SOLID 03/2019 : UBM-Chef: „Goldgräberstimmung ist geblieben“
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SOLID: Wie hat sich die UBM seit der kompletten Trennung von der Porr entwickelt? Örtlich sind Sie ja quasi als Gegenbewegung dazu ganz nahe an sie heran gerückt (ins angrenzende Haus, Anm.). Sie sprachen in unserem damaligen Gespräch kurz nach Ihrem Amtsantritt ja von einer Goldgräberstimmung am Immobilienmarkt – hat sich die irgendwie verändert und wie hat sich das niedergeschlagen?
Thomas G. Winkler: Die Goldgräberstimmung ist geblieben bzw. ganz im Gegenteil: man war damals 2016 der Ansicht, dass es relativ zeitnahe ein Ende dieser Goldgräberstimmung geben könnte. Ich muss sagen, dass ich damals auch in diese Falle getappt bin. Wir haben die UBM damals so aufgesetzt, dass wir in der zweiten Jahreshälfte 2018 für einen einsetzenden Abschwung ab 2019 vorbereitet gewesen wären. Die Realität Mitte 2018 hat gezeigt, dass zu diesem Zeitpunkt niemand mehr bis Ende 2019 auf einen Abschwung gewettet hätte – und wir auch nicht.
Was ist die Konsequenz daraus?
Winkler: Wir sind Mitte 2018 zur Überzeugung gekommen, dass im realistisch einer Vorausschau zugänglichen Zeitraum von 2 ½ Jahren und mit der Einschränkung, dass es kein weltpolitisch disruptives Ereignis wie 9/11 gibt, ein Zinserhöhungsspielraum in Europa ausgesprochen eingeschränkt aussieht.
Was haben Sie seit 2016 genau gemacht und wie hat die Konjunktur geholfen?
Winkler: Die zwei Themen waren Entschuldung und Eigenkapital. Wir haben die Schulden von 750 in der Spitze auf 330 Millionen mehr als halbiert und die Eigenkapitalquote von 28 Prozent auf 37 Prozent erhöht, um uns auch für einen möglichen Abschwung fit zu machen, denn mit Rückenwind schnell Radfahren kann jeder. Wir haben uns, um in einem von mir damals gebrauchten Bild zu bleiben, bei Sonnenschein billig Regenschirme gekauft. Wir zahlen für die letzte Anleihe, die wir begeben haben, 3 1/8 Prozent. Darin spiegelt sich auch der Risikoaufschlag. Dieser hat sich für die UBM um einen ganzen Prozentpunkt verringert, weil unsere konservativere Bilanz die Anleger ermutigt hat, für ein als relativ risikobehaftet geltendes Geschäft wie Immobilienentwicklung Geld zur Verfügung zu stellen mit der Gewissheit, dass sie es nach fünf Jahren auch wieder zurück bekommen.
Wie wird es denn Ihrer Meinung nach weiter gehen im Immobilienentwicklergeschäft?
Winkler: Es wird unserer Ansicht nach für die vorausschaubare Zukunft – also derzeit so bis Ende 2020 – so weiter gehen, weil wir ein zinssensitives Geschäft sind und in Europa keinen Zinserhöhungsspielraum sehen, der für unser Geschäft relevant ist. Wir haben da zum Beispiel einen No-Deal-Brexit in diese Überlegungen eingespeist oder auch, dass es aufgrund der immens hohen Erwartungshaltung für den französischen Präsidenten sehr wahrscheinlich war, dass er sich mit substanziellen Veränderungen in der Realität schwer tun würde.
Dazu sind die südlichen Länder noch nicht wirklich aus der Krise heraus – wobei Portugal im Moment „the destination-to-go“ für Immobilienentwickler ist.
Dort gehen Sie auch hin?
Winkler: Wir sind in unseren angestammten Ländern gut beschäftigt und diese Märkte erscheinen uns sehr fragil.
Was bedeutet das dann für Ihr Geschäft und für unser Geschäft, fürs Bauen also?
Winkler: Die Nachfrage wird auf keinen Fall weniger, wir sehen sie sogar noch ein bisschen steigen. Investoren aus Übersee, die traditionell in Großbritannien investiert sind, entdecken jetzt gerade Kontinentaleuropa als Alternative. Wir sehen also noch genügend Raum.
Provokante Frage: wird die Zinswende überhaupt einmal stattfinden?
Winkler: Natürlich findet sie statt, denn wenn die Zinsen auf null sind wie jetzt, kann es nur nach oben gehen. Die Gefahr ist: wir haben jetzt eine ganze Managergeneration, die nur fallende Zinsen erlebt hat. Seit über 30 Jahren fallen die Zinsen kontinuierlich von zwölf im Peak auf null. Aber wir sind überzeugt, dass die Zinsanstiege in Europa nicht so schnell und so stark sein werden, dass sie unser Geschäft nachhaltig beeinflussen. Daher sind wir jetzt im vierten Quartal noch einmal mit 150 bis 200 Millionen ins Investieren gegangen.
Unser Mantra ist: one Goal – die Steigerung des Unternehmenswerts gemessen am Aktienkurs -, one Team – da haben wir sehr große Fortschritte gemacht -, one Company – das haben wir mit UBM in allen Ländern umgesetzt und nicht nur als Gimmick.
Sie haben die Investitionen in Kontinentaleuropa angesprochen. Wenn wir auch kein Ende dieser Niedrigzinsphase sehen – gibt es ein Ende für das, was überhaupt gebaut werden kann? Und wenn ja, wo?
Winkler: Das gibt es hundertprozentig. Wenn Sie sich unsere Pipeline ansehen, haben wir im Drittelmix Wohnen-Büro-Hotel eine Assetklasse, die unterrepräsentiert ist, und das ist Büro. Weil da schon sehr viel auf dem Markt ist. Ein zweiter Punkt ist, dass wir in Polen ausgesprochen konservativ, fast sogar defensiv aufgestellt sind. Wir machen dort seit 2 ½ Jahren praktisch nur mehr Hotel. Polen ist für viele internationale Investoren Warschau. Und in Warschau gibt es in Mokotow ein derartiges Überangebot an billigem Büroraum, dass wir unser Engagement sehr zurück gefahren haben.
Wenn Sie Büro zurückfahren – wo fahren Sie dann hinauf?
Winkler: Wir haben sicher bei Hotels eine Sonderstellung. Wir sind Europas Hotelentwickler Nummer Eins und bauen diese Position eher aus. Wir haben etwa nie zuvor zwölf Hotels und 3200 Zimmer in Development gehabt.
Das führt dann auch dazu, dass wir uns getraut haben, in Wien an der Oberen Donaustraße ein Hotelprojekt auf 2,3 ha zu erwerben, das wir jetzt gerade neu aufsetzen und über das sich viele andere Developer nicht drüber getraut haben. Das ist unser Nachfolgeprojekt zum Quartier Belvedere Central, auch vom Verkaufswert her.
Der beim QBC am Ende des Tages wo liegen wird?
Winkler: Bei 400-450 Millionen.
Wie hoch setzen Sie Ihre Profitabilitätsziele an?
Winkler: Wir haben im Wohnbau ein Ziel von mindestens zehn Prozent Developermarge, im Büro mindestens 15 Prozent und bei Hotel 20 Prozent – und das schaffen wir im Moment auch.
Und im Hotelbereich ist kein Ende des Errichtungsbooms abzusehen?
Winkler: Wir haben einen Megatrend, von dem wir profitieren: die privaten Hoteleigentümer werden in Europa insgesamt aus dem Markt gedrängt - von unten durch AirBnB und von oben durch die Reservierungssysteme der großen Hotelketten. Dieser Trend ist irreversibel, egal ob man das gut oder schlecht findet, und er betrifft viele Hotels, für die wir quasi Ersatz schaffen. Dazu kommt ein weiterer Megatrend mit asiatischen, insbesondere chinesischen Touristen, für die ein Europaaufenthalt ein Zeichen für sozialen Aufstieg ist und die Hotels einer gewissen Größe und Berechenbarkeit wollen. Und der dritte Trend ist Städtetourismus – auf den setzen wir ebenfalls und der ist nicht so konjunkturabhängig.
Was braucht denn ein Hotel heute?
Winkler: Es braucht zum einen eine Story oder ein Thema und es braucht Nachhaltigkeit. Sie werden keine große Hotelkette finden, die sie nicht in Richtung Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Digitalisierung entwickelt.
Ein in der Bauwirtschaft gerade sehr aktuelles Thema ist Early Contractor Involvement. Ab welchem Zeitpunkt eines Projektes gehen Sie mit Baufirmen oder Zulieferern in engen Kontakt?
Winkler: Das ist sicher etwas marktspezifisch, aber es gilt: je größer das Projekt, desto früher. Dieses Early Contractor Involvement ist nur in den Zeiten, in denen die Kapazitäten der Baufirmen noch größer waren, etwas in Vergessenheit geraten. Jetzt besinnt man sich auf diese gute alte Tugend zurück, dass man nichts plant, was am Ende nichts bringt, sondern nur kostet. Jetzt haben wir erstmals, seit ich mich zurück erinnere, in den Ländern, in denen wir tätig sind, echte Kapazitätsprobleme in der Bauwirtschaft.
Aber wir tun uns da natürlich insgesamt leichter, weil wir eine natürlich Affinität zur Bauwirtschaft haben. Es hilft schon sehr, dass wir aus einer Baufirma hervor gegangen sind. Ein hoher Anteil unserer Workforce hat bautechnischen Hintergrund – und normalerweise ist das größte Bedenken eines Developers, dass er von der Baufirma über den Tisch gezogen wird.
Bauen Sie auch mit anderen Partnern als der Porr?
Winkler: Natürlich – das ist ganz wichtig und unumgänglich. Wir denken zwar vor allem bei Großprojekten, bei denen es auf die Bonität ankommt, in erster Linie an die Porr – aber sie wird es dann nicht zwingend. Das Zalando-Hauptquartier mit 100 Millionen Bauauftrag bei Verkaufswert von 196 Millionen hat die Porr gebaut – der Leuchtenbergring in München mit 190 Millionen Verkaufswert ist nicht an die Porr gegangen. Da gab es eine Baufirma in Bayern, die wesentlich mehr Tiefbaukapazität zu dem Zeitpunkt gehabt hat und die haben wir natürlich genommen.
Spüren Sie das Kapazitätsproblem in der Bauwirtschaft am eigenen Leib? Verzögern sich Projekte?
Winkler: Verzögern tun sie sich bislang nicht – bei uns läuft ja der Taxameter ab dem Moment, ab dem wir ein Projekt akquirieren. Die Zeit spielt eine große Rolle.. Wir müssen einfach relativ hohes Selbstvertrauen haben, die Kapazität in der einen oder anderen Form auch zu bekommen. Wir haben durch die Expertise im Haus die Möglichkeit, auch Paketvergaben bis hin zu Einzelvergaben machen zu können. Das hilft uns da sehr. Bei der UBM ist die Bauexpertise in der DNA.