SOLID: Sie sind seit ca. einem Jahr als Nachfolger des Langzeit-Chefs Anton Reithner im Amt - ist es jetzt so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Dr. Gunther Sames: Das erste Jahr war herausragend. Es stellt einen Meilenstein in meinem Leben dar, bin ich doch nach vielen Jahren der beruflichen Wanderschaft wieder in der Nähe meines Ausgangspunktes Oberösterreich gelandet. Für das Unternehmen war es natürlich auch emotional, weil jede Nachfolge nach knapp drei Jahrzehnten durchgehenden Geschäftsführertums von Anton Reithner Fragen aufwirft und Unruhe hervorruft.
Ich habe aber von Tag eins unserer Bekanntschaft eine sehr gute Chemie mit Herrn Reithner verspürt und das war auch der ausschlaggebende Grund, mich überhaupt auf die Liste setzen zu lassen. Dadurch habe ich da ein gutes Gefühl gehabt, dass das ganz natürlich so weiter leben wird, ohne dass sich jemand verstellen muss.
Wie inszeniert man so einen Übergang denn, damit er gut geht?
Sames: Ich hatte zuerst eine dreimonatige Zeit - man kann fast Praktikum sagen -, in der ich in der Zentrale in Witten stationiert war. Von dort aus bin ich in einige Teilorganisationen ausgeflogen, die das Unternehmen als repräsentativ gewählt hat. Die wichtigsten waren Großbritannien, USA und Skandinavien. Alles sehr lehrreich, vor allem Dänemark, von wo aus eine Region mit zehn Sprachen bedient wird - wir hier haben 22 zu bedienen.
Ein bisschen was will ein Neuer aber schon anders machen, oder?
Sames: Wird man und muss man. Herr Reithner und ich haben in den vielen gemeinsamen Flug-, Bus- und Autostunden gemeinsam Meilensteine fest gemacht, wo Handlungsbedarf auf mich zukommen wird. Ich habe mir nur ausbedungen, keine Timeline dahinter zu stellen. Die Prioritätensetzung obliegt mir und dem Team.
Außerdem gibt es ausdrücklich und vom Unternehmen aus einen Freiraum für die Art, wie wir Märkte bearbeiten - also den österreichischen nicht zwingend so wie den deutschen.
Das ist aber nicht überall gebräuchlich bei multinationalen Firmen.
Sames: Das hat mit der sehr hohen Personalintensität zu tun. Entscheidend ist einfach, ob in einem Gebiet ein guter Verkaufsmann ist, der sich wohl fühlt und der das im Griff hat. Somit sind wir mehr als ich das gewohnt bin abhängig von der Performance von Einzelpersonen abhängig.
Wo gab und gibt es den von Ihnen angesprochenen Handlungsbedarf?
Sames: Wir haben uns in Österreich mit knapp 30 Prozent des Marktes zum Marktführer entwickelt - was angesichts von ca. 30 Mitbewerbern durchaus eine beachtliche Größe ist. Die gilt es zu halten. Da reden wir für heuer von einem Wachstumspotenzial von zwei bis fünf Prozent. Aber die größten Wachstumsfelder sind der Süden und der Südosten Europas, wo wir uns zweistellige Wachstumsraten zum Ziel gesetzt haben.
Wie sind die erreichbar?
Sames: Das geht aus zwei Gründen. Zum einen gibt es in diesen Ländern Aufholbedarf, was die Infrastruktur betrifft. Was uns aber noch viel mehr in die Hände spielt: Es beginnen sich einige dieser Länder vom bisherigen Baustil - schnell, günstig, groß, viele Touristen auf engem Raum - zu lösen und Richtung Qualität zu gehen, um mit einem Kunden mehr umzusetzen. Und das beginnt mit der Infrastruktur. Die Schwarzmeerküste in Bulgarien geht zum Beispiel derzeit komplett vom Betonflächenbau zu Naturstein. Das braucht auch einen ganz anderen Typus Handwerker.
Gibt es den überhaupt in ausreichendem Maß?
Sames: Ja, die gibt es - und die bringen andere Baustoffe mit und brauchen natürlich jemanden, der das finanziert.
Und das geht wegen der niedrigen Zinsen so gut?
Sames: Das ist unterschiedlich. Der Südbalkan lebt gerade massiv von den Heimkehrern, deren Eltern das Land verlassen haben und wo die zweite Generation jetzt mit einem anderen Lebensstil und anderen Geldmitteln zurück kommt. Und natürlich gibt es Investoren, die Länder wie Albanien oder Montenegro erst jetzt als touristisch interessant erkennen.
Was ist Ihre ursprüngliche Ausbildung?
Sames: Ich bin eigentlich technischer (Mineralöl-)Chemiker und bin über meine Berufsstationen der produzierenden Chemie treu geblieben - hier zum ersten Mal die anorganische.
Was fasziniert Sie an Chemie?
Sames: Alles. Es war immer klar, dass es Mathematik oder Chemie wird und unter Chemie hab ich mir mehr vorstellen können. Ich habe in der Schule natürlich auch daheim einen Chemiekasten gehabt. Die Knallgasreaktion war mein Liebling - und die Umschlagstitrationen, wo der letzte Tropfen eine komplette Umfärbung bewirkt.
Hier in Ihrem Büro gibt es Bilder, die Sie beim Rudern zeigen. Wie wichtig war das?
Sames: Das Rudern begleitet mich auch und ich tu es noch immer, so gut ich kann. Ich war sechs Jahre im österreichischen Nationalteam. Jetzt ist es die Bierbauchklasse (lacht). Es gibt da Rennen quer durch Europa und da haben wir das ganze Jahr über einen Achter am Start. Ab 45 werden die Leute ja wieder verrückt und trainieren viel.
Sie sind also quasi wegen der Donau hierher in die Nähe von Melk gekommen?
Sames: Absolut richtig (lacht)!
Was ist sonst wichtig im Leben?
Sames: Rückhalt im Team. Rudern ist ja da ganz speziell, da sind vor allem in unserem Alter acht Leithammeln im Boot - und dann kommt der Steuermann. Das ist schon cool, wenn man gewohnt ist, Leithammel zu sein - und auf einmal bist du auf Position vier und bist still. Das ist sehr lehrreich.
Und in dieser Firma hier ist es exemplarisch, wie das Team arbeitet - ohne Superhero, alles selbst geschaffen!
Dazu kommt mein 21-jähriger Sohn, mit dem mich eine wunderschöne Beziehung verbindet. Er rudert ebenfalls.
Auch Spitzensportler sind ohne ihr Team gar nichts. Das sieht man auch beim Freitauch-Weltrekordler Christian Redl, mit dem wir heuer zusammen eine Jubiläumskooperation haben. Der wäre ohne Team gar nicht mehr da. Und das ist auch das Um und Auf für ein Unternehmen.
Zur Person: Geboren: 24. April 1969, 1 Sohn (21 J) Ausbildung: Internatsgymnasium in Linz, Studium Technische Chemie – BWL inkl. Doktorat Berufliche Stationen: Shell Austria AG Wien und Budapest, Lenzing AG Lenzing und Heiligenkreuz / Burgenland Japan und China, 4 Jahre USA (Tennessee, North Carolina), Zellstoff Pöls AG (Heinzel Gruppe) Zuletzt 10 Jahre als Vorstand. Seit März 2017 ARDEX GmbH