Erneuerbare Energie : Tunesien baut Solarenergie aus

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In Tunesien ist der Anteil der Solarenergie an der Energieproduktion mit gegenwärtig rund 2 % sehr gering. Der Ausbau von erneuerbaren Energien konzentrierte sich in den vergangenen Jahren insbesondere auf die Windenergie. Im Bereich der Solarenergie überwiegt der Einsatz von thermischen Solaranlagen zur Warmwasserbereitstellung, geringere Anteile hat derzeit Photovoltaik. Im Rahmen des Wüstenstromprojektes Desertec wurde im Januar 2012 der Bau eines Photovoltaikkraftwerks angekündigt und erste Großbetriebe planen für ihre Energieversorgung Photovoltaik-Anlagen und Windkraftwerke.

Als wichtigstes Element zur Förderung der erneuerbaren Energien galt bislang der sogenannte Plan Solaire Tunisien (PST), der nicht nur Solarenergie umfasst, sondern auch Energieeffizienz und Windenergie. Um neue Impulse zu generieren, gibt es seit März 2012 eine internationale Ausschreibung der Agence Nationale pour la Maitrise de l'Energie (ANME) zur Novellierung des Plans. Insgesamt lag die Produktionskapazität erneuerbarer Energien 2012 bei 244 MW. Zielvorgaben des PST besagen, dass bis 2014 1.000 MW erreicht werden sollen. Dies würde 16 % der gesamten Stromproduktion entsprechen. Ob dieses Ziel schon 2014 erreicht werden kann, ist angesichts der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche nicht sicher.

Das Förderprogramm formuliert keine bindenden Zielvorgaben, sondern ist eher als Absichtserklärung der Regierung zu verstehen, die Teilfinanzierung der verschiedenen Projekte zu übernehmen. Welches der Projekte dann tatsächlich realisiert wird, hängt von der Investitionsbereitschaft von Privatunternehmen ab. Von tunesischer Seite bildet der Nationale Energiefonds (FNME) das finanzielle Grundgerüst und stellt Mittel zur Verfügung. Es bleibt abzuwarten, ob die Erneuerung des tunesischen Solarplans umfangreichere Rahmenbedingungen für den tunesischen Solarenergiemarkt beinhaltet.

Zur Förderung von Photovoltaik gibt es seit Jänner 2010 das Programm Prosol Electrique. Federführend sind bei dem Projekt die bereits erwähnte Behörde ANME und die STEG. Bisher wurden Anlagen bis 5 kW mit bis zu 30 % der Investitionskosten aus Finanzmitteln der FNME gefördert. Aufgrund gesunkener Weltmarktpreise für PV-Module in den letzten Jahren erfolgte eine vorsichtige Anpassung der subventionierten Anlagen von 3.000 tD pro PV-Anlage mit einer Nennleistung von einem kW (abgegebene elektrische Leistung unter standardisierten Bedingungen= kWp) auf 2.300 tD pro kWp (ohne Wechselrichter).

Nicht Bestandteil des Förderprogramms Prosol electrique, aber wichtiger Bestandteil des cadre reglementaire (gesetzliche Rahmenbedingungen), ist die durch den Gesetzgeber ermöglichte vollständige Eigenversorgung, unabhängig der Technologie (Wind, PV, CSP). Dabei ist eine "Überproduktion" von 30 % möglich und kann zu einem Tarif von 0,113 tD/kWh in das Stromnetz verkauft werden. Diese Einspeisevergütung ist finanziell uninteressant, da sie über den Gestehungskosten liegt. Dafür kann dieses Gesetz gerade für größere Unternehmen mit Produktionen in Tunesien zu Spitzenzeiten (Strompreise im Spitzenlastbereich von bis zu 0,168 tD/kWh, das sind acht Euro cent/kWh + 18% Mwst. für Industriekunden) interessant sein, da auch bei einem Nichtvorhandensein einer Einspeisevergütung die Stromproduktion durch erneuerbare Energien finanziell attraktiv wird.

Großbetriebe planen bereits kleine Anlagen: Die Firma Aerolia- Zulieferer von Airbus- plant eine eigene PV-Anlage mit 530 kW. Das Telekommunikationsunternehmen Tunisiana verkündete den Bau einer Windkraftanlage zur eigenen Energieversorgung. Auch bei der solarthermischen Wassererwärmung (Prosol genannt), vor allem von Hotelanlagen und in der Landwirtschaft, wurden schon seit 2005 Programme für die Stärkung der erneuerbaren Energien aufgelegt. Für landwirtschaftliche Betriebe - etwa bei Pumpanlagen für die Bewässerung - unterstützt die tunesische Regierung den Einsatz von Photovoltaik und Windkraft. So finanziert der Staat Erstinvestitionen bis zu 40 % mit einer Obergrenze von 20.000 tD.

Laut einer Studie von Ernst and Young zum Potenzial der tunesischen Industrie zur lokalen Produktion im Bereich Solarenergie, könnte bis 2030 eine Summe von über 8 Mrd. tD in erneuerbare Energien investiert werden. Die Studie geht davon aus, dass neben CSP ein weiterer Schwerpunkt auf dem Photovoltaikbereich liegt. Zwei weitere Machbarkeitsstudien zu Solarenergietechnologien sind durch die ANME in Auftrag gegeben worden. Als gute Produktionsbedingungen für PV-Module gilt die günstige geographische Lage in Nordafrika als Ausgangspunkt zur Erschließung des afrikanischen Markts. Eine weitere Stärke ist die sehr gute Lohnkostenstruktur in Tunesien.

Im Photovoltaikbereich kann in ein bis zwei Jahren in Tunesien, neben einzelnen Großprojekten, ein relevanter Markt für Projekte mit Anlagengrößen von 100 bis 200 kW entstehen. Diese Perspektive ist auch für ausländische Unternehmen zunehmend interessant und eine Veränderung derzeitiger Installationspreise zu tatsächlichen Weltmarktpreisen wäre möglich.

Am 15. 12. 20111 eröffnete der erste tunesische Photovoltaik Modulhersteller NR-Sol seine Produktion circa 50 km südlich von Tunis. Laut dem Generaldirektor von NR-Sol soll die anfängliche Produktionskapazität von monokrystallienen sowie polykristallienen PV-Modulen 25 MW umfassen. Das Hauptabsatzgebiet ist Tunesien sowie die Länder Nordafrikas. Nach eigener Aussage kann NR-Sol bei Auslastung der Produktionskapazitäten zu Weltmarktpreisen produzieren. Trotz des geringen Marktvolumens in Tunesien und des hart umkämpftem Weltmarkts für Solaranlagen hat bereits ein zweiter Hersteller, Aurasol, die Eröffnung eines Werks angekündigt und andere Investoren zeigen ebenfalls Interesse. In Tunesien werden Neuinvestitionen für Produktionsanlagen im Bereich regenerative Energien zu 40% von der tunesischen Regierung subventioniert.

Im Rahmen des Desertec-Projektes vermeldete TUNUR im Jänner den Bau eines solarthermischen 2.000 MW CSP Kraftwerks in Tunesien. Der Bau des Solarkraftwerks soll 2014 beginnen und ist ein Projekt der Desertec Foundation. TUNUR findet ohne die Beteiligung der bisher mit der Desertec Foundation stets gemeinsam aufgetretenen Desertec Industrial Initiative statt, also auch ohne deutsche Beteiligung. Nach gerade einmal zwei Jahren soll bereits der erste Strom über eine seit Jänner projektierte HGÜ-Leitung (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung) mit einer Kapazität von 2.000 MW nach Italien fließen.

Das Projekt TUNUR ist ein Joint-Venture für das sich ein britisch-tunesisches Konsortium verantwortlich zeichnet. Beteiligte Partner sind die Projektentwickler von Nur Energie Ltd. aus London sowie eine Gruppe tunesischer Investoren (zusammengeschlossen in der Top Oilfield Services Gruppe). Wie auch bei anderen geplanten Desertec Kraftwerken ist die Exportkomponente des produzierten Stroms entscheidend. Gründe dafür sind die Projektfinanzierung und die fehlende Einspeisevergütung in den Ländern Nordafrikas. Die Investitionshöhe liegt bei bis zu 11,5 Mrd. Euro, wovon 1,5 bis 2,5 Mrd. auf das Unterseekabel zwischen Tunesien und Italien entfallen. Es bleibt abzuwarten, ob das Projekt (planmäßig) realisiert wird.

Die Desertec Industriel Initiative kündigte ebenfalls ein Pilotprojekt zum Bau einer 2 MW Testanlage zu Solartechnologien in Tunesien an. Darüber hinaus bleibt das Interesse von großen europäischen Investoren am Solarmarkt Tunesiens bestehen. Die Erwartungen sind gerade jetzt sehr groß, dass es zu einer weiteren Öffnung/Liberalisierung des Markt kommen kann. Auch nach durchgeführten Studien zu Meerwasserentsalzungsanlagen auf der Basis regenerativer Energien, sind nun kleinere Pilotprojekte angelaufen. Bei einem, im regionalen Vergleich, hohen Wasserverbrauch, sowie steigenden Energiekosten kann auch hier der Solarenergie eine wichtige Rolle zufallen.