Österreich : Strauss: "2015/16 kommt sicher wieder eine Bereinigung"
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SOLID: Was beschäftigt Karl-Heinz Strauss gerade am meisten?Karl-Heinz Strauss: Was natürlich am präsentesten ist, ist die Entwicklung mit dem Immobilienbereich, an deren Ende ein reiner Baukonzern und ein reiner Development-Konzern stehen. Wir haben jetzt alle Besprechungen abgeschlossen und es sollte Mitte Februar so weit sein, dass es aus Strauss & Partner und den nichtbetriebsnotwendigen Immobilien der Porr in der Fusion mit der UBM zur neuen UBM Development AG kommt. Jetzt arbeiten die Beteiligten daran, "UBM neu"mit allen Organigrammen, Logos etc. auf die Beine zu stellen.Eines der großen Ziele ist ja die Strategie der zwei getrennten reinen Marken.Genau - die Porr als reiner Baukonzern, in der auch alle Immobilien sind, die für den Bau notwendig sind, dazu die ganzen Grundstücksreserven, Rohstoffe, Lagerplätze und und und, und auf der anderen Seite ein konzentrierter Development-Konzern; das war ja früher die Beteiligung an der UBM und Strauss & Partner. Durch die Zusammenlegung dieser Einheiten entsteht jetzt ein Development-Konzern europäischen Formates. Was versprechen Sie sich davon?Man hat ja der Porr einerseits immer nachgesagt, dass es nicht so leicht zu entscheiden ist, ob sie ein Baukonzern oder ein Development-Konzern ist. Es hat dadurch etwa bei den Bewertungen Abschläge gegeben. Das gibt es dann nicht mehr. Und auf der anderen Seite ist es meiner Meinung nach sinnvoll, dass wir uns auf unser Baugeschäft konzentrieren. Da sind wir viel schlanker und leichter geworden, weil ja zB auch alle mit den Immobilien zusammen hängenden Finanzierungen weg sind. Das heißt, die Porr ist aller Voraussicht nach (die Zahlen werden am 23.4. veröffentlicht, Anm.) netto schuldenfrei. Und es gibt eben klare Strukturen, die nur mehr über die Eigentümer eine Klammer haben. Was wird sich im Bezug auf das Ranking der Porr als Baufirma ändern?
Gar nichts. Wir werden nach wie vor in Österreich die größte Baufirma sein - also die mit dem größten Österreich-Geschäft.Wie erklären Sie sich denn die doch sehr unterschiedlichen Strategien der Firmen mit den großen Namen? Bei der Porr eben die enge Immobilien-Verbindung, bei der Strabag die Aufteilung von Risiko bei gleichzeitig schwierigerem Wachstum, bei Hochtief die reine Konzentration auf das Baugeschäft, bei Bilfinger der Rückzug aus dem reinen Baugeschäft?Wo die anderen hingehen, das müssen sie selber entscheiden. Wir gehen unseren Weg, den wir in den letzten drei Jahren meiner Einschätzung nach ziemlich beeindruckend gegangen sind. Unser Konzept heißt "Intelligent wachsen" und hat einen klaren Fokus auf die Heimmärkte Österreich, Deutschland, Schweiz, Polen und Tschechien. Das sind alles wachsende Märkte. Wir haben in manchen osteuropäischen Märkten, aber auch in Nordeuropa Infrastrukturmärkte, wo wir gerade das Umfeld anschauen und entsprechend tätig sind, wie Slowakei oder auch Serbien. Und dann kommt das erweiterte internationale Geschäft dazu, wodurch wir auch auf mehreren Beinen stehen - das ist dann Qatar und jetzt eben der Markteintritt in Saudi-Arabien.Wie geht es Ihnen in Zeiten wie diesen mit Saudi-Arabien und Qatar?Sehr gut. Wir sind in Qatar weit über Plan mit der U-Bahn-Linie "Green Line". Und in Saudi-Arabien sind wir präqualifiziert für die Metro in Mekka mit einem lokalen Partner, der Saudi Bin Laden-Gruppe. Man muss ja bei allen Diskussionen, die hier teils auch sehr unqualifiziert geführt werden, sagen, dass Saudi-Arabien in den nächsten Jahren das Land mit den weltweit höchsten Pro-Kopf-Bau-Ausgaben sein wird. Hier werden Partner gesucht und es wird auf hohes Knowhow und Kompetenz Wert gelegt.Wie funktioniert der Geschäftseintritt in Saudi-Arabien und Qatar? In Dubai etwa braucht man einen ansäßigen Partner, der ziemlich viel Einfluss hat und blockieren kann.Das ist in jedem Land unterschiedlich. In Qatar haben wir eine eigene Niederlassung gegründet, die uns zur Gänze gehört und in der wir nur einen lokalen Sponsor haben. De braucht man zwar, aber er hat keine Geschäftsanteile. In Saudi-Arabien haben wir ein eine eigene Gesellschaft als Porr und diese hat ein Joint Venture mit der größten Baufirma im Nahen Osten überhaupt, eben mit der Bin-Laden-Gruppe.
Wie sind Sie dort hinein gekommen? Wir haben 2010 die Entscheidung getroffen, nach Qatar zu gehen - eben weil wir das Potenzial und die Tätigkeit dort gesehen haben. Qatar braucht nicht nur die Infratsruktur, es baut sie auch. Und der angenehme Nebeneffekt dort ist, dass das Geld am Konto ist und wir auch pünktlichst bezahlt werden. Bei Saudi-Arabien hat sich das aus der gemeinsamen Arbeit mit der Bin Laden-Gruppe am Green-Line-Joint Venture in Qatar ergeben. Wir sind also nach Saudi-Arabien eingeladen worden. Ich unterstelle, dass sich das andere Firmen aus größeren Ländern auch gewünscht haben. Warum sind es die nicht geworden und die Porr schon? Das müssten Sie die anderen fragen. Aber die Porr hat sicher den Vorteil, dass sie ebenso eigentümer- und unternehmergeführt ist wie die Bin Laden-Gruppe. Das bedeutet kurze Wege, schnelle Entscheidungen und Handschlagqualität. Gibt es in Arabien noch Rest aus der Kreisky-Ära, die österreichischen Firmen dort helfen oder ist die Zeit zu weit weg? Von der Kreisky-Ära sind wir leider, leider schon lange weg, was diese Länder betrifft. Ein anderes großes Thema der Zeit ist die Digitale Baustelle, alles was mit BIM etc. zu tun hat. Sie haben das ausdrücklich und persönlich betont, auch als sie die UBM-Strategie erläutert haben. Wird BIM tatsächlich die Bauwirtschaft revolutionieren? Ich glaube nicht, dass das die Bauwirtschaft umwälzen wird. Aber es wird sich die Art und Weise ändern, wie gebaut wird - das dafür allerdings dramatisch! Wir sind zweifellos auf dem Weg zur papierlosen Baustelle - und zwar von der Planung weg. Damit wird man viel schneller und transparenter und kann unglaublich genau kalkulieren. Und das ist, glaube ich, die Zukunft. Werden dadurch die Großen noch größer und die Kleinen kommen unter die Räder? Ich glaube, dass in der Zukunft eine gewisse Größe entscheidend sein wird. Die hat die Porr Gott sei Dank längst erreicht. Wo liegt diese Grenze? Ab zwei Milliarden Bauleistung meiner Einschätzung nach. Größe wird insofern bedeutend sein, als immer mehr Generalunternehmer und Totalunternehmerleistungen abgefordert werden. Die kann man nur liefern, wenn man in allen Bereichen und für alle Projektgrößen gut aufgestellt ist. Die öffentliche Hand wird nach meiner Einschätzung immer mehr outsourcen, was das Bauen betrifft. Sie hat einfach die finanziellen Mittel für eigene Projekte nicht mehr. Man wird zB ein Krankenhaus oder eine Schule errichten lassen und dafür dann eine Konzession zahlen - alles, das nicht unbedingt von der öffentlichen Hand alleine gemacht werden muss. Da ist Größe natürlich auch ein Thema, was Finanzierung betrifft.Und für manche Märkte muss man im ersten Drittel der Top-Firmen mitspielen, so wie wir das sehen. Dann kann man dort auch in Zeiten etwas verdienen, in denen es nicht so gut geht. Was können die Kleinen machen, um zu überleben? Die digitale Welt bringt meiner Meinung nach allen Vorteile. Ich vertrete die Ansicht, dass nicht die Großen die Kleinen fressen, sondern die Schnellen die Langsamen. Die Firmen, die unabhängig von ihrer Größe gut mit dem Thema Digitale Baustelle umgehen, werden vorne sein. Und wer hinten bleibt, schießt sich aus dem Markt. Wie viel zu groß ist die österreichische Bauwirtschaft noch? Die Folgen der Alpine-Pleite treten ja so richtig erst jetzt auf. Die Leute, die bei der Alpine gearbeitet haben - und das waren ja sehr gute Leute - sind ja nicht verschwunden. Das heißt, die gleiche Anzahl von Bauleuten rauft um die maximal gleiche, eher kleiner werdende Zahl an Bauaufträgen. Das führt natürlich zu einem Margendruck und es wird sicher 2015/16 wieder eine Bereinigung geben. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die derzeitige Debatte ums Vergaberecht und wie ist Ihre Position? Das ist alles gut gemeint und der Weg zum Bestbieter ist sicher richtig. Der Preis wird sicher immer eine große Rolle spielen, aber Präqualifikationen und kundiges Personal etc. sollten in Zukunft eine größere Rolle spielen. Das kann man nur begrüßen.Die Kriterien sollten aber schon klar definiert sein. Sonst wird nur den Juristen in die Hand gespielt. Dann wird jede Ausschreibung und jede Vergabe angefochten werden, weil ein Kriterium nicht richtig beleuchtet wurde oder ähnliches. Die Bauherren sollten das auf jeden Fall einführen, sich aber nicht von jedem Rülpser eines Mitbewerbers irritieren lassen, sondern vergeben und fertig - und alles andere wird man dann schon sehen. Ein bisschen geht es ja da auch darum, die Bedingungen für heimische Firmen wieder zu verbessern - oder sehe ich das falsch? Es ist naiv zu glauben, dass wir uns einem europäischen Wettbewerb nicht stellen müssen. Wir führen jede europäische Verordnung für Offenheit überpünktlich ein, geben Monopole oft leichtfertig auf und auf der anderen Seite möchte man Arbeitsplätze in Österreich schützen, indem man glaubt, verschiedene Dinge einzementieren zu können. Das wird so sicher nicht funktionieren. Man muss einfach aufpassen, dass wir den österreichischen Unternehmern nicht zu viele Regulative auflegen. Das ist es nämlich, wodurch wir ineffizient und teuer werden und wodurch das Ausweichen passiert. Ist die Annahme richtig oder falsch, dass man sich gegen ausländische Mitbewerber durchsetzt, wenn man österreichische Qualität durch entsprechende Kriterien forciert? Ich glaube, dass nicht nur wir in Österreich qualitativ gut bauen können. Das wäre wirklich ein Trugschluss. Auch wenn das Gewerbe es gerne hätte, dass man eine lokale Wertschöpfung hat. Auch wir wollen das ja. Aber zu glauben, man könnte hier die Grenzen zumachen, ist nur kurzfristig gut. Ein erfahrener Ziviltechniker sagte zu mir kürzlich: wir sind dabei, den Vorsprung durch unsere außergewöhnlich gute Ingenieursausbildung an den HTLs aufzugeben. Sehen Sie das auch so? Das sehe ich nicht so. Aber wir haben generell ein Bildungsproblem, weil immer mehr Erziehungsarbeit in die Schulen ausgelagert wird und die Schulen ihrer Wissensvermittlungsaufgabe immer schwerer nachkommen können und überfordert sind. Dazu kommen die Streitereien um die Zuständigkeiten. Aber das Gefühl der Eltern, dass die Kinder heute nicht mehr die für sie notwendige Ausbildung bekommen, ist leider richtig. Da muss etwas geschehen, da muss auch der Leistungsgedanke wieder zurück kommen.Und wir brauchen auf jeden Fall mehr Bezug zur Technik! Alles, was wir in Zukunft tun werden, wird irgendwo einen technischen und Computer-Hintergrund haben. Wir müssen also schauen, dass wir immer mehr Burschen und Mädchen in die Technik bekommen. Das Technik-Studium ist sehr aufwändig und das tun sich leider nur wenige an - aber die österreichischen Universitäten haben da nach wie vor einen ausgezeichneten Ruf und ich kenne viele Rektoren und Professoren, die bei allen Restriktionen, denen sie ausgesetzt sind, tolle Arbeit leisten. Ich glaube, auf dem können wir auch weiter aufbauen. Ist die Bauwirtschaft für einen jungen Menschen heutzutage ein guter Platz? Auf jeden Fall! Sie ist erstens hochinteressant - und in welchem Beruf hat man schon die Möglichkeit, große Leistungen zu vollbringen und am Ende auch real zu sehen, was man vollbracht hat? Aber man muss auf jeden Fall konfliktbereit sein. Man darf nicht glauben, dass das alles immer sehr charmant und ohne raue Töne abläuft. Man hat den Kunden, man hat Subunternehmer, man hat seine eigenen Arbeiter - da gibt es einfach Konflikte. Aber man wird mit dem eigenen Bauwerk, mit der Sichtbarkeit der eigenen Leistung mehr als belohnt. Und das gilt dann auch fürs Management. Wo sehen Sie Europas Bauwirtschaft hingehen? Es wird noch die eine oder andere Bereinigung gehen, aber grundsätzlich bin ich für die eruopäische Bauwirtschaft sehr positiv eingestellt. Es ist ein enormes Knowhow vorhanden und wir werden auch als Partner sehr gesucht. Und dadurch, dass sich viele große Konzerne aus dem Bauen verabschieden und in andere Bereiche gehen, ist der Weg für echte Baukonzerne wie die Porr ein guter. Wir wollen nicht die Größten sein, sondern zu den Besten gehören.Interview: Thomas Pöll