Österreich : Wohnungs- und Baubranche denkt über mehr Klimaschutz nach
Mit Nullenergiehäusern tragen der Wohnbausektor und die Baubranche schon viel zum Klimaschutz bei, sie denken aber über Möglichkeiten nach, damit der "ökologische Fußabdruck" noch kleiner wird. Einige Player im gemeinnützigen Wohnbau wollen durchaus noch mehr für die Umwelt tun, bei anderen steht nach wie vor die Leistbarkeit der Wohnungen an erster Stelle.
"Der Klimawandel ist schaffbar, leistbar und machbar", meinte Michael Pech, der Aufsichtsratschef im Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV). Der Neubau sei schon so ökologisch, dass man sich hier mit Klimafragen gar nicht mehr befassen müsse. Nur 10 Prozent des heimischen Energieaufwands gehe für Gebäudewärme auf. Gut wäre, wenn die GBV-Unternehmen den auf den Dächern erzeugten Solarstrom nicht nur in den eigenen Bauten verwenden, sondern auch an Dritte verkaufen könnten, plädierte Pech bei einem u.a. vom Fachmagazin "Wohnen Plus" organisierten Wohnsymposium für legistische Änderungen. "Wir sollten mit den Stromunternehmen Partnerschaften eingehen können im Stromhandel, ich bin optimistisch, dass uns das ermöglicht wird." Sinnvoll wäre es auch, den Überschussstrom lokal zu speichern, allenfalls kombiniert mit Geothermie.
Auf die Speicherfähigkeit der Bauteile selbst verwies Andreas Pfeiler, Geschäftsführer im Fachverband Steine-Keramik der WKÖ. Es gehe um Erneuerbare Energie in Bauteilen, kombiniert mit Wärmetauschern und Flächenheizung. Die in der Gebäudehülle aufgenommene Energie könne nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Kühlen verwendet werden. Das gehe maximal sieben Tage lang, bei starker Warmwassernutzung kürzer. Ein Pilotprojekt ist in Sommerein (Bez. Bruck/Leitha, NÖ) im Entstehen. Bis Ende 2019/Anfang 2020 werden dort Reihenhäuser und Mehrgeschoßwohnungen hochgezogen, in den Bauteilen soll Überschussstrom des benachbarten Windparks gespeichert werden.
Trotz Passiv-, Niedrigenergie- und sogar Plus-Energie-Häusern gebe es eine Reihe ökologischer Themen beim Planen und Bauen, betonte Architekt Oliver Gerner vom Architektenbüro Gerner und Partner ZT. Der Weg zu solchem energiesparenden Wohnraum führe nämlich auch über nicht nachhaltige Materialen, zum Beispiel thermische Styropor-Dämmhüllen ("das ist nichts Anderes als aufgeschäumtes Erdöl"), aber auch einen hohen Flächenverbrauch. Die Flächenversiegelung heize die Städte auf, wobei "Stadt" schon mit Größenordnungen wie Wels oder St. Pölten beginne. Täglich würden in Österreich im Schnitt 12,9 Hektar Boden versiegelt, davon allein 5,8 ha durch die Bauindustrie. In Europa gehe es im Jahr um die Fläche von Berlin. "Das sind Flächen, die wir nie wieder zurückkriegen". Lösungen könnten ein etwas höheres Bauen (Ausnutzen der Bauklassen) sowie das Zusammenfassen von Bauflächen sein.iegelt, davon allein 5,8 ha durch die Bauindustrie. In Europa gehe es im Jahr um die Fläche von Berlin. "Das sind Flächen, die wir nie wieder zurückkriegen". Lösungen könnten ein etwas höheres Bauen (Ausnutzen der Bauklassen) sowie das Zusammenfassen von Bauflächen sein.
Der Klimaexperte und Ökonom Stefan Schleicher vom Wegner Zentrum für Klima und Globalen Wandel in Graz kritisierte, dass sich die Regierung mit ihrer Energie- und Klimastrategie sowie dem nationalen Energie- und Klimaplan "bewusst Grenzen gesetzt" habe, "damit ich kein abwertendes Wort verwende". Das, was da drinnen stehe, sei "auf jeden Fall ungenügend". Denn zum Beispiel das darin angesprochene, auf 2030 bezogene "Leuchtturmprojekt" von PV-Anlagen auf 100.000 heimischen Dächern würde zu den rund 70 Terawattstunden (TWh) Strom in Österreich "maximal 0,5 bis 0,6" beitragen. Die E-Wirtschaft habe das dann noch auf 200.000 Dächer verdoppelt, aber für jedes einzelne Jahr. "Sie können sich ausmalen, wo wir diese Dächer finden", meinte Schleicher.
Das Vokabular gehöre von E-Wörtern auf I-Wörter umgestellt, nämlich von Erneuerbare, Effizienz und Energiewende auf Innovationen ("vor allem im Bauen und Wohnen"), Integration ("einzelne Bauten nicht isoliert sehen, sondern Areale, Quartiere betrachten") und Inversion ("bisheriges auf den Kopf stellen"). Die Energiesysteme sollten nicht von der Erzeugung her, sondern im Hinblick auf den Output aufgerollt werden. Über die Kosten und die Finanzierung müsse man sich aus seiner Sicht keine allzugroßen Sorgen machen. "Wer baut am billigsten" sei aber kein gutes Rezept, es gehe um die Nutzungskosten über die gesamte Lebensdauer.
"Die Leistbarkeit der Wohnungen steht bei uns an erster Stelle", lieferte Alfred Kollar von der Oberwarter Siedlungsgenossenschaft (OSG) und Obmann des GBV Burgenland den Kontrapunkt dazu. Man könne nicht bei jedem einzelnen kleinen Bauprojekt wissenschaftliche Arbeiten über die Klimaeffekte durchführen, habe aber etwa bisher im eigenen Wirkungskreis schon 62 kleine Biomasse-Hackschnitzelheizungen errichtet, zehn weitere seien in Bau. Auch Solarenergie komme im Südburgenland bei Passivhäusern und Mehrgeschoßbauten zum Einsatz, zudem teste man nun ein Pufferspeicher-Modell, Evaluierung im Sommer. (APA)