SOLID: Beginnen wir mit den Zahlen. Wie geht es Leyrer + Graf bei Umsatz und EBIT?
Stefan Graf: Wir haben ein zufriedenstellendes Jahr in einer sehr schwierigen Branche hinter uns, die ja schon seit ewig durch einen massiven Preiskampf geprägt ist. Wir sind derzeit mit dem Ausblick recht zufrieden - ganz zufrieden darf man ja als CEO niemals sein.
Die Grundstimmung bei den berichtenden Bauunternehmungen ist im wesentlichen: der Umsatz kann steigen, so viel er will, die EBIT-Marge kommt nicht richtig vom Fleck. Ist das bei Ihnen auch so?
Graf: Ja und nein. Ich muss da für die unpräzise Antwort um Entschuldigung bitten, denn es kommt auf den bereich an. In gewissen Nischen sind wir sehr erfolgreich, manche kommen nicht vom Fleck. Interessant ist dabei: wenn man sich die Indizes ansieht - also den Baupreisindex und den Baukostenindex -, dann entwickeln sich die nicht parallel. Der Straßenbaupreisindex liegt beispielsweise bei etwas über zwei Prozent, das ist in etwa beim Verbraucherpreisindex - aber der Baukostenindex liegt bei vier Prozent!
Das geht natürlich auf Kosten der Marge. Leider ziehen die Preise nicht wirklich an, der Wettbewerb hält die Preise unten. Und man muss auch ansprechen, dass der Staat als größter Auftraggeber die Preise da quasi reguliert.
Der Staat ist andererseits auch daran interessiert, dass seine Bürger Arbeit haben und gut verdienen - aber er delegiert die KV-Verhandlungen an die Sozialpartner. Damit steigen die Löhne, aber die Preise bleiben unten.
Wir Unternehmen kommen da von zwei Seiten in die Zange.
Wie sehen Sie denn in diesem Zusammenhang die herrschende sehr gute Konjunktur?
Graf: Die wird ja landauf, landab gepredigt, und es ist auch in der gesamten Wirtschaft eine sehr positive Stimmung. Wir haben nach allen Prognosen auch wieder ein gutes Jahr vor uns - was aber gleichzeitig Schattenseiten mit sich bringt.
Welche?
Graf: Der derzeit - übrigens nicht nur in der Bauwirtschaft - herrschende Facharbeitermangel führt dazu, dass tatsächlich Aufträge abgelehnt werden müssen, weil zu wenig Arbeitskräfte vorhanden sind. Wir wünschen uns ja, dass die Konjunktur ewig brummt, aber sicher ist das nicht.
Was kann man tun, um das Fenster trotzdem auszunützen? Man kann ja nicht auf die fertigen Lehrlinge warten.
Graf: Das ist eine große Herausforderung. Hier schlägt auch der demografische Wandel voll durch. Interessant ist ja, dass wir gleichzeitig Fachkräftemangel und eine hohe Arbeitslosenquote haben. Da liegt noch viel Potenzial in Bildungssystem und Sozialstaat.
Und schnelle Abhilfe jetzt für die anstehenden Aufträge?
Graf: Schwierigst. Das geht praktisch nur mit Leiharbeitskräften mit allen Vor- und Nachteilen. Sie sind zwar rasch verfügbar, aber die Qualität ist nicht gesichert und das Engagement für das Unternehmen natürlich auch nicht. Eigenes Personal packt einfach anders an.
Kommt man da nicht auch mit dem Bestbieterprinzip-Thema Schlüsselarbeitskräfte in Konflikt?
Graf: Absolut. Das geht ja dann weiter beim gesamten Thema Entsenderichtlinie, Lohn- und Sozialdumping etc. Die da entstehenden Kontrollpflichten sind riesige Aufwände, die mit eigenem Personal nicht da wären und die Produktivität aller Unternehmen enorm bremsen.
Sie sind persönlich bekannt dafür, dass Ihnen Mitarbeiterförderung und Persönlichkeitsentwicklung ein wichtiges Thema ist. Was hat sich da in letzter Zeit getan und wo stehen Sie jetzt?
Graf: Das ist eine der Antworten auf das eben angesprochene Problem. Mitarbeiter zu fördern und ihnen die entsprechenden Rahmenbedingungen zur Entfaltung zu geben, damit sie persönliche Erfüllung finden können, ist der Schlüssel zum gesamten Erfolg auch des Unternehmens. Förderung zusammen mit Forderung ist für mich die Basis eines erfolgreichen Unternehmens.
Die Erkenntnis der letzten Jahre ist, dass wir auf einem guten Weg sind und diesen weitergehen werden. Wir haben da auch heuer wieder einige Schwerpunkte. Unsere Zufriedenheit mit Umsatz und EBIT ist zum Teil der Konjunktur geschuldet, aber es braucht auch die Fähigkeit, das Potenzial zu heben - und die Fähigkeit des Unternehmens ist immer definiert durch die Fähigkeit der Mitarbeiter.
Der Mitarbeiter ist buchstäblich die Quelle unseres Seins.
Das Thema Digitalisierung ist ein Schlüsselthema der Baubranche. Wie geht es Ihnen damit, wo setzen Sie Schwerpunkte?
Graf: Digitalisierung ist in der gesamten Gesellschaft das Schlagwort und Zukunftsthema schlechthin. Keiner weiß, wohin es geht, aber alle laufen mit und das ist wohl systembedingt.
Wohin und wie schnell laufen Sie?
Graf: Klarerweise ist das Thema BIM für die Baubranche eines der zentralen Themen. Andererseits gibt es auch andere wichtige Elemente der Digitalisierung wie 3-D-Druck, augmented reality, den gesamten digitalisierte Bauprozess und das digitale Unternehmen.
Damit wird nicht nur das Unternehmen an sich gefordert, sondern auch die Mitarbeiter, die sich auf neue Technologien einstellen müssen.
Das gilt aber für die gesamte Gesellschaft, die ist da sehr sehr stark gefordert. Der Bauprozess ist ja mehr als die konkrete Baustelle.
Bis wohin in der Wertschöpfung geht es für ein bauausführendes Unternehmen wie Ihres?
Graf: Im Grunde geht es um den Kernbereich dessen, was BIM abdeckt. Aber mit den Schnittstellen und dem Rest der Wertschöpfung beschäftigen wir uns sehr stark - in einer vernetzten Welt ist jeder gut beraten, das zu tun. Da ist er Hebel für die Zukunft des Bauprozesses drin. Man darf sich nicht nur auf seinen Kernbereich fokussieren, sondern muss den ganzen Prozess verstehen, um in seinem Kernbereich erfolgreich tätig zu sein.
Passt unser System der Eigeninteressen und der verschiedenen einzelnen Standesvertretungen eigentlich in das digitale Zeitalter?
Graf: Unabhängig von der Digitalisierung glaube ich, dass Österreich geschichtlich bedingt sehr auf Harmonie und Konsens setzt. Das ist ja nicht schlecht, aber die Medaille hat zwei Seiten und vor lauter Hinsicht und Rücksicht bleiben Entscheidungen oft stecken.
Man kann meiner Meinung nach nicht jedes Thema mit Kompromissen lösen. Ich bin ein Fan von Verschlankungen und klaren Verantwortungen, ohne dass man zu extrem in einzelne Pole geht. Bewegung muss stattfinden, das nennt man dann Lernkurve.
Ein großes Thema in Regionen mit längeren Grenzen ist das Hereinarbeiten ausländischer Firmen. Ist das ein Problem für Sie?
Graf: Das ist natürlich ein Thema mit vielen Schattenseiten. Die Lösung ist aus meiner Sicht an einer einzigen Stelle zu finden, die aber sehr stark übergeordnet ist. Solange es innereuropäisch so ein starkes Sozialgefälle gibt, werden wir das Problem nicht loswerden.
Worin haben Sie zuletzt investiert und warum?
Graf: In unsere operative Stärke. Wir kommen aus einer Zeit, in der die Konjunktur nicht so rosig war - und ich glaube an das Prinzip des antizyklischen Investierens.