Selten wird so heiß gegessen wie gekocht. Aber manchmal ist es knapp daran, wie ein SOLID zugespielter verhältnismäßig kleiner, aber bezeichnender Umweltskandal zeigt.
Das Bauunternehmen Hochtief erhielt 2013 den Zuschlag für den Ausbau der Ostautobahn zwischen dem Flughafen Wien und Fischamend. Hochtief ist ein internationaler Konzern mit weltweit rund 68.426 Mitarbeitern und einem Bauvolumen von rund 24 Milliarden Euro mit Sitz in Deutschland. Die Österreich-Niederlassung spielt mit 25 Millionen Umsatz da nur eine eher kleine Rolle.
Für den Ausbau der Flughafenautobahn war klar, dass es erhebliche Mengen von Baurestmassen geben wird, die zwischengelagert und verarbeitet werden müssen. Jede Zwischenlagerung benötigt eine abfallrechtliche Genehmigung. Hochtief hat anfangs mit den vor Ort befindlichen Deponien diesbezüglich Gespräche geführt, es ging um Aushubmaterial und Baurestmassen, die auf einem rund 15.000 Quadratmeter großen Lagerplatz in Fischamend zwischengelagert werden sollten und mittels mobiler Recyclinganlagen so aufbereitet werden sollten, dass eine weitest gehende Verwertung möglich ist. Das war auch so vereinbart. Doch bereits im Juni 2014 wurden illegale mineralische Baurestmassen zwischen der B9 und dem Flughafen entdeckt - und auch, dass eine mobile Aufbereitung (ohne Genehmigung) erfolgt ist. „Von Gesetzes wegen wären dafür zumindest eine dichte Fläche samt Sickerwassererfassung sowie eine entsprechende behördliche Bewilligung notwendig gewesen, was allesamt Zeit und Geld gekostet hätte. Durch das rechtswidrige Handeln war Hochtief daher in der Lage billiger anzubieten als die Mitbewerber“, ist Roman Rusy von der Gesellschaft für Ökologie und Abfallwirtschaft/Schutzverband gegen Umweltkriminalität überzeugt.
Dem kontert ein Sprecher von Hochtief Solutions: „Es handelt sich um Recycling-Material, welches wieder eingebaut wird, nicht um Abfall. Zwischen der Höhe des Angebots und der Behandlung von Recyclingmaterial besteht kein Zusammenhang" Hochtief: "Verspätete Beantragung"
Einer Aufforderung, dieses "sittenwidrige Handeln" einzustellen, sprich: ein Zwischenlager einzurichten und genehmigen zu lassen, ist Hochtief nicht nachgekommen. Vielmehr wurde laufend weiter Material zugeführt. Die Gesellschaft für Ökologie und Abfallwirtschaft reichte im Jänner 2015 beim Handelsgericht Wien eine Klage nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ein.
„Das Verfahren war auch insofern von besonderem Interesse, da es immer wieder vorkommt, dass Firmen im Zuge von Bauarbeiten gesetzliche Vorschriften zur Lagerung oder Behandlung von Abfall missachten. Vor allem bei Baustellen der öffentlichen Hand herrscht oft der Irrglaube vor, dass eine Baugenehmigung auch eventuell notwendige abfallrechtliche Genehmigungen ersetzt“, erläutert Martin Unger, der mit der Klage beauftragte Rechtsanwalt.
Warum wurde aber bei der Flughafenautobahn/Fischamend keine abfallrechtliche Genehmigung eingeholt, wo doch Informationen dazu gesammelt und Gespräche geführt wurden? Der Hochtief-Sprecher dazu: „Durch ein internes Kommunikationsproblem kam es zu einer verspäteten Beantragung der Genehmigung. Das gewählte Verfahren, abgetragenes Baumaterial vor Ort zu recyceln und wieder einzubauen, ist nicht nur branchenüblich, sondern auch ökologisch sinnvoll. Inzwischen ist die Genehmigung erteilt und wir erzielen weiterhin gute Baufortschritte im Sinne aller Beteiligten.“Vor dem Handelsgericht argumentierte man, Überprüfungen der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung hätten keine Beanstandungen ergeben. Rusy wundert sich: „Dem Akt der NÖ Landesregierung war dann aber genau das Gegenteil zu entnehmen. Vielmehr wurde die beklagte Partei, beziehungsweise die von ihr beauftragten Personen, von der Behörde immer wieder auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Bewilligung hingewiesen. Dadurch wurde schließlich auch die wissentliche Gesetzesverletzung zur Erlangung eines höheren Profits evident".Ende Juni kam es in der Verhandlung zu einem Unterlassungsvergleich.
Erstmals erschienen in SOLID 7+8/2015, Autor: Gisela Gary