Brandschutz : Zündeln für die Sicherheit
Die Köpfe rauchen wieder beim Österreichischen Institut für Bautechnik. Denn eine Überarbeitung der OIB-Richtlinien 2 zu Brandschutz, 2.1 zu Brandschutz bei Betriebsbauten und 2.2 zu Brandschutz bei Garagen, überdachten Stellplätzen und Parkdecks steht an.
„Der Novellierungsbedarf ergibt sich vor allem durch technische Neuerungen“, erklärt Wolfgang Thoma, Leiter des Referates Bauphysik im OIB. „Da geht es beispielsweise um die Garagierung von Erdgas-, Flüssiggas- oder Elektroautos. Diese neuen Fahrzeugtechniken bedürfen auch neuer Regelungen.“
Richtlinien mit Spielraum
Außerdem kratzen sich Planer am Kopf, wie so manches Detail dieser Brandschutzrichtlinien auszulegen sei. So gibt es unterschiedliche Interpretationen der Brandschutzplaner bezüglich der Absaugleistung von Brandrauchverdünnungsanlagen. Einerseits verlangt die Richtlinie 2.2 einen zwölffachen Luftwechsel, andererseits gibt sie mit 36.000 Kubikmeter pro Stunde ein fixe Zahl für den Luftwechsel vor.
Am 23. November findet nun ein Kontaktforum im Institut statt, bei dem die Änderungsvorhaben mit Vertretern der Bundesländer, der Wirtschaft, der Ministerien und der Interessensvertretungen diskutiert werden.
Frank Peter, Brandrat ZT GesmbH: „Letztlich müssen sich die Planer aus jeder einzelnen Gesetzesmaterie die jeweils höchste Anforderung herauspicken.“
„Danach werden wir einige Zeit benötigen, bis wir die Anregungen eingearbeitet haben. Ich hoffe, dass wir die Richtlinie im Frühjahr von der Generalversammlung beschließen lassen können“, so Thoma.
Wann diese Neuerungen dann in Kraft treten, hängt von der Umsetzung durch die Bundesländer ab. Bisher haben erst Tirol, Vorarlberg, Burgenland und Wien die OIB-Richtlinien 1 bis 5 landesgesetzlich verankert. In der Steiermark und Kärnten wird daran gearbeitet. Es wird also noch viel Wasser die Donau hinunter fließen, bis es bundesweit einheitliche Brandschutzbestimmungen für Gebäude gibt.
Verloren im Normendschungel
Nicht unbedingt erleichtert wird die Planung durch abweichende Vorschriften in anderen Gesetzesmaterien. Frank Peter, Inhaber der brandRat ZT GesmbH und bis 2007 Offizier der Wiener Feuerwehr, nennt als Beispiel die benötigte Breite von Fluchtwegen: „Wir haben derzeit in der OIB-Richtlinie und der Arbeitsstättenverordnung unterschiedliche Anforderungen an die Fluchtwege.
Für bis zu 120 Personen ist die gleiche Breite vorgeschrieben. Bei 130 Personen brauchen Sie laut Arbeitsstättenverordnung 130 Zentimeter, laut OIB-Richtlinie 180 Zentimeter. Denn diese geht von der Philosophie der Gehspur, die 60 Zentimeter beträgt, aus. Letztlich müssen Sie sich aus jeder einzelnen Gesetzesmaterie die jeweils höchste Anforderung herauspicken.“
Normgerechtes Planen und Bauen wird auch durch den nun schon zehn Jahre währenden Umstellungsprozess von nationalen auf europäische Normen verkompliziert. Am 3. Mai lief die so genannte Koexistenzphase der beiden Systeme aus. Dennoch kann die alte Önorm B-3800 noch nicht zum Alteisen gelegt werden.
„Wir haben das Problem, dass einzelne Gesetze für ihre Definitionen immer noch die alten Begriffen verwenden. Und diese sind auch nicht eins zu eins in die neuen umzusetzen, zum Beispiel beim Brandverhalten“, erläutert Peter. Außerdem gibt es für eine Reihe von Bauteilen noch keine europäischen Normen.
Holz und Glas am Prüfstand
Auch die im Brandschutz tätigen Prüfanstalten müssen sich immer wieder neue Versuchsanordnungen ausdenken. So darf beispielsweise Holz laut OIB-Richtlinie 2 in der Gebäudeklasse 5 - Gebäude von 11 bis 23 Meter Höhe - Anwendung finden. „Doch da braucht es ein entsprechendes Konzept dahinter“, erklärt Christian Pöhn, Brandschutzexperte der Magistratsabteilung 39, Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle der Stadt Wien.
„Wir haben dazu eine so genannte Performance-Prüfung auf die Beine gestellt, in der nachweisbar wird, dass diese Systeme nicht nur 90 Minuten Feuerwiderstand erreichen, sondern auch Nichtbrennbarkeit, also keinen Beitrag zum Brandlast leisten.“ Derzeit hat Pöhn mehrere derartige Projekte in Prüfung, und es scheint, dass alle Prüflinge bestehen werden. „Denn im Moment geht es darum, diese Varianten soweit abzuspecken, dass sie auch wirtschaftlich sind.“
Um wirtschaftliche Optimierung geht es auch beim Thema Glas- und Elementfassaden, dem zweiten Schwerpunkt der derzeitigen Prüfungen bei der MA 39. Denn Brandschutzglas ist um ein Vielfaches teurer als herkömmliches Isolier- oder Wärmeschutzglas. Und so wird bei vielen großen Bauprojekten versucht, statt Brandschutzgläsern preisgünstigere Gläser in Kombination mit einer Sprinkleranlage einzusetzen.
„Wir haben dazu neue Normvorhaben eröffnet, die es derartigen Systemen ermöglicht, die erforderlichen Schutzzielnachweise zu führen“, sagt Pöhn. Und wie darf sich der Laie diese Problematik vorstellen? Pöhn: „Glas fällt herunter, das ist das Grausliche. Dass bei einem Brand ein Fenster herunterfällt, ist ein gesellschaftlich anerkanntes Risiko. Aber der Rest der Fassade muss oben bleiben. Da arbeitet die Industrie sehr eng mit den Prüfstellen und dem Normungsinstitut zusammen, und das sieht im Moment sehr Erfolg versprechend aus.“
Was hält die Glasfassade aus?
An einer dieser Versuchsreihen und der Entwicklung der zugrunde liegenden Prüfanordnung war auch Frank Peter beteiligt. Es ging darum, herauszufinden, ob eine große innen liegende Atriumfassade auch ohne Brandschutzglas den erforderlichen Brandabschluss erreicht.
Denn eine Sprinkleranlage war bei diesem Projekt ohnedies vorgesehen. Mangels einschlägiger Norm entwickelte Peter gemeinsam mit der MA 39 und den Sprinklerexperten der Prüfstelle für Brandschutztechnik das Szenario des brennenden Bürorollcontainers, der 20 Zentimeter neben der Glasfassade unter einem Schreibtisch lodert. Das Büromöbel wurde in Form von 55 und 85 Kilogramm schweren „Holzkrippen“ nachgestellt. Darüber kam ein Metalltisch.
In den Vorversuchen hatte sich gezeigt, dass die Scheiben – je nach Versuchsanordnung – ohne Sprinkler innerhalb von sieben bis neun Minuten bersten. Mit Sprinkler hielten die Scheiben stand. „Da wurde es fast schon langweilig. Denn wenn das System über 30 Minuten funktioniert, funktioniert es auch über sechzig Minuten und länger – solange der Sprinkler die Scheiben kühlt und die Hitzestrahlung abhält“, erinnert sich Peter.
Gleichzeitig warnt er davor, die positiven Prüfergebnisse zu verallgemeinern. „Glasfassaden mit Sprinkler per se als Brandabschluss betrachten, ist komplett falsch.“ Sicherheit gebe nur die Prüfung des konkreten Fassadensystems mit der vorgesehenen Sprinkler-Anordnung. „Alles andere wäre Kaffeesud lesen“, sagt der Lehrbeauftragte an Technischen Universität Wien und Donauuniversität Krems.
Wesentliche Einflussgrößen für die Sicherheit seien unter anderem die Rahmentiefe der Konstruktion, die Wahl der Sprinklerköpfe und deren Anordnung. „Wenn es irgendwo an der Scheibe Sprühschatten gibt, an denen sie nicht benetzt wird, für das zur Beschädigung.“ Daher muss man bei derartigen Brandschutzlösungen auch höllisch darauf aufpassen, im weiteren Ausbau oder bei Möblierung, Bepflanzung oder Beschattung keine Barrieren zwischen Sprinkler und Glasfassade herzustellen.
Textiler Brandschutz
Eine weitere Möglichkeit den Brandschutz kostengünstiger zu gestalten, bieten textile Brandschutzabschlüsse. Diese Systeme arbeiten ähnlich wie ein Rollo oder ein Rolltor. Im Brandfall fahren sie automatisch aus – manche Systeme sogar selbst bei einem Stromausfall. „Man muss aber mit dem Einsatz dieser Produkte sehr vorsichtig sein“, warnt Peter. „Es besteht noch Regelungsbedarf, wo man sie statt Wänden oder Brandschutzverglasungen einsetzen kann und wo nicht.“
Unbestritten ist dagegen, dass der Brandschutz dann am wirtschaftlichsten umzusetzen ist, wenn seine Erfordernisse schon in einer frühen Planungsphase des Gebäudes berücksichtigt werden.
Bauphysiklabor der Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle der Stadt Wien (MA 39)
Rinnböckstraße 15, 1110 Wien, Tel.: 01/79514, www.wien.gv.at/forschung/laboratorien/vfa/bauphysik/
• Feuerwiderstandsprüfungen für tragende und nichttragende Bauteile sowie für Installationen und Feuerschutzabschlüsse
• Prüfung des Brandverhaltens von Baustoffen nach Europäischen Normen, Brandverhaltensprüfungen von Fassaden und Sonderbaustoffen
• Fremdüberwachung von Produktionen brandschutztechnischer Bauprodukten
IBS - Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung Gesellschaft m.b.H.
Petzoldstraße 45, 4017 Linz, Tel.: 0732/7617-850, www.ibs-austria.at
• Brandverhaltenprüfung von Baustoffen, Bodenbelägen, Textilien, Beschichtungen, Imprägnierungen, Schaumstoffen, Holzwerkstoffen, Kunststoffen, Verbundwerkstoffen, Beton, Mineralfaserprodukten
• Feuerwiderstandsprüfungen von Bauteilkonstruktionen: Feuerschutztüren und Tore, Abschottungen, Fugen, Schächte, Dachbodentreppen, Wand- und Deckenkonstruktionen, Fangsysteme, Wärmedämmverbundsysteme, Fixverglasungen, Fassaden, lüftungstechnische Anlagen, Brandschutzklappen, Rauchschürzen, Rauch- und Wärmeabzugsgeräte
• Rekonstruktionsversuche zur Brandursachenermittlung
• Güteüberwachung sowie Durchführung von Abnahmen und Revisionen an Sprinkler-, Brandmelde-, Rauchabzugs- und anderen Anlagen.
ofi – Österreichisches Forschungsinstitut für Chemie und Technik
Brehmstraße 14 A, 1110 Wien, Tel.: 01/798 16 01 – 0, www.ofi.co.at
• Prüfung des Brandverhaltens von Bauprodukten
• Prüfung von Bodenbelägen
• Bestimmung von Zersetzungsprodukten
• Flammpunktbestimmung von Lacken und Beschichtungsstoffen
Prüfstelle für Brandschutztechnik des österreichischen Bundesfeuerwehrverbandes GesmbH.
Siebenbrunnengasse 21, 1050 Wien, Tel.: 01/544 12 33, www.pruefstelle.at
• Überprüfung und Typenprüfungen von Brandmeldeanlagen, Brandfallsteuerungen, Sprinkler- und Gaslöschanlagen, Brandrauchentlüftungen
• Typenprüfungen von Pumpen, Schläuchen, Atemschutzgeräten und persönlicher Schutzbekleidung
• Überprüfung von Trocken- und Nasssteigleitungen sowie Wandhydranten