Bautechnik : Wie viel Schnee halten unsere Dächer aus?

Bis zu 100 Zentimeter Neuschnee in 24 Stunden gab es anfangs dieser Woche wieder. Der viele Schnee ist derzeit ein Thema, das viele Österreicher zwangsläufig beschäftigt – ob es ist, weil Skigebiete ausnahmsweise mal wegen zu viel und nicht zu wenig Schnee gesperrt sind; weil wegen einer Lawine in der Ramsau ein Hotel evakuiert wird und in Tirol Straßensperren den Verkehr umleiten; oder auch das eigene Haus von den Massen befreit werden muss.

Manch einer fragt sich da, ob die Dächer solche Lasten eigentlich aushält – und wenn ja, wie lange. Generell lässt sich sagen, dass ein Haus, das nach österreichischen Standards gebaut wurde, auch für seine Region hohe Schneemengen immer aushalten wird. Nicht pauschal sagen lässt sich aber, welche Mengen das sind. Bei der Berechnung der nationalen Norm spielt nicht nur die Region eine Rolle, sondern auch die Seehöhe. Das Normungsinstitut Austrian Standards teilt Österreich in vier sogenannte Lastzonen ein, die auf langjährigen meteorologischen Aufzeichnungen basieren. Über 1.500 Metern Seehöhe gelten allerdings wieder besonders Bestimmungen. Will man also die Höchstlast für das eigene Haus nachfragen, wendet man sich in solchen Höhen an die ZAMG oder die lokale Baubehörde.

https://youtu.be/YflgpY8R-O8

Pulverschnee, Nassschnee oder Eis – der entscheidende Unterschied

Der Statistiker Paul Nessler arbeitet in der Marktgemeinde Reutte in Tirol – 853 Meter Seehöhe –, wo die Schneemassen derzeit besonders hoch sind. Bei etwa ein Meter Schneehöhe und pulverigem, also eher leichtem Schnee schätzt Nessler das Gewicht auf 150 Kilogramm pro Quadratmeter. Neuere Häuser müssen in dieser Gegend von Tirol Lasten von 370 Kilogramm je Quadratmeter aushalten, in der Bauzeit zwischen 1983 und 2006 lag die Vorschrift bei 280 kg/m2, zwischen 1960 und 1983 bei 260 kg/m2. Sofern ein Haus aus dieser Zeit stammt und die Vorschriften und Normen beim Bau eingehalten wurden, dürften die Schneemassen derzeit also noch kein Problem darstellen. Berwang liegt im selben Bezirk, aber bereits auf 1.336 Meter Seehöhe – dementsprechend müssen Dächer hier schon 680 Kilo je Quadratmeter tragen können.

„Der Supergau ist Neuschnee“

„Wir wissen nicht, wieviel Schnee noch kommt. Oder ob es zu regnen beginnt“, gibt Nessler aber auch zu bedenken. Und das kann einen gewaltigen Unterschied machen. Gilt als Faustregel für zehn Zentimeter Pulverschnee zehn Kilo, sind es bei zehn Zentimetern Nassschnee bereits 40 und zehn Zentimeter Eis 90 Kilo. „Der Supergau für's Dach ist Neuschnee, auf den es regnet. Dann zieht das Ganze an und friert. Und dann noch einmal Neuschnee“, sagt Anton Pech, Ziviltechniker und Vorsitzender des Komitees für Belastungsannahmen im Bauwesen bei Austrian Standards. Wer sich unsicher ist, wie viel das eigene Haus aushält, könne entweder einen Statistiker, Zimmermann oder Baumeister beauftragen, die Tragfähigkeit des Dachs zu bestimmen, oder aber das Hausdach von den Schneemassen zu befreien, rät Statistiker Nessler. Dem stimmt Pech aber gar nicht zu: „Ja nicht selber hinaufsteigen.“ Sein Tipp für alle, die schnell eine Antwort brauchen: „Schnee ausstechen, in einen Zehn-Liter-Kübel und abwiegen.“ Bei Dächern ohne Schneenasen oder Rechen, und mehr als 60 Grad Neigung gibt es aber sowieso kein Problem, hier kann der Schnee abrutschen. „Wir raten eigentlich davon ab, alleine aufs Dach zu steigen, weil man davon ausgehen kann, dass man irgendwann einmal ausrutscht und in die Tiefe stürzt“, sagt auch Franz Resperger, Sprecher der Niederösterreichischen Feuerwehr.

In Wien zeigt sich der nächste Normenunterschied. In Simmering etwa gelten gänzlich andere Niederschlagsmengen als in der Region um den Wienerwald. So verläuft mehr oder weniger entlang der Südost-Tangente eine unsichtbare Schneemassen-Grenze durch die Hauptstadt. In Simmering etwa muss ein Dach 84 KilogrammSchnee aushalten – im Vergleich zu Tirol besonders wenig.

https://youtu.be/HYQYatFxjkQ

Verschiedene Seiten im Internet bieten auch einfache Berechnungen der Traglast an, wie das ZiviltechnikerbüroKarner Consulting oder die Plattform Renewable Energy Concepts. Sollte tatsächlich Einsturzgefahr bestehen, muss das Gebäude sofort evakuiert und ein Fachmann oder die Feuerwehr zugezogen werden.

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