SOLID 05/2022 : Office Sweet Home: New Work am Bau - wie weit kann das gehen?
BIM-Spezialistin Andrea P. steht um sechs Uhr auf, wirft die Kaffeemaschine an, duscht, macht sich Gesicht und Haare zurecht und zieht einen Working Pyjama an, den letzten Schrei aus der Modewelt. Mit dem Aufdrehen ihres Laptops checkt sie im Intranet ihrer Firma ein, setzt die Datenbrille auf und betritt durch eine virtuelle Tür das ebenso virtuelle Büro, wo sie sich für sieben ein Meeting in einem Projektraum ausgemacht hat. Man bespricht das Projekt, vereinbart, sich in zwei Wochen dann doch einmal wirklich und real in den Räumen der Firma zu sehen und jede:r geht seiner Wege durch den Arbeitstag, jetzt wieder ohne Datenbrille und vor dem Schirm, bereit für Videokonferenzen und -calls oder konzentrierte Einzelarbeit, vielleicht auch einen natürlich virtuellen Besuch auf der Baustelle – das alles bis ca. 19:00 abends. Nach vier Tagen ist Wochenende für alle, da beginnt dann ein anderes Leben, schließlich gilt es, die Life-Work-Balance zu halten und in der Zwischenzeit soll auch in der Arbeit nichts passieren, das man versäumen könnte. Wer viel arbeitet, muss auch genug Freizeit haben, um sich dazwischen zu erfangen, mit der Familie zu sein, Hobbys nachzugehen.
Ist das die Zukunft der Büroarbeit in den Firmen der Bau- und Immobilienbranche?
Ist sie noch spaciger? Oder geht das alles mit einer als konservativ geltenden und oft auf Zuruf funktionierenden und ständige Bereitschaft erfordernden Branche wie unserer nicht wirklich zusammen? Was passiert mit den Operativen auf den Baustellen? Was mit denen, die teils hier, teils da tätig sind? Was in den Fabriken der Zulieferer?
Tatsache ist: immer mehr Firmen - auch in Österreich, auch in der Baubranche - basteln an Modellen, die im weitesten Sinn etwas mit dem Schlagwort New Work zu tun haben. Aber was ist das eigentlich, New Work? Das Zukunftsinstitut von Matthias Horx sieht New Work auf jeden Fall als Megatrend und definiert: „Das Verständnis von Arbeit befindet sich unter dem Einfluss von Digitalisierung und Postwachstumsbewegungen grundlegend im Wandel: Die klassische Karriere hat ausgedient, die Sinnfrage rückt in den Vordergrund. Die Grenzen zwischen Leben und Arbeiten verschwimmen im Alltag auf produktive Weise. Als Arbeit gilt künftig die Summe aller Beschäftigungen zu unterschiedlichen Lebensphasen.“
Und weiter: „Arbeitnehmende sehnen sich heutzutage nach Modellen, die Beruf und Freizeit harmonisch ineinandergreifen lassen. Statt einer perfekten Aufteilung der Zeit zwischen Job und Freizeit heißt das neue Lebensmotto „Work-Life-Blending“: Ein fließender Übergang zwischen Arbeits- und Privatleben ermöglicht den Arbeitnehmern, flexibel auf private Umstände zu reagieren, selbstbestimmt zu arbeiten und damit produktiver zu sein.
Nicht nur das Thema Arbeitszeit, auch der Ort der Arbeit ist im radikalen Wandel begriffen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt: Remote Work ist ein wichtiger Bestandteil von New Work – und funktioniert. Während sich viele Arbeitnehmenden während der Krisenzeit im Homeoffice befanden, bangten die Chefs um die Produktivität ihrer Arbeitskräfte. Ob Vanoffice, Café oder Hüttenbüro: Remote Work erlaubt es, konzentriert dort zu arbeiten, wo man einen Teil seiner Freizeit verbringen möchte.“
Und was steht hinter dem Hochglanztext? Zum Großteil simpel die Suche nach qualifizierten und motivierten neuen Arbeitskräften – gerade in der Baubranche ein Riesen-, wenn nicht DAS Dauerbrennerthema. Denn der Hype um verschiedene Digitalisierungsansätze kommt und geht, Lieferschwierigkeiten und Preisschwankungen kommen und gehen – aber qualifizierte Arbeitskraft, die brauchen wir sogar für den (unseres Erachtens unwahrscheinlichen) Fall, dass die Summe der Arbeit in den nächsten Jahren etwas weniger werden sollte als gerade jetzt. Zu viele aus der Babyboomer-Generation gehen in den Ruhestand (falls das politisch alles so bleibt und man sich nicht endlich kluge und flexible Teilzeitsysteme überlegt), zu wenige der jungen Nachkommenden sind an einer klassischen Baukarriere mit hoher Intensität über lange Zeiträume an vielen Orten interessiert.
„Was man nicht zulassen darf, wenn man so was macht, ist eine Zweiklassengesellschaft.“Klemens Haselsteiner, Vorstand und designierter CEO Strabag SE
Den High Prospects muss etwas geboten werden, sonst kommen sie überhaupt nicht oder gehen zum Mitbewerb.
Vom 11. Stock zum ganzen Haus
Wir sitzen dem designierten Strabag-CEO und noch Vorstandsmitglied mit Bereich Unternehmensentwicklung, Innovation und Digitalisierung Klemens Haselsteiner gegenüber und sprechen mit ihm über das neue Bürokonzept, für das der 11. Stock der Konzernzentrale in der Wiener Donaucity gerade zum zweiten Mal umgebaut worden ist. „Das Thema neues Bürokonzept hängt für mich mit vielen anderen Themen zusammen, mit denen man sich als attraktiver Arbeitgeber einfach beschäftigen muss“, sagt Haselsteiner. „Die Frage von Work-Life Balance, die ich mir auch schon ganz anders stelle, als das mein Vater (Firmengründer Hans-Peter Haselsteiner, Anm.) getan hat, ist ja etwas, wo die jungen Talente nicht mehr sagen: das ist Nice-to-have, sondern das ist eigentlich eine harte Forderung. Und die Arbeitgeber, die das nicht erfüllen können oder wollen, haben einen Nachteil. Das hängt für mich sehr stark zusammen mit Gleitzeitregelungen, Vertrauensarbeitszeit, aber auch Homeoffice-Regelungen, die natürlich durch die Pandemie stark an Bedeutung gewonnen haben.“ Zum Thema Home Office habe man bei der Strabag etwa eine Richtlinie verabschiedet, „die ein Jahr vorher nicht denkbar gewesen wäre. Das muss man auch ehrlich sagen.“
Ein paar Tage zuvor hat uns die firmeninterne Change Managerin Barbara Grün durch das Stockwerk geführt. Dominiert wird das Bild der für in Summe knapp über hundert Arbeistkräfte geeigneten Etage, in der die Klemens Haselsteiner zugeordneten Konzerneinheiten Zentrale Technik und SID weitgehend projektorientiert arbeiten, vom absoluten Fehlen von Einzelbüros. Das sei eine der wesentlichen Erkenntnisse aus der ersten Phase ab Anfang 2020 gewesen, sagt Haselsteiner. „Wir hatten in der ersten Phase noch drei oder vier klassische Büros und dort saß das Management drinnen. Und dann kam das Management heraus und hat in die Runde gewunken und hat gesagt: So ein neues Bürokonzept ist doch toll! Und dann sind sie umgedreht und wieder in ihr Büro gegangen.“ Das hätte nicht zur Akzeptanz beigetragen und damit sei man am wichtigsten Punkt der neuen Arbeitswelt, denn, so Haselsteiner: „Was man nicht zulassen darf, wenn man so was macht, ist eine Zweiklassengesellschaft.“
Die Arbeitsplatzlandschaft im 11. Strabag-Stock zergliedert sich nunmehr in unterschiedliche Flächen, von Open Spaces mit lauter genau gleich ausgestatteten Wechselarbeitsplätzen (jeder verfügt über zwei Bildschirme, die Arbeitsfläche kann elektrisch angehoben und abgesenkt werden) über sogenannte Projektgaragen und Hide-Outs (für Meetings von Teams) bis zu abgeschirmten Einzelzellen für Videomeetings oder konzentrierte Solo-Arbeit.
Wenn man kommt, setzt man sein Namensschild an den Platz, den man sich aus der groben Strukturierung des eigenen Arbeitstags heraus als geeignet ausgesucht hat, holt sich seine Sachen aus dem Spind und beginnt zu arbeiten. Am Abend heißt es „Clean Desk“ –der Schreibtisch muss wieder von allen (auch persönlichen) Gegenständen frei sein für den nächsten Tag. Ein Buchungssystem war während der Pandemiezeit nicht nötig, aber, so Haselsteiner, „wir sind da am Evaluieren, inwieweit wir so etwas zulassen wollen. Im Moment haben wir keines, haben aber vor, über Sensorik auf einer Übersicht anzuzeigen, wo es freie Plätze gibt, damit die Leute nicht herumirren und sich ihren Arbeitsplatz suchen müssen. Das würde ja auch frustrieren, wenn man sagt: heute ist relativ viel los - und jetzt renn ich mal zehn Minuten durchs Gebäude, bevor ich überhaupt einen Arbeitsplatz gefunden habe.“
„Räume werden nicht mehr durch Funktion, sondern durch Tätigkeiten, Themen und Unternehmenszweck geformt. Zunehmend werden sie auch für Partnernetzwerke geöffnet.“New Office-Pionier Karl Friedl, Geschäftsführer m.o.o.con
Blaupause für künftige Konzepte
Der Teufel und der Fortschritt bei diesem – Achtung, weiteres Schlagwort – Activity Based Working liegen, das hören wir bei den Gesprächen mit Haselsteiner und Grün in beinahe jedem zweiten Satz, im Detail - etwa in der Frage, was zu tun ist, wenn vertrauliche Dinge am Bildschirm offen sind etc. Es braucht immer wieder Feedbackrunden und vor allem eins: klare Spielregeln.
Das habe man, erzählt Haselsteiner, von einem Betrieb aus einer Branche gelernt, die im Zusammenhang mit BIM immer wieder als Vorbild genannt wird, hier aber eher zufällig aus einer persönlichen Beziehung heraus in Spiel gekommen ist: den Dichtungsspezialisten und daher stark in der Automotive-Industrie verankerten Trelleborg Sealing Solutions. Diese sind im deutschen Stuttgart beheimatet und beschäftigen sich im Rahmen der gesamten Trelleborg-Gruppe schon seit ca. fünf Jahren mit dem New Work-Konzept. Haselsteiner: „Ich möchte mich hier auch nochmal bedanken, weil die sehr offen damit umgegangen sind und uns auch mehrere Tools gegeben und ihre Erfahrungen dazu geteilt haben. Meine Hoffnung ist ja, dass das von einem Pilotprojekt zu einer Art Blaupause werden wird für zukünftige Bürokonzepte und auch für normale operative Einheiten bei uns.“
Bei Trelleborg nennt man das ganze „Slow Moving Office“ und hat so „bereits 2018 frühzeitig einen wichtigen Grundstein für flexibles Arbeiten und einen hohen Mobile Work Anteil gelegt. Ziel bei der Planung war es, den Wandel gemeinsam zu gestalten und mitunter den Mitarbeitenden zu ermöglichen, private und berufliche Interessen besser zu vereinen“, so Carsten Stehle, Director Central Europe bei Trelleborg Sealing Solutions.
In Stuttgart wird auch die große Feuertaufe für das Strabag-Konzept stattfinden, denn am dortigen Standort am Albstadtweg wird nicht bloß ein Stockwerk umgebaut, sondern ein ganzer Neubau für über 500 Personen errichtet und soll im Herbst eröffnet werden.
Bei der Strabag werde man wohl, schätzt Haselsteiner, „am Ende eine Art zweifaches Bürokonzept haben, nämlich auf der einen Seite den klassischen Konzernstandard mit eher Zellenbüros und andererseits eben dieses neue Office Konzept, wo wir dann sagen: wenn ihr das macht, gibt es ein paar Mindeststandards, damit wir das auch wiedererkennen und das nicht überall anders ausschaut.“
„Stellen wir uns das Büro doch als Heimat vor – als Sehnsuchtsort, aber mit Reibungsfläche. Unternehmen muss es gelingen, einen solchen Ort der Begehrlichkeit zu schaffen.“Gunter Fleitz, Architekt von „Heads“
Heads: „Ein Ort, der begeistert“
Generell sieht Klemens Haselsteiner, aber auch viele andere, mit denen wir gesprochen haben (von Konzernchefs wie Wienerberger-CEO Heimo Scheuch bis zu Familienunternehmern wie Christian Wimberger von Wimberger Haus), ihre neu gestalteten Büros als Lebenswelten, die zum Arbeiten und zum Kommunizieren richtiggehend einladen und den Mitarbeiter:innen ein gutes Gefühl und dynamisches Arbeiten ermöglichen sollen. „Je wohler sich Mitarbeiter fühlen, desto besser arbeiten sie“, sagt auch der Architekt Gunter Fleitz von der Ippolito Fleitz Gruppe.
Seine Firma setzt weltweit interdisziplinäre Projekte und hat auch das spannende Immobilienprojekt „Heads“ der Rock Capital Group geplant, einen mehr als 40.000 Quadratmeter umfassenden Neubau nahe München. Fleitz geht sogar noch weiter und meint: „Stellen wir uns das Büro doch als eine Heimat vor - als einen Sehnsuchtsort, aber auch als einen Ort mit Reibungsfläche. Unternehmen muss es gelingen, einen solchen Ort der Begehrlichkeit zu schaffen. Das ist nach der Pandemie und dem Aufkommen des Home Offices wichtiger denn je. Das Motto von Rock Capital bei der Konzeption des Gebäudes während der Corona-Krise hieß in etwa: Wenn Mitarbeiter in Zeiten des Home Offices nicht mehr ins Büro müssen, müssen sie ins Büro wollen.“
Dazu gehören innenarchitektonische Konzeptionen „entlang der Bedürfnisse der Mitarbeiter“ und das heißt zum Beispiel auch Duschen für mit dem Rad in die Arbeit kommende Mitarbeiter:innen oder auch per App buchbare Kühlboxen im Foyer zur Unterbringung des zwischendurch erledigten Einkaufs und viele Pflanzen, die das Gesundheitsniveau der Räume verbessern sollen. Denn, so Fleitz: „Es braucht ein gesundes Umfeld – nicht nur im Headquarter oder in dezentralen Hubs oder Zuhause, sondern insgesamt. Ein Unternehmen ist dann erfolgreich, wenn es die Gesundheit der Mitarbeiter an verschiedenen Orten erhält. Ohne zu differenzieren zwischen Arbeiten und Leben. Gestalter sind verantwortlich, einen Beitrag dafür zu leisten, dass Mitarbeiter gesund sind.“
„Wir bieten dem Auftraggeber ja auch die Leistung, die wir ihm verkaufen, nur eben an vier statt an fünf Tagen erbracht.“Monika Leithäusl vom gleichnamigen Wiener Familienunternehmen über die dort kürzlich eingeführte Vier-Tage-Woche
Und die Vier-Tage-Woche?
Aber es gibt auch noch eine andere Dimension des Neuen Arbeitens und des Kampfes um Mitarbeiter als die räumlichen Gegebenheiten: die Arbeitszeit. Seit 1. März diesen Jahres arbeitet man bei der mittelständischen Wiener Baufirma Leithäusl mit ca. 100 Angestellten und je nach Saison ca. 300 bis 350 Gewerbliche in der Vier-Tage-Woche – und zwar, wie wir zu unserer großen Überraschung beim Besuch bei CO-Eigentümerin und Geschäftsführerin Monika Leithäusl erfahren, nicht nur im Büro, sondern auch auf der Baustelle. Der Grund: natürlich der Versuch, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Erstmals wäre das Thema aus diesem Anlass dort im Herbst 2021 in Diskussion gekommen und man hatte auch einiges dazu aus Vorreiterländern wie Island oder Spanien mitbekommen, sagt Leithäusl. „Eigentlich haben unser operativer Geschäftsführer Christian Hufnagl und ich uns einmal angeschaut und gesagt: Na ja, wir überlegen uns das. Dann haben wir bei der Gewerkschaft angerufen und dort sehr schnell Unterstützung zugesagt bekommen. Wir haben das dann in einem der regelmäßigen Management-Meetings auf den Tisch gelegt und dann war es kurz einmal ruhig.“ Aber man ist drangeblieben und hat jetzt einen in eine Betriebsvereinbarung gegossenen freien Freitag – die Stunden müssen allerdings an den anderen vier Tagen eingearbeitet werden. „Vor allem bei den Jungen war sofort Akzeptanz und Begeisterung da. Je älter die Mitarbeiter werden, desto schwieriger wird es wegen des Themas Erholungszeit. Aber quer durch die Firma haben wir sehr große Akzeptanz.“
Der freie Freitag geht dabei quer durch – also nicht in Schichten von kurzen und langen Wochen, wie sie schon bis dato in verschiedenen Firmen gebräuchlich waren. Auf der Baustelle vor Ort wirft das natürlich tendenziell ein Diskussionsthema mit den Bauherrn auf. Leithäusl: „Nicht jeder Auftraggeber wird sagen: juhu, ihr seid am Freitag nicht da. Und manchmal geht es bei manchen Projekten einfach nicht. Aber der entscheidende Unterschied ist: wenn ich jetzt von jemandem möchte, dass er am Freitag arbeitet, dann muss ich ihn darum bitten – so wie bis jetzt, wenn es um Samstag oder Sonntag ging.“
Im Detail gibt es natürlich einige andere Einteilungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten, aber die große Menge der im Betrieb Beschäftigten, sagt Monika Leithäusl, arbeitet vier Tage.
Und wie funktioniert das dann wirklich auf der Baustelle, fragen wir? „Wir haben gerade erst angefangen“, lächelt Monika Leithäusl. „Aber ich hoffe, dass es funktioniert. Wir bieten dem Auftraggeber ja auch die Leistung, die wir ihm verkaufen, nur eben an vier statt an fünf Tagen erbracht. Die Summe der Stunden bleibt ja gleich. Es wird sicher noch spannend werden, aber in einem halben Jahr kann ich sicher mehr sagen.“
Heißes Thema Employer Branding
In einem Arbeitsmarkt, der sich vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt gedreht hat und wahrscheinlich noch weiter drehen wird, sind alle diese Dinge bereits von großer Bedeutung und werden noch mehr Bedeutung erlangen. So hat etwa die Porr sogar unter dem Titel „Hoch hinaus. Built by Porr“ eine eigene Arbeitgebermarke entwickelt und der ehemalige Siemens-Vorstand Maximilian Mairhofer bietet als Selbständiger „digitales Fachkräfte-Recruiting“ an (siehe Kasten).
Im Idealfall wird das Thema Neue Arbeit zu einer Win-Win-Lösung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, das Ganze wird aber in diesem Sinn sicher noch länger ein Work in Progress bleiben. Der Tausch lautet: mehr Freiheit und gute Bezahlung gegen bessere Leistung. Strabag-Vorstand Klemens Haselsteiner bricht dabei eine Lanze dafür, die Freiheitsregelungen zwar ernsthaft, aber nicht komplett wasserdicht zu machen: „Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern so eine Freiheit zugesteht, dann bekommt man als Arbeitgeber deutlich mehr zurück, denn die wissen das zu schätzen. Und dann gibt es - und da kann man sich jetzt trefflich streiten, wie viele das genau sind - fünf Prozent, die das ausnutzen. Ich warne nur davor, Regeln zu machen, um diese fünf Prozent zu erwischen, denn die erwischen sie nicht, weil die genug Zeit und Interesse haben, um immer wieder Auswege zu finden. Wir müssen also Regeln machen für die 95 Prozent der Belegschaft, die mit solchen Vertrauensvorschüssen usw. vernünftig umgehen. Und dann kriegt man als Arbeitgeber mehr zurück, als man investiert hat.“
Gretchenfrage Mehrvergütung
Die ehemalige Großkonzern-Führungskraft Maximilian Maierhofer über digitale Fachkräfterekrutierung und die Probleme, die im Arbeitnehmermarkt Bauwirtschaft auftreten.
Bereits im 19. Jahrhundert hat der Wissenschaftler Justus von Liebig erkannt, dass ein Ressourcen-Engpass die Entwicklung von ökologischen Systemen bremst und sogar verhindern kann. Gleiches gilt für die wirtschaftliche Stabilität und Entwicklung von Unternehmen. Der aktuelle Rohstoffmangel ist ein gutes Beispiel dafür. Der Mangel an Fachkräften ist jedoch seit längerem ein Engpass-Thema und beeinflusst die Wettbewerbssituation vieler Betriebe.
Schon 2019 hatten 61 % der Bauunternehmen längerfristig Probleme damit, ausgeschriebene Stellen zu besetzen. Schaut man sich die Zahlen der Unternehmen an, die keine Probleme bei der Besetzung ihrer Stellen hatten, wirken diese noch erschreckender: Ganze 12 % waren es nur im Bau.
Viele Betriebe haben die aktuelle Situation auf dem Personalmarkt noch nicht verstanden und gehen ihre Personalbeschaffung nach wie vor mit veralteten Methoden an, statt es als eine strategische Aufgabe im Unternehmen anzusehen und zukunftsfähige Konzepte wie Digitales Fachkräfte-Recruiting zu setzen.
Bisher waren Arbeitsklima und Aufgabengebiet die führenden Motivatoren. Seit kurzem gewinnt verständlicherweise die Vergütung zunehmend an Bedeutung. Das bringt viele Betriebe in eine Zwickmühle. Kann ich neuen Mitarbeitern denn mehr bezahlen als den bereits seit längerem Beschäftigten? Bei der Beantwortung dieser Frage wird schnell sichtbar, wie viel ich als Unternehmer bzw. Geschäftsführer in die Unternehmenskultur und das „interne“ Employer Branding investiert habe.
Gute Arbeitgebermarke entscheidet
Bei der Mitarbeitergewinnung wird häufig mangels Ideen in teure Stellenanzeigen oder Personaldienstleister investiert. Dabei übersehen viele Unternehmen, dass ein starkes Employer Branding gerade im digitalen Zeitalter eines der wichtigsten und nachhaltigsten Instrumente im Kampf um die besten Talente ist.
Im Recruiting-Prozess muss uns klar sein, dass die Anzahl der auf dem Arbeitsmarkt befindlichen qualifizierten Fachkräfte begrenzt ist. Sie müssen damit wie ein Headhunter arbeiten, ohne einer zu werden. Gleichzeitig ist es erfolgsentscheidend, sich nicht nur auf die 10-20 % der aktiv Suchenden zu konzentrieren, sondern unbedingt auch die 60-80 % der passiven Kandidat:innen anzusprechen. Dies erreichen Sie, indem sie die richtigen Wege wählen, um die Zielgruppe dort zu erreichen, wo sie sich täglich aufhält: in ihrer eigenen Komfortzone.
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