Die Auftraggeber : Wolfgang Hesoun: "Direktbezug zum Baubusiness reduziert"
Ein aktueller Big Deal der beiden Großauftraggeber ÖBB und Siemens im Verhältnis zueinander ist die Lieferung von 100 Nah- und Regionalverkehrszügen vom Typ Desiro ML von Siemens an die ÖBB mit einem Auftragsvolumen von mehr als einer halben Milliarde Euro. Der Vertrag wurde Anfang März unterzeichnet. Die dreiteiligen elektrischen Triebzüge sollen ab Ende 2015 ausgeliefert werden. 30 Züge sind für den S-Bahn-Verkehr in Wien und in Niederösterreich und 70 für den Regionalverkehr in Oberösterreich und in der Steiermark vorgesehen. „Mit diesem Auftrag ist eine signifikante Wertschöpfung in Österreich verbunden“, sagt Wolfgang Hesoun, Generaldirektor Siemens Österreich und CEE. Die Endfertigung der Triebwagen soll im Werk Jedlersdorf der ÖBB (Technische Services) stattfinden. Die Drehgestelle kommen aus dem Siemens-Werk in Graz.
____SOLID: Herr Hesoun, wie sieht die aktuelle strategische Ausrichtung von Siemens in Österreich aus? Wolfgang Hesoun: Siemens Österreich hat sich im Geschäftsjahr 2011/12 voll auf seine Stärken und Kompetenzen konzentriert und mit innovativen technologischen Komplettlösungen die vorhandenen Wachstumspotenziale in Österreich und im CEE-Raum ausgenützt. Diesen Weg wollen wir weiter fortsetzen und als integrierter Technologiekonzern künftig noch näher an unsere Kunden heranrücken. So wollen wir im laufenden Geschäftsjahr speziell in den Bereichen Energieeffizienz und Smart-City-Lösungen unsere Innovationskraft ausbauen und verstärkt zum Einsatz bringen. Eine Herausforderung liegt dabei sicher in der Suche nach Möglichkeiten, den Investitionsbedarf mit praktikablen und finanzierbaren Lösungen in Einklang zu bringen.Das heißt, Sie mussten auf die Verschärfung der europäischen Staatsschuldenkrise reagieren? Hesoun: So ist es. Die daraus resultierende Unsicherheit bei den wirtschaftlichen Akteuren führte zu einer Zurückhaltung bei den Investitionstätigkeiten, sodass Neu-, Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen oftmals aufgeschoben wurden. Durch die ungünstige wirtschaftliche Lage bzw. Projektverschiebungen im Energie- und im Verkehrsbereich ist der Auftragseingang um fast 13 Prozent (= 2,1 Milliarden Euro) gesunken. Es ist der Siemens AG Österreich jedoch dank der in ihrem Geschäftsverantwortungsbereich liegenden Länder Mittel- und Südosteuropas sehr gut gelungen, diese Konjunkturbewegungen auszugleichen und die Wachstumspotenziale des CEE-Raumes zu nutzen. Es gibt in diesem Wirtschaftsraum im Vergleich zu anderen Regionen Europas ein höheres Potenzial für Siemens-Produkte und -Lösungen, speziell im Infrastruktur-, Industrie- und Energiebereich. Die Siemens AG Österreich hat das Geschäftsjahr 2011/12 mit einem Bilanzgewinn von 788 Millionen Euro abgeschlossen.“Haben diese Umstrukturierungen Auswirkungen auf die österreichische Bauwirtschaft? Hesoun: Speziell das letzte Geschäftsjahr war wesentlich geprägt durch die Aktivierung und den Ausbau des Komplettlösungsangebots im Infrastrukturbereich für Ballungsräume im Sektor Infrastructure & Cities. Dieses neu organisierte Geschäftsfeld vereint Produkte, Systeme und Lösungen für intelligentes Verkehrsmanagement, Schienenverkehr, Smart Grids, energieeffiziente Gebäude sowie Sicherheitslösungen und macht unsere Stärke deutlich: Die Befriedigung von Markt- und Kundenerfordernissen durch ganzheitliche innovative Lösungen und maßgeschneiderte Komplettpakete, welche die Produktivität erhöhen und zu profitablem und umweltfreundlichem Wachstum führen.Gleichzeitig haben wir uns aus dem Umsetzungs- und Montagegeschäft deutlich zurückgezogen, wir haben Beteiligungen verkauft und uns auf das Produktgeschäft konzentriert. So gesehen ist der Direktbezug zum Baubusiness reduziert worden. Das ist natürlich auch eine Frage der Margen. Da muss man sich überlegen, wie weit will ich die Kundennähe aufrechterhalten und wie weit schaffe ich es, Siemens-Produkte ohne den margenschwächeren Bereich im Geschäft zu halten. Das ist ein ständiges Abwägen zwischen Marktmöglichkeiten und Risiken und da hat für Siemens natürlich die Margenpolitik einen hohen Stellenwert.Sie waren jahrzehntelang Porr-Vorstand und zuletzt bis 2010 Generaldirektor – vermissen Sie Ihren früheren Arbeitsplatz?Hesoun: Ich war sehr gerne bei der Porr – immerhin 23 Jahre –, aber ich bin auch sehr gerne bei Siemens tätig. Es ist doch eine etwas andere Welt. Ich war ja kein „Bau-Mann“, sondern bin aus dem Anlagengeschäft gekommen und habe auch bei der Porr vorrangig Umwelttechnik- und Infrastrukturprojekte betreut. So gesehen war der Übergang für mich nicht dramatisch und hat meiner Interessenlage durchaus entsprochen. Generell sollte man sich zu Unternehmen, wo man früher aktiv war, nicht äußern. Ich hatte und habe zu Herrn Ortner ein sehr gutes Gesprächsklima. Wenn er seine Position ausweitet, dann hoffe ich, dass das in dem sehr schwierigen Marktumfeld zu den Ergebnissen führt, die er sich vorstellt. Die Bauwirtschaft hat derzeit wirklich sehr schwierige Rahmenbedingungen. Sie hängt da ganz stark von Investitionen der öffentlichen Hand ab ... Das ist schwer in Zeiten, wo vorrangig über Einsparungen nachgedacht wird.Was sagen Sie zur aktuellen Situation bei Alpine?Hesoun: Nichts.
(SOLID 3/2013)