Fertighäuser : Wir haben fertig
Österreich ist das Land der Fertighäuser: Jahr für Jahr kommen mehr als 5.000 Einfamilienhäuser in Fertigbauweise dazu. Jedes dritte Eigenheim, das hierzulande errichtet wird, ist ein Fertighaus. Individuelle Planung, Energieeffizienz und schlüsselfertige Ausführungen sind die Parameter eines modernen vorgefertigten Hauses.Doch die Vorfertigung von Wand-, Dach- und Deckenelementen ist schon lange nicht mehr auf das Häuschen im Grünen beschränkt. Neuerdings entstehen auch Wohnhausanlagen, Reihenhäuser, Bürogebäude, Schulen und Kindergärten sowie andere kommunale Bauten in Fertigbauweise. Viele Argumente, die diesbezüglich für den Einfamilienhausbau sprechen, können auch auf den großvolumigen Bau übertragen werden.
Österreich ist das einzige Land Europas, das den Fertigbau in einer Norm regelt. Die ÖNORM B 2310 definiert den Begriff „Fertighaus" und die Leistungsumfänge der Ausbaustufen „Schlüsselfertig", „Belagsfertig" und „Ausbauhaus". Auf das Material kommt es dabei nicht an: Fertighäuser können in Holz-, Beton- oder Ziegelbauweise errichtet werden. Wesentlich ist allerdings, dass die großflächigen Wand-, Decken- und Dachelemente in einer Produktionsanlage vorgefertigt werden und in einem möglichst hohen Vorfertigungsgrad auf die Baustelle transportiert werden.
Je höher der Vorfertigungsgrad ist - z. B. Fenster bereits eingebaut, Installationen in den Wänden -, desto weniger Arbeiten fallen vor Ort auf den Baustellen an. In den Produktionshallen kann witterungsunabhängig gefertigt und exakt verarbeitet werden. Auch die Qualitätssicherung ist wesentlich leichter als die Überwachung von Arbeiten auf der Baustelle. Christian Murhammer, Geschäftsführer des Österreichischen Fertighausverbandes: „Unsere Mitglieder dokumentieren laufend die Qualitätsstandards und werden zusätzlich durch akkreditierte Prüfinstitute überwacht. Deren Produkte dürfen daher das Gütezeichen-Fertighaus führen - ein Qualitätslabel, das sich auf das gesamte Gebäude bezieht."
Ein wesentlicher Vorteil industriell vorgefertigter Bauteile ist die kurze Bauzeit auf der Baustelle - ein Argument, das im großvolumigen kommunalen Bau besondere Bedeutung erlangt. Die Anrainer werden deutlich weniger gestört, der Straßenverkehr wird kaum beeinträchtigt, die Lärm- und Staubbelästigung wird auf ein Minimum reduziert und die Gebäude sind rascher nutzbar, da Austrocknungszeiten und wetterbedingte Baustopps nicht ins Gewicht fallen. Auch finanziell bringt eine rasche und termingerechte Fertigstellung Vorteile - Mieteinnahmen fließen früher und kostenintensive Zwischenlösungen und Provisorien etwa beim Neu- oder Ausbau eines Postamts, eines Gemeindeamtes oder einer Schule sind entweder gar nicht erforderlich oder können schon nach kurzer Zeit wieder aufgegeben werden.
Die Planer können je nach den Anforderungen auf hunderte erprobte Wandaufbauten aus allen denkbaren Materialien zurückgreifen. Je nach Bedarf (Energiekennzahlen, bauphysikalische Anforderungen, Erscheinungsbild etc.) kann mit den fertig konzipierten Systemen hantiert werden. Bei der Umsetzung des Bauprojekts wird die Zahl der Einzelgewerke deutlich verringert - der Fertigbauproduzent tritt häufig als Generalunternehmer auf. Das bedeutet für den Bauherrn weniger Koordinationsaufwand und nur einen Ansprechpartner. Durch die Vorfertigung ergibt sich in der Regel auch eine deutlich bessere Kostenplanung.
Fertigbau wird häufig auf den Neubau beschränkt gesehen, doch der ist nur das Pflichtprogramm. Zusätzlich kann in Fertigbauweisen zu-, an- und aufgebaut werden - speziell hier gilt: Tempo schont die Nerven der Anrainer und der Nutzer des Gebäudes während der Erweiterungen. Die Angebotspalette ist vielfältig. Das Spektrum reicht von Dachgeschoßaufbauten über Schulzubauten bis hin zu Anbaulösungen - etwa wenn es darum geht, Baulücken zu schließen.
Vorgefertigte Elemente in Holzbauweise sind prädestiniert für den Aufbau. Ihr geringes Gewicht und die hohe Erdbebensicherheit wirken sich ebenso positiv aus wie die Tatsache, dass durch die Vorfertigung das Gebäude schneller wieder dichtgemacht werden kann und der Altbestand nicht durch Witterungseinflüsse in Mitleidenschaft gezogen wird. An- und Zubauten können binnen Wochen fertiggestellt werden. So reichen z. B. die Sommerferien aus, um eine Schule oder einen Kindergarten zu erweitern.
Interessante Perspektiven für den Fertigbau offeriert auch die Gebäudesanierung. Die vorgefertigten Wandelemente werden einfach an der bestehenden Fassade angebracht. Das Bestandsgebäude bekommt eine Art Mantel, der nicht nur für die thermische Optimierung der Gebäudehülle sorgt, sondern auch über Einbauten wie Be- und Entlüftungsleitungen, Solarthermieflächen oder integrierte Photovoltaik verfügt. Die neuen Fenster sind in den Elementen schon enthalten. Das Element wird einfach an der Fassade angebracht und im Anschluss werden die alten Fenster innenseitig entfernt.
Derzeit startet der Fertighausverband gemeinsam mit einigen Mitgliedsbetrieben laut Murhammer gerade eine Initiative, um künftig noch bessere Chancen im Wettbewerb um kommunale Aufträge und Bauträgerprojekte zu haben. „Dabei wird versucht, die Effizienz noch weiter zu steigern und damit die Kosten gleichzeitig zu minimieren." Eine ganze Reihe schon realisierter Projekte im In- und Ausland zeigt, dass so gut wie jeder Gebäudetyp von der Kirche über Wohnhausanlagen bis hin zu Bürogebäuden und kommunalen Einrichtungen als Fertighausprojekt möglich ist.
Nur vier Wochen brauchte z. B. die Firma Vario Bau, um an das ORF-Zentrum in Wien-Hietzing einen Betriebskindergarten in Holzfertigbauweise anzubauen. Etwas länger - von Februar bis August - dauerte der Bau eines multifunktionalen Gebäudes in Oberpullendorf. Im mit mineralischen Baustoffen errichteten Erdgeschoß sind Geschäftslokale untergebracht. Im ersten Obergeschoß befinden sich Arztpraxen, im zweiten Stock Büros und schließlich Wohnungen im dritten Geschoß. Alle oberen Stockwerke sind in Holzbauweise errichtet.
Als verlässlicher Partner für Großprojekte sieht sich auch Hartl Haus - sowohl für den kommunalen Objektbau, für Bauträger, Siedlungsgenossenschaften als auch in Zusammenarbeit mit Architekten. Wohnhausanlagen, Bürogebäude, Reihenhaussiedlungen sowie öffentliche Gebäude wie Clubhäuser und Kindergärten hat das Waldviertler Unternehmen bereits in Fertighausbauweise realisiert.
Liapor hat gar eine „Fertighaus-Kirche" in der Grazer Augasse errichtet. Innerhalb von nur zwei Monaten war das Gotteshaus geplant und zum Großteil realisiert. Per LKW angelieferte vorgefertigten Wandelemente wurden auf vorbereitetem Untergrund montiert. Vorbild war eine böhmische Kirche im romanisch byzantinischen Stil. Ein wichtiges Kennzeichen: der Grundriss mit vier orthogonal zueinander ausgerichteten Halbkreisen. Die eingesetzten Liapor-Fertigteile gewährleisten Wärmedämmung, geringe Rohdichte für eine niedriges Eigengewicht und die hohe Druckfestigkeit.
Ein Spezialist für den Ausbau von Dachgeschoßen und Aufstockungen ist last but not least die Firma Schachner Haus im steirischen Niederöblarn. „Natürlich ist es einfacher, ein Fertighaus auf ein Grundstück zu stellen. Wer auf einem über 100 Jahre alten Haus einen rechten Winkel sucht, wird schnell enttäuscht. Wir müssen sehr genau vermessen und dennoch können auf unsere Monteure einige Überraschungen warten. Trotzdem sehen wir das Potenzial und wollen den Grad der Vorfertigung noch weiter erhöhen", hofft Firmenchef Friedrich Schachner. Er sieht auch für die Eigentümer der Gebäude einen großen Vorteil: „Wer mit einem Dachgeschoßaufbau auch eine Sanierung des Bestandes vornimmt, erhöht den Wert seiner Immobilie und auch die Einnahmen."