Österreich : Baubranche: Aussichten besser als in Deutschland

Symbolbild Baustelle

Bezüglich der Konjunkturaussichten in der Baubranche lässt sich derzeit bedingt durch eine unübersichtliche Gemengelage trefflich im Trüben fischen. Optimismus ist dennoch oder gerade deshalb angebracht.

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Beginnen wir mit den Legenden: der Ziegelhersteller Wienerberger soll ja - so hat zumindest jemand von jemandem gehört, der es von jemandem gehört hat - ein riesiges Lager an Ziegeln haben, die er vom Markt zurückhält, um die Preise in die Höhe zu treiben.

Der Name Wienerberger ist natürlich austauschbar, aber er wird hier deshalb erwähnt, weil das Gespräch im Rahmen eines Round Tables zum für alle brennenden Thema Materialverfügbarkeit, Baupreise etc. genau darauf kam. Faktum ist, dass Österreich-Geschäftsführer Johann Marchner ziemlich schlüssig erklären kann, wie absurd die Vorstellung der Anlage und Belieferung eines solchen Lagers rein logistisch ist und wie der Output der heimischen Werke angesichts der enormen Nachfragesituation der letzten Monate und Jahre so angehoben und in Richtung schnelldrehende Ware verschoben hatte werden müssen, dass für ein zusätzliches Lager in keinem Fall Material vorhanden wäre.

Aber es wird viel geredet und das hat tatsächlich seinen Grund.

Dieser ist: wir befinden uns in einer unerhört unübersichtlichen Situation, was Auslastung und Preise bei Zulieferern, Dienstleistern und Bauausführenden betrifft – und zwar schon spätestens seit Sommer 2021. Im Herbst begann die Inflation bereits anzusteigen und seit Februar hat sich noch der Ukraine-Überfall dazu gesellt mit seinen tatsächlichen und noch zu erwartenden Folgen.

Das Spektrum für Spekulationen ist damit so breit geworden, wie es schon sehr, sehr lange nicht war.

Wienerberger Österreich-Chef Johann Marchner
Wienerberger Österreich-Chef Johann Marchner entkräftet eine der vielen Urban Legende, sieht aber für die Zukunft "vielleicht doch das Backen kleinerer Brötchen bei vielen Bauherren." - © Andreas Hafenscher

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Zwischen realen Problemen, Whiplash-Effekt und Trittbrettfahrern

Tatsache ist: in den letzten Jahren der Nullzinspolitik der Zentral- und Nationalbanken haben sich dermaßen viele Geldflüsse mangels sonstiger Rendite ins berühmt-berüchtigte Betongold verschoben, dass die Baukonjunktur die obere Grenze des Brummens erreicht hat und man einfach gar nicht mehr alle Aufträge so annehmen und erledigen kann, wie es sich Bauherrn gleich welcher Größe wünschen: jetzt, sofort, hochqualitativ und günstig.

Tatsächlich entstandene Lieferschwierigkeiten lösten – so relativ klein sie am Anfang waren – den sogenannten Whiplash-Effekt aus und wurden zu gewaltigen Schnalzern. Das wiederum erwischte einige real auf dem falschen Fuß und lockte zudem eine veritable Zahl an Trittbrettfahrern an, die von der ungemütlichen Situation profitieren wollten. Dazu kommen die, die ihre eigene Unterkapazität gerne auf jemand anders abschieben nach dem Motto: Ich würde ihnen das ja bauen, aber ich bekomme das Material nicht.

Also schossen und schießen die Preise in die Höhe – und nicht einmal bei Zahlung dieser hohen Preise ist Verfügbarkeit gewährleistet.

Schon ab März 2022 hieß es daher etwa bei der einen oder anderen gemeinnützigen Bauträgerin: wir können die Preise nicht zahlen und daher die Projekte nicht machen. Ein bisschen war das natürlich auch ein Wink Richtung Bundesländer, die ja für die Baukostenobergrenzen zuständig sind – und der Wink zeitigt bereits Erfolg, denn Schaffung von Wohnraum steht in der politischen Agenda naturgemäß ganz oben.

Wo so wild spekuliert wird, sind die Unkenrufe natürlich nicht weit.

Deutschland: „zwischen null und minus zwei Prozent“

Zumindest in Deutschland mehren sich die Stimmen, dass der Bauboom seinem Ende entgegenstrebt und es werden bereits unerfreuliche Szenarien an die Wand gemalt.

So erwarte man für die realen Umsätze nur noch "eine Entwicklung zwischen null und minus zwei Prozent", sagte Chef des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie (HDB) Peter Hübner und bezeichnete die Lage als paradox. "Wir wollen bauen, wir sollen bauen, aber wir können oft nicht bauen.“

Zum Jahreswechsel seien alle Ampeln für den Bau noch auf grün gestanden, betonte Hübner. Man habe damals nominal für dieses Jahr noch ein Wachstum von 5,5 Prozent angepeilt. Nach Abzug steigender Baupreise wäre dies real ein Plus von 1,5 Prozent gewesen. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hätte die Lage aber völlig verändert. Neun von zehn befragten Betrieben würden direkte oder indirekte Auswirkungen des Krieges auf ihr Unternehmen beklagen.

Und auch der Branchenberater und Entwickler eines Börsenbeobachtungstools für die Baubranche Sebastian Theopold von Munich Strategy sieht ein „anhaltendes und deutliches Abwärtsgefälle hinsichtlich der Baukonjunktur über alle Kontinente und über alle Bausegmente hinweg“ sowie „eine Spanne der Unsicherheit, wie wir sie zuvor noch nie hatten“.

Das Problem, sagen Theopold und mit ihm auch das ifo, seien dabei nicht die nach wie vor vollen Auftragsbücher, sondern die Erwartungen. Diese würden derzeit massiv ins Negative drehen.

Österreich: „Können das weder in der Stimmung noch an den Zahlen ablesen“

Und Österreich? Nicht nur der notorische Optimist und Porr-CEO Karl-Heinz Strauss sieht die Situation schlicht aufgrund der infrastrukturellen Notwendigkeiten auch für 2023 positiv, sondern auch Peter Krammer (Strabag), seines Zeichens Obmann des Fachverbands Bauindustrie.

Auf SOLID-Anfrage meinte Krammer, mit den Aussagen aus Deutschland konfrontiert: „Wir sehen das Ganze nicht so dramatisch bzw. können wir die Entwicklung weder in der Stimmung noch an den Zahlen ablesen.“ Richtig sei, dass der Schrottpreis nahezu das Vorkriegsniveau erreicht hat und der Stahlpreis (Stabstahl) sich von seinem All-Time-High von rund 1250 Euro die Tonne auf ca. 1100 Euro reduziert hat. Stahl ist laut Krammer ein guter Indikator für die kommenden Entwicklungen, weil die Masse des Baustahls bei den Fundamenten/Rohbau verbaut wird und sich das Preisniveau deshalb bei diesem Material als erster bewegt. Krammer weiter: „Merkbar ist, dass es bei nicht unbedingt notwendigen Privatinvestitionen im sehr kleinteiligen Hochbau zu Verschiebungen kommt. Das merken vor allem die Zivilingenieure und die in diesem Segment tätigen Baumeisterbetriebe. Weiters wird, noch nicht jetzt merkbar für uns, die Anhebung der Langfristzinsen für Kredite zu einer Abflachung der Investition von Projektentwicklungen führen – vor allem von jenen, die eine geringe Rentabilität aufweisen. Dies ist jedoch auch davon abhängig, wieweit die Mieten, die für die Profitabilitätsrechnung angesetzt werden, mit der Inflation mitsteigen."

Die Einschätzung der österreichischen Bauunternehmungen zur aktuellen Lage habe sich aber ganz im Gegensatz zu Deutschland im April 2022 in Summe verbessert. Derzeit läge der Auftragsbestand der befragten Unternehmen bei 97% (nach 95% im März). Dabei können 25% der österreichischen Bauunternehmen ohne Beeinträchtigung ihre Leistung erbringen, 39% geben Materialmangel und ebenso viele Personalmangel an.

Peter Krammer und Erwin Soravia
Bauindustrie-Obmann Peter Krammer: "Die Einschätzung der österreichischen Bauunternehmungen zur aktuellen Lage hat sich ganz im Gegensatz zu Deutschland im April 2022 in Summe verbessert." - © www.thomastopf.com

Krammer abschließend: „Wir gehen davon aus, dass die Investitionen von Industriebetrieben nicht von der Höhe der Materialpreise abhängig gemacht werden, sondern von anderen, internen Faktoren. Auch die gemeinnützigen Wohnbauträger werden alles daransetzen, weiter zu bauen. Ebenso ist der Infrastrukturausbau für Bahn, Straße, Daten und E-Mobilität ungebrochen und wird auch noch intensiviert werden müssen. Auch das Erreichen der Klimaziele und die damit zusammenhängende Umrüstung von fossilen Brenngeräten in Wärmepumpen wird in den kommenden Jahren eine unglaubliche Investitions- und damit Bautätigkeit bringen.“

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