Stadtentwicklung : Warum Nigerias „Eko Atlantic“ unter Projekten zur Landvergrößerung einzigartig ist
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In Lagos werden derzeit große Pläne gewälzt – wirtschaftliche und in weiterer Folge bauliche. Denn die nigerianische Stadt reiht sich in die Liste derer ein, die ihre Landmasse künstlich vergrößern. „Eko Atlantic“ heißt das Projekt zur Stadterweiterung, mit dem Lagos wirtschaftliches Herz Westafrikas und finanzieller Hub des gesamten afrikanischen Kontinents werden soll.
Lagos ist an der Bevölkerung gemessen die größte Stadt in Nigeria und je nach Schätzungen auch die größte in Afrika oder nach Kairo die zweitgrößte. Die Unsicherheiten sind den unterschiedlichen Zahlenangaben geschuldet, die offiziell zu finden sind. So spricht die UNO von 14 Millionen, die Regierung des Bundesstaates Lagos hingegen von 22 Millionen Einwohnern.
So oder so ist die Metropolenregion eine der am schnellsten wachsenden der Welt. Wo 1980 noch drei Millionen Menschen lebten, waren es 2005 neun Millionen. 2050 wird Nigeria etwa 380 Millionen Menschen zählen und sich damit in nur 30 Jahren verdoppelt haben. Laut der BBC wird mehr als die Hälfte von ihnen in Städten leben. Lagos bekommt einen Großteil dieses Wachstums zu spüren – im Jahr 2100 könnte die Metropole laut Prognosen des Global Cities Institute mit über 88 Millionen Menschen die bevölkerungsreichste Stadt der Welt sein. Doch während Lagos in Bewohnern wächst, schrumpft es in seiner Landmasse – der Atlantik erodiert die Küste.
Entsteht in Lagos gerade die größte Stadt der Welt?
Paradoxerweise ist genau dieses Problem für die großen Ambitionen der nigerianischen Regierung verantwortlich – Ambitionen mit dem Namen Eko Atlantic. So wird die zehn Quadratkilometer große Landzunge genannt, die Nigeria in den Atlantik hinein baut. Die Landmasse entspricht der Umkehrung von über zehn Jahren Erosion. Denn um Lagos als ökonomisches und finanzielles Zentrum Afrikas zu pushen, braucht es Platz. Die entsprechenden Entwicklungsinvestitionen, die das Land tätigt, sind mit Grund dafür, warum Lagos Regierung die Bevölkerungszahl so viel höher ansetzt als alle anderen Beobachter – sie ist der Ansicht, dass die Landflucht hier besonders hoch ist. Alle wollen in die Stadt, die ins Meer hineinwächst.
Mit Eko Atlantic wird die Küstenlinie um zwei Kilometer verlängert. Damit aber nicht das gleiche wieder passiert, der Atlantik also das Land nach und nach wegspült, wird eine technisch hochentwickelte Mauer gebaut. Acht Kilometer lang, 18 Meter hoch und 45 Meter breit, soll sie das Land vor dem Ozean schützen und die Küste stabilisieren. Einfach nur eine Steinwand darf man sich darunter aber nicht vorstellen: Basierend auf den modernsten marinetechnischen Entwicklungen besteht die Mauer aus zwölf Schichten Gestein und Beton. Die oberste Schicht bilden dabei über 100.000 Betonblöcke, von denen jeder fünf Tonnen wiegt. Auffällig ist ihre sternartige Form, durch die die Blöcke mittels GPS-Positionierung ineinander verhakt werden. So sollen sie als eine starke Kette auch einem Jahrhundertsturm und stärkstem Wellengang standhalten. Stahlbeton sei für die Konstruktion nicht in Frage gekommen, die Abnützungsgefahr durch die Nähe zu Meer wäre zu hoch.
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Schutz vor dem Atlantik
Eine vergleichbare Konstruktion zum Schutz des Landes vor dem Ozean gibt es nicht, wenn auch Lagos mit der „Rückeroberung“ von Landmasse keine Pionierleistung begeht. Auch Dubai, Hong Kong und Monaco etwa haben sich bereits künstlich vergrößert – doch das geschah in vergleichsweise ruhigen Gewässern. Für die nigerianische Küste mussten sich die Ingenieure etwas besonders einfallen lassen.
Erst die Mauer kreierte außerdem eine Lagune, innerhalb derer mit der Aufschüttung von Sand begonnen werden konnte. 2008 gingen die ersten Arbeiten bereits los, doch erst seit 2013 ist genug Land für den Bau von Gebäuden und Infrastruktur vorhanden. 6,5 der geplanten zehn Quadratkilometer sind derzeit bereits aufgeschüttet und gut 50 Prozent des Projektes fertiggestellt. Mit diesem Status erwartet die nigerianische Regierung, die die Pläne zusammen mit einem Konsortium entwickelt und finanziert, weitere Investitionen aus dem Ausland. 2016 wurde das erste Wohngebäude fertiggestellt, der Großteil der derzeitigen Bauarbeiten umfasst Brücken, Kanäle und Straßen. Auf der Infrastruktur liegt ein besonderer Fokus – Eko Atlantic soll in Strom, Wasser und Entwässerung vollkommen unabhängig sein.
Eine dieser Straßen wird der Eko Boulevard, die zwei Kilometer lange Hauptstraße, die zentral durch die zehn neuen Stadtviertel verlaufen wird. Sie ist an die Fifth Avenue in New York und die Champs Elysses in Paris angelehnt. Neben gewerblicher Nutzung ist Wohnraum für 250.000 Menschen angedacht. Zusätzlich werden laut Angaben der Projektplaner täglich 150.000 Menschen nach Eko Atlantic für die Arbeit pendeln.
Ein unabhängiges System für die Superreichen
Es werden wohl vor allem Superreiche sein, die hier am Meer, geschützt von einer hochentwickelten Mauer leben werden. Bereits jetzt ist Baugrund an der Küste sehr viel begehrter als in anderen Teilen der Metropole und viele Ansässige sollen zugunsten großer Luxus-Wohnprojekte und teurer Strände vertrieben worden sein. Vor gut zwei Jahren etwa verloren über Nacht 30.000 Menschen ihr Zuhause an der Küste Lagos – die inoffizielle Siedlung war angezündet und schließlich abgerissen worden.
Und so gibt es auch genug Kritik am Projekt Eko Atlantic, es würde die Diskrepanz zwischen Arm und Reich in Nigeria bloß noch vergrößern. Auch wird kritisiert, die riesige Mauer schütze zwar das tiefgelegene, angrenzende Victoria Island – Wirtschaftszentrum und eines der teuersten Wohngebiete Lagos –, leite stürmische Wellengänge aber einfach nur um. Damit würden ungeschützte Regionen Lagos neben der Mauer umso schlimmer betroffen.
Die andere Seite wiederum argumentiert, durch die künstliche Lagune getriggerte Investitionen würden die Lebensbedingungen auch im Rest der Stadt verbessern, wie etwa ein sich im Bau befindliches Light rail-System. Ein weiteres Argument ist die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Riesenprojekte wie Eko Atlantic. „Es besteht die Hoffnung, dass wir in den kommenden Jahren die Kluft zwischen Arm und Reich überbrückt sehen werden, weil mehr Jobs zur Verfügung stehen“, meint etwa der ProjektentwicklerPaul Onwuanibe. Allerdings – er glaubt auch an den Trickle-down-Effekt.
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