Stadien : Warum nicht die Rams den Super Bowl verloren haben, sondern die Stadt Atlanta
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Beim Super Bowl, den in der Nacht auf heute die Los Angeles Rams gegen die New England Patriots verloren haben, geht es bekanntlich nicht nur um Football, sondern auch um hohe Geldbeträge. Die Werbeeinschaltungen sind die teuersten im ganzen Jahr, Merchandise spült Geld in die Kassen, Hotdogs und Bier werden ohne Ende konsumiert. Dennoch sollte eine Stadt nicht glauben, mit der Austragung des Spektakels auf eine Goldmine gestoßen zu sein. Der Austragungsort Atlanta hat nicht dazu gewonnen – er hat verloren. Und es liegt am Stadion.
Das Mercedes Benz Stadium in Atlanta, Georgia, ist mit einer Kapazität von 71.000 bis (bei besonderen Veranstaltungen) 75.000 Zuschauern nicht bei den größten Stadien dabei – aber mit geschätzten Baukosten von 1,6 Milliarden Dollar (etwa 1,4 Milliarden Euro) bei den teuersten. Kosten sollen hätte es ursprünglich 700 Millionen Dollar. Bislang ist es mit dieser Summe das drittteuerste Sportstadion aller Zeiten in den USA – und das bezieht alle Sportarten mit ein. Sogar das Wembley-Stadion in London war um ein paar hundert Millionen günstiger.
Mit Bildschirm-Rekord zur Budget-Sprengung
Wofür wurde das Geld ausgegeben, wenn schon nicht für die Größe? Das 2017 nach gut drei Jahren Bauzeit eröffnete Stadion gilt als das technisch am weitesten entwickelte der USA. In erster Linie liegt das am aus- und einfahrbaren Dach und dem aktuell weltgrößten Halo Board. Das Dach ist eine Glanzleistung des US-Architektenbüros Hellmuth, Obata and Kassabaum, bestehend aus acht lichtdurchlässigen Paneelen, die während des achtminütigen Öffnens wie Vogelflügel aussehen sollen – passend zum Heimteam „Falcons“. Das Halo Board ist ein 360-Grad-Bildschirm von 335 Metern Länge und insgesamt 7.617 Quadratmetern Fläche, der wie ein Ring unter dem Dach liegt und auf dem Spiel und Werbespots übertragen werden. Zum Vergleich: Ein Fußballfeld ist 7.140 Quadratmeter groß. Zusätzliche 24 Millionen Dollar kommen für eine sich derzeit in Bau befindliche Fußgängerbrücke dazu, über die Zuschauer direkt von der Zugstation ins Stadion gelangen sollen.
Komplizierte und einzigartige Designs, große Bildschirme, Weltrekorde – all das macht sich natürlich gut auf dem Papier, wenn es um die Bewerbung als Austragungsort eines Super Bowls geht und war sicher mit ausschlaggebend, als Atlanta 2016 den Zuschlag für dieses Jahr bekam. Und genau deswegen sollen sich die Kosten auch auszahlen – schließlich treibt das Football-Event rund eine Million Fans in die jeweilige Stadt, auch wenn sie nie alle ins Stadion passen. Prognosen gingen von einem Umsatz von 400 Millionen Dollar für die Wirtschaft Atlantas während des Wochenendes aus. Das sind aber keine 1,6 Milliarden.
https://youtu.be/vPJJtsItCdk
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Wer zahlt am meisten?
Die unglaublichen Summen, die in den USA vor allem in Stadien für die NFL gesteckt werden, liegt an der Besonderheit, dass Teams nicht einfach nur von Sponsoren, sondern von Städten abgeworben werden können. In der Geschichte des professionellen Footballs gab es schon mehrere große Umzüge dieser Art und erst seit kurzem hat Los Angeles plötzlich zwei statt null Teams. Angeworben wird mit Geld und großen, tollen Stadien, die – erraten – auch wieder Geld kosten. Und da sich die Stadtverwaltung Einnahmen durch den Zuzug eines großen Teams erhofft, zahlt auch die Stadt mit öffentlichen Geldern für Neubau und Erweiterung. Als die gestrigen Verlierer drohten, nach L.A. abzuwandern, bot ihre Noch-Heimatstadt prompt 400 Millionen Dollar für den Bau eines neuen 1,1 Milliarden Dollar teuren Stadions. Um die Raiders nicht an Las Vegas zu verlieren, bot Oakland 42 Hektar Land und 200 Millionen Dollar an öffentlichen Geldern für einen Neubau. Las Vegas bekam das Team trotzdem – weil sie noch höher gingen und derzeit für 1,9 Milliarden Dollar bauen. Es wird damit noch teurer als das Atlanta-Stadion – ganz abgesehen von den 899 Millionen Dollar teuren Straßenausbauten, die das Nevada Department of Transportation berechnet hat. Besonders um die Anwerbung bemüht war Steve Sisolak, damals Vorstand der Clark County Commission, der Organisation, die einen wichtigen Teil Nevadas verwaltet. Sisolak meinte, der lokalen Wirtschaft könnte nichts besseres passieren als ein neues Stadion und Footballteam – 19.000 Bauarbeiter, 6.000 langfristige Stellen, 35 Millionen Dollar jährlich durch Besucher, so die Rechnung. Als der Deal beschlossen war, wurde er Gouverneur. Seine Rechnung für ihn selbst ist aufgegangen.
1,6 Milliarden für 30 Jahre Nutzen. Weiter geht's auf Seite 2!
1,6 Milliarden für 30 Jahre Nutzen
Ob es sich für Nevada ebenfalls auszahlen wird, eines der teuerste Stadien aller Zeiten zu bauen? Laut Roger Noll, Wirtschaftsforscher an der Stanford University und spezialisiert auf Bauförderungen im Sport, niemals. Bereits vor einigen Jahren rechnete er zusammen mit dem US-Ökonom Andrew Zimbalist vom Smith College vor: Ein Stadion hat 30 nützliche Jahre, in denen es Besucher anziehen und als standardgemäß bezeichnet werden kann. Kostet das Stadion auch nur 225 Millionen Dollar, verliert es in diesen Jahren 70 Millionen an Wert, also über zwei Millionen pro Jahr. Noll und Zimbalist gehen hier von einem Zinssatz von drei Prozent aus, um ein halbes Prozent höher als der status quo in den Staaten. Für die vergangenen 50 Jahre liegt der durchschnittliche Zinssatz allerdings bei über fünf Prozent. Verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage, wird also auch der Wertverlust der teuren Stadion weitaus höher sein als in dieser Rechnung.
Laut Noll habe noch nie ein Stadion einen so positiven Einfluss auf die lokale Wirtschaft gehabt, dass der Bau sich ausgezahlt hätte. Ja, es brauche Bauarbeiter, die Zuschauer geben Geld aus und mehr Besucher kämen in die Stadt – das als Argumente für einen teuren Bau anzuführen, sei aber eine falsche Schlussfolgerung und Übertreibung. „Ein Stadion zu bauen ist nur dann gut für die Wirtschaft, wenn das Stadion der absolut produktivste Weg ist, Investitionen zu tätigen und Jobs zu kreieren.” Und das sei einfach nie der Fall.
Chris Giunchigliani war im aktuellen Fall Las Vegas der einzige in der Clark County Commission, der gegen das neue Stadion stimmte. Er forderte alle, die vom wirtschaftlichen Vorteil sprachen, heraus: „Wenn es so gut fürs Geschäft ist, können ja Unternehmen dafür zahlen.“ Sein Argument ging unter.
https://youtu.be/BbOiOP4zD5s
Atlanta hat nun einen Super Bowl hinter sich. Das Dach ist einzigartig und der Bildschirm ein neuer Rekord. Wird in ein paar Jahren noch ein Hahn danach krähen? Wenn, dann hoffentlich ein Hahn, der 1,6 Milliarden Dollar wert ist.
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