Bauschäden : Unwissenheit schützt vor Feuer nicht
Behördliche Vorschriften sind einzuhalten, ausgenommen man möchte Alternativen in teuren Versuchen nachweisen. Was tun, wenn es für Brandschutz-Details noch keine Regelung gibt? Damit zu zwei aktuellen Bauschadensfällen. Eine Wärmedämmverbundsystem-Fassade in Wien, eine in Niederösterreich. In beiden Fällen liegen Verarbeitungsfehler vor. EPS-Platten wurden auf mangelhafte Putzuntergründe geklebt, Plattenfugen und versenkte Dübelteller bis zwei Zentimeter tief mit Unterputz verfüllt. Wie beim wasserundurchlässigen Betonbauwerk sind Risse im WDVS unbedingt zu vermeiden. Meinungen zu „bauunschädlichen“ 0,2 Millimeter-Rissen muss man hinterfragen. Und Achtung bei alten, luftundichten Fenstern: Hier kann es zu Tauwasser im WDVS kommen.
Auch ein vermeintlich ungeregeltes Detail kann mangelhaft sein. Bei der nicht an der Grundgrenze anstehenden Fassade in Niederösterreich wurde das WDVS mit zehn Zentimetern ausgeführt. Demnach reicht das vom Systemhersteller „klassifizierte WDVS“ aus, auch bei der Feuermauer. Diese Erleichterung kommt aus der aus 1980 stammenden Verordnung des Magistrates der Stadt Wien über die Zulassung von WDVS: „MA35 –S1/80“. Darin ist bei Dämmdicken bis zehn Zentimeter die Anforderung „B1 schwer brennbar“ festgelegt. Im Übrigen wurde schon damals aus Brandschutzgründen die Randwulst-Punktverklebung gefordert.
Schwieriger ist der Wiener Fall, hier liegt die Gebäudeklasse 5 vor, und die Feuermauer grenzt an ein fünf Meter hohes Nachbarbetriebsgebäude mit Flachdach und Lichtkuppeln. Die Auskunft bei der Baupolizei ist vermeintlich klar: “Bei Feuermauern darf - unabhängig von der Gebäudeklasse - ein WDVS nur aus Dämmstoffen der Klasse A2 (nicht brennbar gemäß Ö-Norm B3800-1) verwendet werden.“ Wo das geschrieben steht, kann keiner beantworten. Nachdem ich kein Brandsachverständiger bin, lese ich mich in die Normen ein und komme zu einem anderen Schluss.
Kompliziertes Regelwerk
Für das Brandverhalten von Bauprodukten wurden die Euroklassen laut ÖNORM EN 13501 eingeführt. Die ÖNORM B3806 führt Anforderungen hinsichtlich des Brandverhaltens von Bauprodukten nach der neuen Klassifizierung an. Die OIB-Richtlinie 2 verweist in Punkt 2.1.2 für Gebäude ab der Gebäudeklasse 2 auf diese Norm, sodass diese verbindlich anzuwenden ist. Eine Zuordnung bisheriger Klassen (ÖNORM B3800-1) zu den europäischen ist wegen unterschiedlicher Prüfmethoden nicht zulässig. Der bei den Gebäudeklassen 4 und 5 stets zu erbringende positive Nachweis – Brandweiterleitung muss hintangehalten werden, es dürfen keine großen Teile herabfallen, Flüchtende und Rettende dürfen nicht gefährdet werden – kann nach ÖNORM 3800-5 nur entfallen, wenn entsprechende Brandschutzabschottungen (Brandriegel) oder Dämmdicken kleiner oder gleich zehn Zentimeter ausgeführt werden.
In Punkt 6.2.2 der ÖNORM B3806 wird bei Gebäuden der Gebäudeklasse 5 ein klassifiziertes System in der Klassifizierung C-d1* verlangt. Das im konkreten Fall verwendete 14 Zentimeter-WDVS passt da rein. Aber nur mit entsprechenden Brandschutzriegeln.
Auf Nachfrage versichern gleich zwei Architekten, dass bei Feuermauern strengere Bestimmungen gelten. Sie verweisen auf die Bauordnung für Wien: § 101 Abs. 1 lautet: „(1) Wird ein Gebäude an Nachbargrenzen angebaut, muss es an diesen in allen Geschoßen feuerbeständige Feuermauern, die in allen für die Tragfähigkeit und den Brandschutz wesentlichen Bestandteilen aus nicht brennbaren Baustoffen sind, ohne Öffnungen erhalten. Im Übrigen müssen Feuermauern den Anforderungen für Außenwände entsprechen.“
Anders gesehen
Ich interpretiere diese Bestimmung anders als die beiden Planer: „(...) in allen für die Tragfähigkeit und den Brandschutz wesentlichen Bestandteilen“ zielt auf das Tragwerk, also die Ziegelmauer, und den Zimmerbrand ab. Siehe hierzu auch § 99 Abs.2 Z 3: “In Gebäuden mit mehr als zwei Hauptgeschossen müssen Außenwände (...) an der Außenseite zumindest schwer brennbar sein.“ EPS schafft das alleine. Noch klarer formuliert es die OIB-RL 2: „Sofern (...) Anforderungen an den Feuerwiderstand (...) verknüpft werden, beziehen sich diese Anforderungen an das Brandverhalten nur auf jenen Teil der Konstruktion, der zur Erreichung der Feuerwiderstandsklasse erforderlich ist. Für allenfalls zusätzlich angebrachte Bekleidungen (...) und dergleichen gelten hinsichtlich des Brandverhaltens von Baustoffen die Anforderungen der ÖNORM B3806.“
Demnach wird man im vorliegenden Fall in Wien die Fassadenfirma - entgegen der Meinung anderer Experten - nicht für das EPS-WDVS zur Verantwortung bringen können. Es bleibt der Mangel der fehlenden Brandriegel. Hier wurden bei den anschließenden Flächen horizontale Abschottungen angebracht. Ohne stehende Brandriegel im Eckbereich kann es zu einem Weiterbrand auf die Feuermauer kommen. Und die ersten fünf Meter vom nachbarlichen Flachdach nach oben hätten „nicht brennbar“ ausgeführt werden sollen. Es wurde ein Architekt mit der Planung, Ausschreibung und ÖBA beauftragt. Dieser sollte die Hauptverantwortung für die fehlenden Brandriegel übernehmen, da deren Lage vom Planer vorzugeben ist.
Im Gespräch mit der Leiterin der MA 37 - Gruppe B, Irmgard Eder, bestätigt sich das Dilemma. Eine verbindliche schriftliche Aussage, dass an Feuermauern (Wände an der Grundstücks- beziehungsweise Bauplatzgrenze) nur WDVS mit Dämmstoffen der Klassifizierung A2 zulässig sind, wurde im ON-K 006 (Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen) erst in der letzten Sitzung vom Juni dieses Jahres getätigt.
Im Wesentlichen resultiert die noch nicht ausformulierte Vorgabe zu „nicht brennbarem“ WDVS an Feuermauern aus der begründeten Angst vor unkontrollierbarem Fugenbrand. Schließlich entsteht bei Anbau an die Feuermauer eine Gebäudetrennfuge.
Ausgehend von entsprechenden Anfragen und Diskussionen im österreichischen Normungsinstitut wird Eder nun ein Merkblatt für mehr Klarheit ausarbeiten. Sie bestätigt, dass gerade fehlende Vorschriften oder Regelungen kein Freibrief sind. Im Gegenteil: „Genau dann ist verschärfter Sachverstand zur Beachtung aller Gefahrenpotenziale gefragt.“