Österreich : Ziviltechniker kämpfen mit Gutachten gegen Neugestaltung des Berufs
Die Ziviltechniker wehren sich vehement gegen neue Regeln für ihren Berufsstand. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat vorgegeben, dass die Bestimmungen etwas gelockert werden. Der Gesetzesentwurf für die Umsetzung des Urteils in Österreich wäre aber eine Übererfüllung der Vorgaben (Gold Plating), sagen die Ziviltechniker. Sie wollen Abänderungen und haben sich nun mit einem Gutachten bescheinigen lassen, dass ihre Vorstellungen dem EuGH-Urteil entsprechen würden.
Zähneknirschend akzeptiert hat Erich Kern, Ziviltechnikerkammer-Präsident für Wien, Niederösterreich sowie dem Burgenland, dass nach dem EuGH-Urteil von 2018 andere Firmen sich mit 50 Prozent an Ziviltechnikern beteiligen können - bisher war das auf 49 Prozent beschränkt. Allerdings läuft er dagegen Sturm, dass mittels Schachtelbeteiligungen der Anteil des Ziviltechnikers an seiner Firma auf "wenige Prozentpunkte" fallen könnte. Dem will Kern auf jeden Fall einen Riegel vorschieben.
Das neue Gesetz würde außerdem erlauben, dass sich ausführende Firmen, etwa Bauunternehmen, an Ziviltechnikergesellschaften beteiligen. "Das war bisher ein No-go", so Kern im Gespräch mit der APA. Denn Ziviltechniker machen nur die Planung eines Projektes, dürfen es aber nicht umsetzen. Die Beteiligung eines ausführenden Unternehmens würde die Unabhängigkeit der Ziviltechniker gefährden, da die Gefahr bestehe, dass der Miteigentümer bevorzugt wird, fürchtet Kern.
Um für Klarheit zu sorgen, soll es eine Unterscheidung zwischen Ziviltechniker-Gesellschaften und "Interdisziplinären Ziviltechniker-Gesellschaften", an denen auch ausführende Firmen beteiligt sind, geben. In die Richtung geht der aktuelle Gesetzesentwurf auch, erlaubt zugleich aber, dass sich eine interdisziplinäre Gesellschaft an einer reinen Ziviltechnikergesellschaft mit 99 Prozent beteiligt. "Eine bessere Täuschung von Konsumenten gibt es ja nicht", ärgert sich Kern. Diese Verschachtelung müsse aus seiner Sicht fallen.
Im Kern geht es um eine Sonderstellung der Ziviltechniker, die "Personen öffentlichen Glaubens" sind und Urkunden ausstellen können, als wären sie von einer Behörde ausgestellt worden. Dafür gibt es ein Siegel, mit dem Ziviltechniker Urkunden bestätigen können. Auch dieses Siegel müsse den "echten" Ziviltechnikern vorbehalten bleiben und nicht auch an interdisziplinäre Ziviltechniker gehen, verlangt Kern. Sonst hätte es überhaupt keinen Vorteil mehr, Ziviltechniker zu sein, denn deren Aufgaben können auch andere übernehmen - aber eben ohne den quasi amtlichen Charakter und ohne die lange und mühevolle Ausbildung.
Kern fühlt sich - außer von den Schwesterkammern in den anderen Bundesländern - wenig unterstützt. Die Wirtschaftskammer Österreich vertritt jene Firmen, die sich künftig an Ziviltechnikern beteiligen dürfen und hat daher ganz andere Interessen. Aber auch das Ministerium habe im Verfahren vor dem EuGH wenig bis keine Argumente im Sinne der Ziviltechniker vertreten, kritisiert Kern.
Immerhin sei der Beschluss über das neue Ziviltechnikergesetz im Wirtschaftsausschuss des Nationalrates schon mehrfach verschoben worden und es gebe Signale, dass man auf Ebene des Ministeriums noch einmal mit EU-Stellen verhandeln wolle, hofft Kern doch noch auf Änderungen.
Das Urteil des EuGH, das das Mehrheitseigentum von Ziviltechnikern und das Beteiligungsverbot für ausführende Unternehmen zu Fall bringt, sei zu akzeptieren, sagt Kern. Aber bei der Umsetzung "reparieren wir über das Ziel hinaus. Hier wird ein Berufsstand ohne Not zugrunde gerichtet", so der Kammerchef.
Kern hofft aber mit dem Gutachten von der KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH nachweisen zu können, dass die Vorstellungen der Ziviltechniker EU-konform sind und damit dem EuGH-Urteil genüge tun. Dazu kommt, dass in Österreich auf Basis einer EU-Richtlinie ein "Verhältnismäßigkeitsprüfungsgesetz" im Entstehen ist, das insbesondere den Schutz der Freien Berufe festschreibt. "Die Argumentation könnte von uns sein", so Kern zu dem vorliegenden Gesetzesentwurf. Auch das würde aus seiner Sicht die Position der Ziviltechniker stärken. (APA)