BIM, Digitalisierung & Co. : Licht ins digitale Dunkel
Die Digitalisierung als Innovationstreiber verspricht riesige Produktivitätszuwächse. Optimierte Wertschöpfungsketten, hohe Prozesstransparenz, Automatisierung und geringe Fehlerquoten sind einige Gründe dafür. Was in jungen Branchen eine Selbstverständlichkeit ist, bedeutet in traditionellen Bereichen wie der Bauwirtschaft einen Umstellungsaufwand und bedarf einen Schritt in Richtung Innovation. Wo hier die österreichische Baubranche aktuell steht bzw. welche Potenziale in der Digitalisierung stecken, deckt eine aktuelle Reifegrad-Studie der Zukunftsagentur Bau (ZAB) auf.
Digitaler Reifegrad in der Bauwirtschaft: erste Grundlagenstudie in Österreich
Ein erklärtes Ziel der ZAB ist es, die österreichische Bauwirtschaft für die zukünftigen Herausforderungen zu stärken, dazu zählt allen voran die Digitalisierung, die besonders für Klein- und Mittelbetriebe entsprechende Produktivitätsgewinne verspricht. Um festzustellen, wo die größten Optimierungspotenziale liegen, hat die ZAB erstmalig in Österreich eine Studie umgesetzt, die darstellt, wie hoch der IST-Stand der Digitalisierung in österreichischen Bauunternehmen entlang eines repräsentativen Querschnitts ist. Abgeleitet davon sollen konkrete Handlungs- und Optimierungsempfehlungen in Richtung Steigerung des Reifegrades folgen, damit möglichst viele Unternehmen österreichweit von der voranschreitenden Digitalisierung profitieren können. Das Fazit lautet: für uns als Digital Follower gibt es noch Steigerungsoptionen.
Studiendesign und Datenerhebung
Die Studie war so aufgebaut, dass 420 Personen aus 37 teilnehmenden Unternehmen verschiedenster Bau-Leistungsbereiche in einem mehrstufigen Verfahren befragt wurden. Nach einem Kick-off folgte das Kernelement in der Erhebung, die Online Befragung DIGICHECK, die folgende Fragenkategorien erhob:
1. Welche Softwareprogramme und welche digitalen Tools werden in den Betrieben verwendet?
2. Wie viele unterschiedliche Softwarelösungen werden in den unterschiedlichen Prozessen verwendet? 3. Wo liegt die Zufriedenheit der Mitarbeiter bei den digitalen Prozessen und was muss optimiert werden? 4. Welche Hauptprobleme müssen gelöst werden, um den digitalen Reifegrad der Baubetriebe zu erhöhen?
Übergeordnet ging man also der Frage nach, ob im Status quo ausreichend IT-Infrastruktur und digitale Tools konzertiert im Einsatz sind, um das tägliche Baugeschäft bestmöglich zu unterstützen, oder ob es sich eher um nicht vernetzte Insellösungen handelt, so die Ausgangshypothese der Studie.
Im Anschluss führte das von der ZAB beauftragte Kompetenzzentrum Future Digital die Datenanalyse und Auswertung durch und präsentierte diese im Rahmen österreichweiter Workshops den teilnehmenden Firmen. Robert Plomberger vom Kompetenzzentrum Future Digital betont: „Mit der hohen Rücklaufquote von 80% sind wir mehr als bestärkt, dass das Thema Digitalisierung in den heimischen Unternehmen eine große Relevanz hat. Sie wollen wissen, wo sie stehen und wie sie sich verbessern können“.
In den Präsenz-Workshops erfolgte mit den Anwesenden eine gemeinsame Analyse des digitalen Reifegrads. Weiters waren die Workshop-Gäste aufgefordert, die Studienergebnisse mit ihrer Sichtweise rund um die Problemfelder der Umsetzung der Digitalisierungsmaßnahmen mit den Schwerpunkten auf:
- Strategie
- Softwareprodukte
- (Einführungs-)Prozesse
- Akzeptanz der Mitarbeiter und Führungskräfte
im Rahmen einer Diskussion zu ergänzen. Diese Rückmeldungen lieferten besonders qualitativ wertvolle Erkenntnisse, die in die finale Reifegradeinstufung einflossen.
Kernaussagen: Trendradar, Top-Themen und DIGIPULS
Allgemein ist sich die Mehrheit der Befragten einig, dass durch Digitalisierung die Produktivität in der ausführenden Bauwirtschaft steigt und dass hier das Thema Building Information Modeling neben anderen Top-Themen wie Nachhaltigkeit, Personal und Leanmanagement eine sogar teils hohe Bedeutung haben.
Auch wenn die Zufriedenheit der Mitarbeiter hinsichtlich der IT-Rahmenbedingungen und der Umsetzung von Digitalisierung zum Teil eingeschränkt ist, antworten immerhin 28% der Befragten in einem groben „Trendradar“, dass sie bereits Digitalisierungsschritte umgesetzt haben, 35 % sehen Chancen und nur 10% Risiken in der Digitalisierung.
Als wesentlichem Faktor in der Digitalisierung erfolgte eine genaue Erhebung der IT-Infrastruktur und Nutzung, so stehen die Themen Datensicherung, Datenmanagement, Schnittstellen und Workflow von Daten und Dokumenten in den Unternehmen – abhängig von der Unternehmensgröße – zunehmend im Mittelpunkt, auch weil diese sich in Zukunft kostenmäßig stärker niederschlagen werden. Bei geplanten Investitionen stechen vor allem der Ankauf von Software zur Baustellendokumentation, aber auch allgemein zum Erwerb von Hard- und Software hervor, mit dem vorrangigen Ziel die Prozesse in der Verwaltung zu beschleunigen.
Eine relativ große Anzahl an Anwendungen ist bei den Unternehmen im Einsatz, wobei in eben dieser Vielzahl eher kein Produktivitätsvorteil liegt.
Setzt man diese und die Anzahl der Aktivitäten, die die Mitarbeitenden in den Prozessschritten durchführen in Zusammenhang, erhält man den DIGIPULS. Den größten Ausschlag hat mit 26 Apps die „Bauausführung“, was den Schluss nahelegt, dass mangels Standardisierung und individueller Arbeitsweise unnötig viele Softwareprogramme verwendet und Tätigkeiten redundant ausgeführt werden. Gezielte Mitarbeiter- (IT)-Schulungen verringern diese Wahrscheinlichkeit und erhöhen die Arbeitszufriedenheit.
Zusammenfassung: Österreich am Weg zum Digital Transformer
Vor der ersten Erhebung bat man alle Unternehmen um eine grobe Einstufung hinsichtlich ihres digitalen Reifegrades. Hielten sich dabei 13% für Visionäre, 37% für Vorreiter, 31% für Follower und 19% für Beginner, so fiel die Einschätzung nach der Studienteilnahme weniger enthusiastisch aus.
Die Reifegradbeschreibung erfolgt nach Plomberger in den Kategorien Digital Beginner, Digital Follower, Digital Transformer und Digital Leader, wobei qualitativ die Faktoren Prozesse, Daten, Systeme und Kompetenzen zum Tragen kommen.
Je höher die (IT-)Prozessoptimierung mit Dokumentenmanagement im Workflow ist, je vollständiger eine digitale Daten-Wertschöpfung stattfindet, je mehr sich die top ausgebildeten Mitarbeiter agil intern und auch extern über geeignete Portale austauschen und sich daraus eventuell auch neue Geschäftsfelder etabliert haben, umso höher ist die digitale Reife.
Auf Basis dieser Faktoren und der Auswertungsergebnisse erfolgte die Einstufung der Baubranche in Österreich in den Bereich des Digital Beginners, sowie bis ins erste Drittel des Digital Followers und hat daher am Weg zum digitalen Leitbetrieb noch Entwicklungspotential. So ergab die Analyse, dass durchschnittlich
- Prozesse eher individuell laufen,
- Datenverbindungen zwischen den einzelnen Lösungen teilweise vorhanden sind,
- der Nutzungsgrad der Systemlandschaft mitarbeiterbezogen sehr unterschiedlich ist,
- Schulungen nur funktional und vereinzelt durchgeführt werden und
ein digitaler Fahrplan nur teilweise vorhanden ist.
„Als Hebel in diese Richtung werden laut der Workshops vor allem eine gute Digitalisierungsstrategie, ein Verdichten der eingesetzten IT-Programme, eine Optimierung der Prozesse unter maximalem Einbezug der Anwender – nämlich der Mitarbeiter – gesehen“, fasst Ing. Georg Hanstein, Bereichsleiter Digitalisierung & Innovation, Zukunftsagentur Bau, die Empfehlungen für die Erhöhung des Digitalen Reifegrades in Österreich zusammen. Ein Der BAU-Think-Tank der ZAB wird dieses Thema zukünftig aufgreifen und mit den teilnehmenden Betrieben bearbeiten.
So bringt die Studie auch zum Ausdruck, dass die Bereitschaft zur Digitalisierung klar gegeben ist, diese aber nicht einfach nur als „Zukauf neuer Softwareprodukte“ gesehen werden darf und eben auch vom persönlichen Reifegrad der Fach- und Führungskräfte abhängig ist.
Einen Ausblick gibt Harald Kopececk, MBA, Geschäftsführer der Zukunftsagentur Bau: „Mit dieser einzigartigen Studie haben wir eine aussagekräftige Grundlage geschaffen, um der österreichischen Bauwirtschaft das Potential und die Handlungsoptionen in Richtung Digitalisierung aufzuzeigen. Unser Auftrag ist klar, wir wollen den digitalen Reifegrad in Österreich deutlich steigern, jeder Anwender ist ein Multiplikator. Deswegen sind wir hier Anlaufstelle für alle Baubetriebe.“ Ein zweiter Durchgang der Studie ist für Herbst 2022 geplant.
Einen detaillierten Überblick der Ergebnisse, der Auswertung samt der Empfehlungen für die österreichischen Baubetriebe liefert der Endbericht der Zukunftsagentur Bau, der auf www.zukunft-bau.at abrufbar ist.