Baurecht : Haftung - mitgefangen, mitgehangen
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
1 Beispiel aus der Praxis mit 2 Szenarien
Wenn im Projekt etwas schief geht, beginnen meist gleichzeitig Ursachenforschung und Schuldzuweisung. In diesem Betrag fokussieren wir uns auf mögliche "Schuldige" auf Auftragnehmer-Seite und welche Fallstricke es hinsichtlich deren Haftung zu beachten gilt.
Für die Beleuchtung der Haftungsregeln gehen wir von folgendem in der Praxis alltäglichen Beispiel aus:
Ein Bauherr (AG) beauftragt einen Generalunternehmer (GU) mit der Erbringung von Bauleistungen. Dieser kann nicht den gesamten Leistungsumfang in Eigenleistung erbringen und zieht zur Erfüllung seiner Vertragspflichten einen Subunternehmer (A) bei. Der erbringt ebenfalls Bauleistungen und beschafft das hierzu erforderliche Material über den Lieferanten (B). B stellt selbst kein Material her, sondern ist reiner Händler, der die Produkte vom Hersteller (C) vertreibt. Eine in der Praxis durchaus übliche Vertragskette also.
Wir gehen im Folgenden von zwei Szenarien aus, in denen dem GU selbst jeweils kein Fehler unterläuft:
Szenario 1: Ein Fehler passiert bei der Leistungserbringung durch den Subunternehmer.
Szenario 2: Es stellt sich heraus, dass das vom Subunternehmer verwendete Material mangelhaft ist. Bei der Verarbeitung durch den Subunternehmer selbst tritt aber kein Fehler auf.
Was ist ein Erfüllungsgehilfe?
Grundsätzlich gilt im österreichischen Recht der Grundsatz, dass jeder nur für sein eigenes Verschulden haftet. Diese Regel wird durch die Ausnahme durchbrochen, dass jemand, der einem anderen zur Leistung verpflichtet ist, für denjenigen haftet, den er zur Erfüllung dieser Leistungspflicht einsetzt.
Entscheidend ist dabei, dass der Erfüllungsgehilfe tatsächlich zur Erfüllung der Leistungspflicht eingesetzt wird und mit dem Willen des GU tätig wird. Dies trifft auf den Subunternehmer A jedenfalls zu. Geht es aber um Lieferanten oder Hersteller von Produkten, die für die Erbringung der Werkleistung eingesetzt werden, kommt es stets auf die konkrete vertragliche Vereinbarung an. Im Allgemeinen wird vertreten, dass der Hersteller oder der Lieferant nicht Erfüllungsgehilfen des Werkunternehmers sind, wenn das Produkt bloß nach allgemeinen Anleitungen ohne besondere Einbeziehung in die Erfüllungshandlung des Werkvertrags hergestellt oder verarbeitet wird. Wenn also keine Sonderanfertigungen hergestellt werden, sind Lieferant und Hersteller in der Regel nicht als Erfüllungsgehilfen des Subunternehmers und folglich des GU zu qualifizieren.
Entdecken Sie jetzt
-
Lesen
- Warum die Zukunft im Bestand liegt 20.11.2024
- Countdown zu den 5 größten Vergaberechtsmythen 20.11.2024
- Bei Wiener U-Bahn-Ausbau wird mit Recyclingbeton geforscht 19.11.2024
-
Videos
- SOLID Bau-TV | 11.07.2024 11.07.2024
- SOLID Bau-TV | 27.06.2024 27.06.2024
- SOLID Bau-TV | 06.06.2024 06.06.2024
-
Podcasts
- Bauen up to date #13 - 04.03.2024 04.03.2024
- Bauen up to date #12 - 13.9.2023 12.09.2023
- Bauen up to date #11 - 23.04.2023 23.04.2023
Was bedeutet die Erfüllungsgehilfeneigenschaft für die Haftung?
In der Praxis kommt es häufig zu sogenannten Erfüllungsgehilfenketten (der GU beauftragt einen Subunternehmer, welcher ebenfalls einen (Sub-)Subunternehmer beizieht etc.). Ist die Erfüllungsgehilfeneigenschaft zu bejahen, haftet der GU sowohl für ein Verschulden des Subunternehmers als auch des Subsubunternehmers.
Dort, wo eine Erfüllungsgehilfenkette endet (in unserem Beispiel beim Subunternehmer), haftet der GU gegenüber dem AG nicht mehr für fremdes Verschulden.
Szenario 1:
Macht der Subunternehmer im Rahmen seiner Leistungserbringung einen Fehler (Dachdecker montiert falsch, Tiefbauer sichert Baugrube unzureichend etc.), haftet der GU dem AG für das Verschulden des Subunternehmers wie für sein eigenes.
Der AG kann Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche direkt gegen den GU geltend machen, auch wenn dieser selbst keinen Fehler gemacht hat. Selbstverständlich kann der GU dann bei seinem Subunternehmer Regress fordern.
Zu Schwierigkeiten kommt es für den AG in diesem Szenario insbesondere dann, wenn dem AG der GU als Haftungsfonds wegfällt, etwa weil dieser insolvent wurde. Hier könnte der AG gewillt sein, direkt auf den Subunternehmer zuzugreifen. Dies ist jedoch nicht ohne weiteres möglich.
Zu unterscheiden ist dabei, ob es sich um einen vertraglichen oder deliktischen Anspruch handelt. Bei Mängeln am herzustellenden Werk handelt es sich jedenfalls um vertragliche Ansprüche. Deliktische Ansprüche könnten etwa Beschädigungen am Eigentum des AG darstellen; nicht erfasst sind aber Schäden am Vermögen. Deliktische Ansprüche können immer direkt vom Geschädigten gegen den Schädiger geltend gemacht werden. Vertragliche Ansprüche hat der AG gegen den Subunternehmer mangels eigenen Vertrags aber nicht. Dementsprechend hat die Rechtsprechung ausdrücklich festgehalten, dass sich der AG mit vertraglichen Ansprüchen stets an seinen Vertragspartner zu halten hat – und das ist eben der (insolvente) GU. Er kann sich bei Vorliegen einer Erfüllungsgehilfenkette daher gerade nicht aussuchen, an wen er sich wendet. Dementsprechend geht die Zurechnung des Verschuldens des Erfüllungsgehilfen auch mit der Folge einher, dass jeder das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners selbst trägt.
Szenario 2:
Hat der Subunternehmer selbst keine Sorgfaltswidrigkeit begangen und ist "lediglich" das verarbeitete Produkt mangelhaft, trifft ihn in der Regel auch kein Verschulden, außer er hätte die Mangelhaftigkeit des Produkts erkennen und darauf hinweisen müssen.
Ergibt sich kein Verschulden des Subunternehmers aus einer Verletzung der Warn- und Hinweispflicht, so führt dies zu unbefriedigenden Ergebnissen für die Beteiligten weiter oben in der Vertragskette. Mangels Verschuldens beim Subunternehmer wird nämlich auch der GU dem AG nicht für Schadenersatzansprüche aus dem mangelhaften Produkt haften. Ersatz kann damit aber nur für den Mangelschaden selbst, nicht aber für Mangelfolgeschäden erlangt werden.
Der Lieferant ist nicht Erfüllungsgehilfe des Subunternehmers und bei ihm wird auch nur in den seltensten Fällen ein Verschulden (aus einer unzureichenden Prüfung der Ware) festzustellen sein.
Eine vertragliche Haftung des Lieferanten oder des Herstellers gegenüber GU oder AG scheidet mangels eigenen Vertragsverhältnisses aus. Ein Regressanspruch des Subunternehmers gegen den Lieferanten scheidet für Schadenersatzansprüche ebenfalls aus, da beim Subunternehmer aufgrund des zuvor Gesagten in der Regel gar kein Schaden eintreten wird.
Eine sachgerechte (?) Lösung durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung?
Der Gesetzgeber versuchte der dargestellten Problematik über die Einführung des Produkthaftungsgesetzes (PHG) zu begegnen. Dieses schafft eine Haftungsgrundlage für den Endabnehmer (AG) gegenüber dem Hersteller oder Generalimporteur. Eine wesentliche Einschränkung ergibt sich im Umfang des Haftungsanspruchs. Der Hersteller haftet bei einem fehlerhaften Produkt nämlich nur für einen vom schadhaften Produkt an fremden Rechtsgütern verursachten Sach- oder Personenschäden. Bei reinen Sachschäden sieht das Gesetz auch einen Selbstbehalt des Geschädigten vor.
Wesentlich ist dabei, dass das PHG keinen Ersatz für Vermögensschäden zuspricht. Treten daher aufgrund des Einsatzes eines fehlerhaften Produkts beim AG etwa Schäden wie Mietentgang aus der verzögerten Fertigstellung ein, so haftet der verantwortliche Hersteller hierfür nicht. Das gleiche würde für Verzögerungsschäden beim GU gelten.
Die Rechtsprechung versuchte diese dargestellte Haftungslücke über das Rechtsinstitut des sogenannten Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu schließen. Es handelt sich dabei aber um einen subsidiären Rechtsbehelf. Das heißt, dass ein Vertrag mit Schutzwirkung nur dann in Frage kommt, wenn es keinen anderen vertraglichen Anspruch gibt. In einer Erfüllungsgehilfenkette scheidet ein Vertrag mit Schutzwirkung aufgrund der Gehilfenzurechnung daher stets aus. Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus dem Umstand, dass das Vermögen des Dritten in der Regel durch den Vertrag mit Schutzwirkung nicht geschützt wird. Mietentgang, Verzögerungs(mehr)kosten oder sonstige Folgeschäden werden daher in der Regel ebenfalls nicht ersetzt.
Vor einer solchen gewissermaßen unvorhersehbaren Haftung können sich Hersteller und Lieferanten mit Haftungsausschlüssen in ihren Verträgen absichern. Diese schlagen nämlich auf den allenfalls geschützten Dritten durch und wirken gegen diesen auch, wenn er sie nicht kannte.
Praxistipps:
* Die Beteiligten sollten bei einem Projekt die Vertragskette stets im Blick haben;
* Es gilt zu prüfen, welche konkreten Schäden durch welchen Beitrag verursacht wurden;
* In Verträgen mit Lieferanten oder Herstellern ist für den Werkunternehmer eine Vereinbarung von Garantien sinnvoll, da diese eine eigene unabhängige Anspruchsgrundlage bieten;
* Als Hersteller oder Lieferant ist darauf zu achten, wirtschaftlich sinnvolle Haftungsausschlüsse zu vereinbaren, da diese auf den Dritten durchschlagen.