Interview : "Wir kennen manche Stammkunden schon"
SOLID: Pfusch am Bau ist kein neues Thema. Ist es in schwierigen Zeiten ein wichtigeres Thema?
Herwig Heller: Der Widerstand in Krisenzeiten Steuern zu sparen nimmt zu, ist mein Eindruck. Manchen ist nicht klar, dass wenn sie ihre Mitarbeiter nicht anmelden, Steuern und Sozialversicherung nicht bezahlen, den Staat betrügen.
Die KIAB-Sondergruppe führt Aktionstage auf Baustellen durch. Rechnet sich dieser Aufwand?
Heller: Ein Aktionstag – regional oder bundesweit zeitgleich durchgeführt - ist eine logistische Herausforderung. Dann tauchen die Kontrolleure allein oder gemeinsam mit Finanzamt oder Zollamt auf der Baustelle auf. Wir sehen uns die Anmeldungen und Unterlagen durch. Wir kennen manche Stammkunden schon. Beim letzten großen Aktionstag überprüften wir 283 Baustellen und damit 1281 Unternehmen. Ein Viertel davon wurde beanstandet und 4 Unternehmen waren nicht registriert. Das Ergebnis war gut: In zehn Stunden Arbeit überprüften wir 3400 Arbeitnehmer und verzeichneten 12 Millionen Euro Forderungspfändungen am Ende des Tages.
Dem Staat entgeht durch Gründung und Blitzauflösung von Gesellschaften mit Beschränkter Haftung sehr viel Geld. Wie gehen Sie gegen diese Betrugsform vor?
Heller: Das Problem wäre auf rechtlicher Ebene anzupacken, aber das ist nicht unsere Sache. Wir haben für Pfusch am Bau nur eine einzig Chance: Wir müssen schnell sein und gut vernetzt. Eine Zusammenarbeit beispielsweise mit der Bauarbeiterurlaubskasse würden wir uns wünschen.
Wie können Sie auf einer Baustelle 15 echte Kousins von illegal Beschäftigte unterscheiden?
Heller: Da schauen wir uns den Einzelfall genau an. In bestimmten Regionen und Ländern wissen wir, dass Nachbarschaftshilfe üblich ist. Wir fragen uns jedes Mal, wie plausibel die Darstellung ist. Wenn jemand beispielsweise aus Tschechien kommt und Baumaterialien mitbringt, dann ist es wohl eher ein illegal Beschäftigter.
Sie haben früher einmal den Arbeitsstrich überprüft, nehme sie diese Spezialregion wieder in Angriff?
Heller: Wir versuchten es vor einem Jahr, aber es war extrem aufwändig. Wir stellen viele Mitarbeiter und einen ganzen Fuhrpark bereit um den abgeholten Arbeitskräften bis zu ihrem Arbeitsort zu folgen. Sie werden es nicht glauben: die Arbeiter fahren im Bus sogar bis Gloggnitz von Wien aus. Die Zielgenauigkeit ist jedoch zu gering. Denn auch redliche Firmen holen sich Taglöhner vom Arbeitsstrich.
Was passiert, wenn Sie ausländische Beschäftigte auf der Baustelle finden? Bringen sie diese ins Gefängnis oder in Schubhaft?
Heller: Wir machen gar nichts dergleichen. Das ist nicht unser Aufgabengebiet. Wir kontrollieren die Anmeldung bei Steuer und Sozialversicherung. Haben wir Kollegen von der Fremdenpolizei dabei, dann sind sie für die Überprüfung der Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitsbewilligungen zuständig und dürfen handeln.
Sie können nicht alle Betrüger in flagranti ertappen. Wie hoch schätzen Sie die Dunkelziffer?
Heller: Wir geben keine Schätzungen ab. Es hilft uns bei der Arbeit nicht mit Schätzungen zu kalkulieren. Was zählt sind Ergebnisse.