürchten und handeln und werden sie so verhindern. Also wenn wir uns nicht fürchten, dann kommt die Katastrophe.

Buchner
: Ja, der hat viele interessante Gedanken. - Die Baubranche in den USA geht die Nachhaltigkeits- und Klimathemen aber sehr langsam an. Europa treibt das sehr stark aus der Regierung heraus und macht Regulationen. Amerika ist da noch viel weiter zurück. In Amerika wird immer alles von der Privatwirtschaft getrieben und Nachhaltigkeit lässt sich von der Privatwirtschaft schwer treiben, weil wir einfach momentan mehr Geld dafür ausgeben müssten, als wenn wir es nicht machen. Ich war vor kurzem Teilnehmer einer Podiumsdiskussion in Stanford, weil die ja gerade eine neue Schule gebaut haben für Nachhaltigkeit mit über einer Milliarde Investition. Und da war eben die große Frage: Was kann denn die Baubranche tun in Amerika, vor allem mit meinem Background? Und ich muss halt sagen, da muss was von der Politik kommen - Steuererleichterungen oder was auch immer. Solange das nicht passiert, wird im Markt nicht viel passieren.
Bei den Amerikanern wird ja meistens nicht mal Müll getrennt.

Der scheidende Strabag-Vorstandschef Thomas Birtel hat in einer Diskussionsrunde bei uns zum Thema ganz klar gesagt: Wir brauchen Regularien für die Nachhaltigkeit, weil wir sonst selber nicht wissen können, was wir eigentlich tun sollen. In dem Moment, wo wir wissen, das und das kostet soundso viel, können wir auch die Schrauben drehen.


Buchner
: Genau - solange da nicht klare Regeln sind oder auch klare Steuernachlässe - das wäre ja so eine sehr amerikanische Idee -, wird sich nicht viel tun. Solange der Markt nicht danach fragt oder die Politik nicht danach fragt, werden wir das nicht umsetzen, wofür auch? Das ist in Skandinavien zum Beispiel anders, dort fragt der Markt mehr danach.

Als wir uns kennengelernt haben, hattest du grad auf der FH Wien deine Diplomarbeit über alternative Vertragsmodelle in der Bauwirtschaft geschrieben. Welche Rolle spielen die in den Vereinigten Staaten und welche wird es in Zukunft deiner Meinung nach sein?


Buchner
: In den USA ist zum Beispiel Design & Build kompletter Standard. Das war ja bei uns damals ein großes Thema. Wenn das Design schon mal unter der Baufirma ist, dann haben wir viele Probleme gelöst, vor allem im Hinblick auf BIM und die Durchgängigkeit von Datenmodell etc. In den USA wird alles vom Generalunternehmer bestimmt, also auch der Architekt, die Bauingenieure, alle sind da drunter und dann werden halt leichter wirtschaftliche Entscheidungen getroffen. Was auch viel gemacht wird, sind Target Pricing Modelle.

Wie ist es mit dem öffentlichen Vergaberecht, spielt das eine Rolle?


Buchner
: Es gibt schon ein Vergaberecht, aber es ist halt dann auch oft ein Design & Build Vergaberecht, wo alles als Paket vergeben wird. Das wäre ja bei uns auch möglich.

Wenn ich es jetzt richtig zusammenfasse, könnten wir in Europa was von den USA lernen, was Abwicklung und General Contractors betrifft und umgekehrt die USA von uns, was das Thema Nachhaltigkeit betrifft, das uns ja vermutlich weltweit nicht erspart bleiben wird.


Buchner
: Das Thema Nachhaltigkeit ist halt spannend vor allem, wenn wir schauen, was passiert denn mit der Wirtschaft in den nächsten zwei, drei Jahren? Wenn wir jetzt wirklich in eine starke Rezession hineinschlittern, dann frage ich halt schon, wie viel wir dann zusätzlich investieren können in die Nachhaltigkeit, wenn wir schon Probleme haben, wahrscheinlich überhaupt Bauprojekte etc. zu realisieren. Ich könnte jetzt Milliarden machen, wenn ich genau wüsste was passiert! Aber mit Sicherheit ist Amerika immer ein bisschen langsamer bei solchen Themen, weil sie im Endeffekt immer eher wirtschaftlich handeln als jetzt vielleicht danach, was richtig wäre. Das ist halt das kapitalistischste Land der Welt.