Preview SOLID 04/2021 : Rohstoffknappheit: bitte zahlen, bitte warten

Es war in einem Telefongespräch Ende 2020, als das Thema steigender Preise erstmals seit längerem gefühlt die Schwelle des „die steigen eh immer“ überschritt. Es ging um Stahl und man hörte, da gäbe es Preissteigerungen von teils um die 30 Prozent. Man wäre aber nicht sicher, ob man das groß thematisieren könnte, denn das könnte dann auch schnell vorbei sein.

Von Vorbei sein keine Spur.

Bauchemie beginnt, Schalung und Gerüst zieht nach

Eine Teilbranche nach der anderen machte ihr sonst geheimes Ächzen publik – durch Aussendungen oder in Telefonanrufen bei SOLID.

Den Anfang machte Anfang März der CEO der oberösterreichischen Synthesa-Gruppe, Georg Blümel. Eine Kette parallel verlaufender internationaler Ereignisse und Entwicklungen hätten bei Epoxidharzen für Farben und Lacke sowie Polystyrol für Dämmstoffe in den vergangenen Wochen für starken Preisauftrieb gesorgt, sagte er.

Synthesa-Chef Georg Blümel sieht in den nächsten Monaten keine Entspannung.

- © Synthesa Chemie GesmbH.

Preissteigerungen von bis zu 60% würden die Produzenten in der Bauchemie treffen, der Grund dafür läge in Lieferengpässen, einer erhöhten Nachfrage in Asien und Europa und einem weltweiten Mangel an Containern, verbunden mit einem starken Anstieg der Transportkosten. Zudem sei die Zahl der Produktionsstätten für Epoxidharz-Rohstoffe weltweit begrenzt. Zuletzt aufgetretene Störungen und sogar Ausfälle ganzer Anlagen hätten sehr schnell gravierende Auswirkungen auf die am Markt verfügbaren Rohstoffmengen und befeuere die Preisdynamik zusätzlich. Eine Entspannung, so Blümel, sei in den nächsten Monaten nicht absehbar.

Die Versorgungsengpässe will man bei Synthesa durch rechtzeitig gefüllte Rohstofflager in den Griff bekommen, Preiseffekte würden aber nicht zu vermeiden sein. Blümel: „Wichtig ist in diesen turbulenten Zeiten Verlässlichkeit. Wir möchten unsere Kunden daher rechtzeitig informieren, dass in den nächsten Monaten mit Preisanpassungen zu rechnen ist und bitten um Verständnis und entsprechender Vorsorge.“

Im Stahl- und Gerüstbau sah sich Markus Ringer (Ringer GmbH) Mitte März Preissteigerungen bei Stahl von mehr als 50% und bei Holz von bis zu 30% gegenüber, Bei Profilen und Rohren kam es zu diesem Zeitpunkt zu deutlich längeren Lieferzeiten bis zu 24 Wochen.

- © Hasselblad H6D

Ebenfalls und mehrfach betroffen ist die Schalungs- und Gerüstbranche. Dort sah sich etwa Markus Ringer aus der Geschäftsführung der Ringer GmbH Mitte März Preissteigerungen bei Stahl von mehr als 50% und bei Holz von bis zu 30% gegenüber, Bei Profilen und Rohren kam es zu diesem Zeitpunkt zu deutlich längeren Lieferzeiten bis zu 24 Wochen.

Wir fragen, ob es damit für die Kunden Konsequenzen gibt oder ob Ringer das schultern muss? Markus Ringer: „Wir appellieren jetzt an unsere Kunden, bei der Planung zu berücksichtigen, dass es im Laufe der nächsten Monate zu längeren Lieferzeiten kommen kann. Wer rechtzeitig und vorausschauend bestellt, wird auch rechtzeitig beliefert. Am besten wäre es, jetzt zu bestellen, solange die Lager voll sind, und damit möglichen Engpässen vorzubeugen.“

Haben die Baufirmen sowie die Lieferanten mit diesen Teuerungen in irgendeiner Weise gerechnet? Ringer: „Die Baubranche war und ist von der Corona Krise eigentlich kaum betroffen. Nach anfänglicher Verunsicherung war es schnell möglich, die Arbeit auf den Baustellen fortzusetzen. Dazu kommt, dass Investitionsprogramme und -prämien zu vermehrter Bautätigkeit führen. Bei Investoren stehen Immobilien derzeit hoch im Kurs. Der Bauboom, der bereits vor der Krise herrschte, geht also ungebrochen weiter. So gesehen, kam es am Bau zu keinen wesentlichen Veränderungen. Diese finden unserer Einschätzung nach eher in den vorgelagerten Bereichen und anderen Branchen statt. Unvorhersehbar waren die oben beschriebenen Nachholeffekte. Wir können nicht den Kopf in den Sand stecken und so tun, als ob nichts wäre. Wenn Rohstoffe und Lieferungen empfindlich teurer werden, müssen auch wir die Preise anpassen. Dies wird aber nur zum Teil und auch nur bei Neubestellungen passieren. Bereits vereinbarte Konditionen halten. Das sind wir unseren Kunden schuldig und wir stehen zu unserem Wort.“

Was die Bauunternehmer sagen

Die nächsten in der Kette und im Sandwich zwischen Lieferanten und Auftraggebern sind die Bauunternehmer. Als sowohl Bauunternehmer als auch Standesvertreter schlug Tirols Landesinnungsmeister Anton Rieder in der Tiroler Tageszeitung Ende März Alarm. „Der Materialmarkt und die Materialpreis sind zum Teil eine totale Katastrophe,“ sagte er. Er sieht das Materialthema als mögliches „ernstes Problem für die Fertigstellung von Baustellen“.

Und als Vertreter der größeren Baufirmen meint Habau-CEO Hubert Wetschnig: „Die vergangenen Monate haben verdeutlicht, dass insbesondere die Preisentwicklungen von Stahlprodukten, wie Bau- bzw. Betonstahl, und von auf Basis Erdöl hergestellter Dämmstoffe, im Vergleich zu den anderen Pegelstoffen des Baukostenindex, einen erheblichen Anstieg verzeichnen. Laut Aussage der Experten treiben derzeit die hohe Nachfrage in China sowie die in Europa zufolge Corona nach wie eingeschränkten Produktions- und Transportkapazitäten die Preise der Stahl- und Dämmstoffprodukte sprunghaft nach oben.“

Habau-CEO Hubert Wetschnig: „Wir arbeiten aktiv daran, bei unseren Auftraggebern ein besseres Verständnis für veränderliche Preise zu entwickeln. Ziel ist es, bei zukünftigen Verträgen wieder vermehrt weg von den sogenannten Festpreisen zu kommen und verstärkt auf zutreffende Indizes zu setzen, um Preisentwicklungen transparent und fair abzuhandeln.“

- © Habau

Aktuell sei die Habau zu dieser Thematik sowohl mit Auftraggebern als auch den maßgeblichen Lieferanten verstärkt im Dialog und brächte sich auch aktiv in der Arbeitsgruppe Preis- und Indexfragen der Geschäftsstelle Bau ein.

Wetschnig: „Wir als Habau Group arbeiten aktiv daran, bei unseren Auftraggebern ein besseres Verständnis für veränderliche Preise zu entwickeln. Ziel ist es bei zukünftigen Verträgen wieder vermehrt weg von den sogenannten Festpreisen zu kommen und verstärkt auf zutreffende Indizes zu setzen, um Preisentwicklungen generell - aber insbesondere von volatilen Materialien – transparent und fair abzuhandeln.“

Was tun außer verhandeln, verhandeln, verhandeln? Anton Rieders Vorschlag: „Kurzfristig etwas Druck aus der Branche nehmen und die Bestellfrist mit 31.5.2021 für die Investitionsförderung streichen, damit sich die Aufträge gut auf 2021 und 2022 verteilen.“

In Deutschland fordert die Bauindustrie unter anderem, wieder mehr inländische Quellen für Baustoffe zu erschließen, um weniger importabhängig zu sein.

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