SOLID 07 / 2014 : Spezialtiefbau am Terminal Wien Inzersdorf - Säulen in die Tiefe
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Wien wandelt sich zu einer zentralen Drehscheibe für den Schienengüterverkehr Europas – und das bei weitem nicht nur mit dem Bau des neuen Hauptbahnhofs. In und um die Bundeshauptstadt ordnen die ÖBB die gesamte Struktur ihrer Güterbahnhöfe neu. Mehrere mittelgroße Terminals, wie etwa der Nordwestbahnhof, werden nach und nach aufgelassen. Die Stadt gewinnt damit neue Areale für Wohnungen und Büros in hoch lukrativen, innerstädtischen Lagen. Gleichzeitig konzentrieren die ÖBB den Frachtgüterverkehr an einem Standort am südlichen Stadtrand an der Grenze zu Niederösterreich. Genauer: An der sogenannten Pottendorfer Linie im Bereich des Bahnhofes Blumental in der Nähe von Vösendorf. Eine der größten Spezialtiefbaustellen ÖsterreichsHier liegt in diesen Tagen eine der größten Spezialtiefbaustellen Österreichs. Auf einer Fläche, die mit 55 Hektar so groß ist wie 40 Fußballplätze, dröhnt seit dem vergangenen Herbst schweres Gerät.
Bisher lief über die Wiener Außenring Schnellstraße S1 die mehrgleisige sogenannte „Pottendorfer Linie“ zwischen Meidling und Wiener Neustadt. Diese Gleisanlage baut die Mannschaft von Bauer Spezialtiefbau im Auftrag der Firma Haider & Co zu einem der größten Güterterminals des Landes aus. In Zukunft werden hier, am neuen Terminal Wien Inzersdorf, Güter direkt zwischen dem hochrangigen Straßenetz und der Schiene verladen. Vorgesehen sind Anlagen für den Wagenladungsverkehr, den kombinierten Ladungsverkehr sowie für den Stückgutverkehr. Der neue riesige Knotenpunkt für Frachtgut soll in Zukunft gleich mehrere Güterbahnhöfe in Wien ersetzen und damit nicht nur die umweltfreundliche Schiene gegenüber der Straße stärken, sondern auch den Lkw-Verkehr innerhalb der Stadt massiv reduzieren. Die Errichtung des Terminals ist in mehreren Ausbaustufen geplant, je nach dem, wie stark der Bedarf nach höheren Kapazitäten sein wird. Die erste Inbetriebnahme soll 2016 und die Fertigstellung der Realisierungsstufe 1 bis Ende 2017 erfolgen. "Action" auf dem Baulos Brückenbau Auf dem Baulos Brückenbau passiert derzeit die meiste „Action“ im Spezialtiefbau. Die Arbeiten im Tiefbau sollen noch bis zum nächsten Frühjahr dauern, derzeit läuft alles genau nach Zeitplan. Das liegt unter anderem daran, dass man es hier mit erfahrenen Profis zu tun hat – für den Spezialtiefbau und die gesamten Tiefbauarbeiten zeichnet die Firma Bauer Spezialtiefbau verantwortlich. Bekanntlich wird die Tiefbaubranche derzeit nicht gerade mit Aufträgen überschüttet – und Bauprojekte von der Größenordnung des Terminal Inzersdorf sind besonders rar. „Als die Ausschreibung gestartet ist, war es das größte Projekt im Spezialtiefbau in Österreich“, erinnert sich Bauleiter Michael Kern von Bauer Spezialtiefbau. „Entsprechend war dieser Auftrag richtig schwer umkämpft. Denn solche Volumina ziehen sehr viele Firmen an, auch aus dem Ausland.“ In dem Zusammenhang verweist Kern nicht auf die gewohnte Konkurrenz aus Deutschland, sondern auf einen wachsenden Wettbewerb aus Osteuropa – etwa die Tschechen, die inzwischen sehr gut mit Gerätschaften und Mannschaften ausgestattet seien und mit der Unterstützung einiger österreichischer Firmen ins Rennen um heimische Aufträge starten würden. Doch trotz der harten Konkurrenz konnte sich Bauer Spezialtiefbau bei der Auftragsvergabe durchsetzen. Das Unternehmen zählt zu den namhaftesten der heimischen Branche – entsprechend zahlreich sind die Referenzen der Firma im Bereich des Infrastrukturbaus bis hin zur neuen Wirtschaftsuniversität Wien. Entscheidend bei diesem Auftrag waren allerdings nicht nur die Erfahrungen der Wiener, sondern auch ihre Geschwindigkeit. Beim Terminal Inzersdorf sind für den Spezialtiefbau drei Bauphasen von jeweils sieben bis acht Monaten eingeplant. Die größten „Kapitel“ des Projekts: Die Fundierung für die Überplattung der S1 („Tunnel Hennersdorf“) sowie für eine zusätzliche Brücke über die S1, dazu zwei Portalwände, die Baugrubensicherung für ein Betriebsgebäude und eine neue Pumpenkammer. Die 600 Bohrpfähle Ein zentraler Teil des Auftrags sind die rund 600 Bohrpfähle mit einem stattlichen Durchmesser von 120 Zentimetern und Bohrtiefen von über 20 Metern, die im Abstand von 1,60 bis zwei Metern zu errichten sind. Auf den Bohrpfählen ruhen später die Anlagen des Güterterminals, über die tonnenschwere Frachtcontainer umgeladen werden. Die Fundierung der Kranbahnschienen für die Portalkräne erfolgt über eigene Flachfundamente. Bei den Arbeiten steht den erfahrenen Bauleuten von Spezialtiefbau Bauer das hauseigene Bohrgerät BG36 zur Verfügung. Der Boden macht ihnen eher wenig Probleme: Abgesehen von mit Wasser gesättigten Sandschichten besteht der Boden im südlichen Umland von Wien aus harten Schlufftonen. Für die Spezialtiefbauer bedeutet das ein vergleichsweise einfaches Bohren. Bemerkenswert ist dagegen die Schnelligkeit, mit der die Bohrpfähle in die Tiefe gestampft werden: Drei Viertel der Pfähle sind in den zwei Bauphasen seit September 2013 bereits erstellt. Ab dem kommenden Herbst werden die restlichen rund 150 mittels eines vollverrohrten Bohrverfahrens errichtet. Eine mindestens so große Herausforderung ist es für die Mannschaft vor Ort, die zeitgleiche Arbeit unterschiedlicher Betriebe zu organisieren. „Das Anspruchsvollste ist die Koordinierung der vielen Gewerke und des schweren Geräts auf engstem Raum“, so Bauingenieur Kern. Es wurde zum Beispiel gleichzeitig gebohrt, der Aushub des Bohrguts weg transportiert, Beton und Stahl antransportiert, die Spundwände erstellt sowie die Schalungs- und Betonarbeiten für die Brücke durchgeführt – und das auf engstem Raum, entlang einer stark befahrenen Schnellstraße und zweitweise sogar in ihrer Mitte. In diesen Tagen schließt die Mannschaft von Michael Kern die zweite Bauphase ab. Der Bauingenieur zieht ein Zwischenfazit: „Bisher hat alles sehr gut geklappt – derzeit liegen wir punktgenau im Zeitplan.“ Der zweifach verstärkte LärmAber natürlich sind die Bohrpfähle, auf denen später der insgesamt 270 Meter lange Tunnel ruhen wird, längst nicht alles. Im Bereich des Spezialtiefbaus wurde unter anderem der Bau einer neuen Pumpenstation vor dem östlichen Tunnelportal notwendig, inklusive einer neuen Sammelleitung für die Entwässerung. Die neue Pumpenkammer hat einen Grundriss von 22 mal neun Metern und ein Fassungsvermögen von 110 Kubikmetern. Damit sie auch bei Starkregen dicht hält, wurde die Pumpenkammer in zweischaliger Bauweise errichtet: Die Außenschale bildet eine aufgelöste Bohrpfahlwand mit 120 Zentimeter dicken Pfählen und dazwischenliegenden Spritzbetonkappen. Die Innenschale wurde vom Zwisckelbeton der Außenschale von der Außenschale mit einer Folie mit kaschiertem Vlies getrennt. Die Befestigung dieser Trennschichte durfte während des Betonierens weder verschoben noch beschädigt werden. Deshalb wurden die Betonzwickel mit den Bohrpfählen mittels eingebohrter Steckeisen verbunden. Die Mannschaft von Bauer Spezialtiefbau erstellte nebenan auch das neue Betriebsgebäude der Asfinag mitten in den Hang, damit noch Platz für die Zufahrt bleibt. Die dazu erforderliche Hangsicherung erfolgte über eine aufgelöste, auskragende Bohrpfahlwandkonstruktion mit Spritzbetonausfachungen, die in einer konstanten Auskragung von etwa sechs Metern über drei Seiten des Betriebsgebäudes verläuft. Ferner sahen die Pläne den Bau von zwei 35 Meter langen Portalwänden entlang des Tunnels vor, die als Übergang zwischen den Tunnelwänden und der Böschung dienen. Die erforderliche Unterkonstruktion besteht aus einer auskragenden Bohrpfahlwand mit dazwischen liegenden Spritzbetonkappen sowie aus Streifenfundamenten entlang des Portalwandfußes. All diese Aufgaben sind komplex genug. Doch den Bauleuten vor Ort setzte keineswegs die Bautechnik am stärksten zu, sondern etwas ganz anderes. „Der Lärm direkt neben der Autobahn, zusätzlich zum selbst verursachten Lärm auf der Baustelle – das ist kurzfristig sehr laut, aber langfristig eine echte Belastung für die Mitarbeiter“, sagt Michael Kern. Dafür soll der Terminal nach seiner Fertigstellung im gesamten Großraum Wien für weniger Straßenlärm sorgen – weil die ÖBB den gesamten Frachtgutverkehr an einem Punkt konzentrieren, werden viele hundert Zug- und Verschubfahrten mit Zug und Lkw überflüssig. ////____________________Eckdaten: Terminal Wien InzersdorfZum Bauprojekt: Ein multifunktionaler Güterterminal zur Güterverkehrsabwicklung im Raum Wien (Zug-Lkw und Zug-Zug)Standort: An der Schnittstelle der Schnellstraße S1 und der Pottendorfer Linie zwischen Bahnhof Wien-Meidling und Wiener Neustadt.Fläche: Rund 55 HektarBauherr: ÖBB Infrastruktur AGBauzeit: August 2013 bis voraussichtlich Ende 2017 für Realisierungsstufe 1. Errichtung abhängig vom Bedarf in mehreren Ausbaustufen.Finanzvolumen: Rund 300 Millionen Euro, kofinanziert von der EU_____________________Eckdaten: Spezialtiefbau beim Baulos BrückenbauBauherr: ÖBB Infrastruktur AGAuftraggeber: Gebrüder Haider & CoAuftragnehmer: Bauer Spezialtiefbau Ges.m.b.H.Örtliche Bauaufsicht: Werner Consult Ziviltechniker Auftragsvolumen: Ca. 3,0 Millionen EuroBauzeit: Drei Bauphasen von September 2013 bis März 2015Aufgaben: Tiefbau für Errichtung der Eisenbahnbrücke über S1 („Tunnel Hennersdorf“) und Straßenbrücke über S1; Baugrubensicherung für Betriebsgebäude inklusive Pumpenkammer; Portalwände für Portale Ost und West.Bohrpfähle: Insgesamt rund 600 Bohrpfähle mit Durchmesser von 1200 Millimeter, Lauflänge von insgesamt ca. 12.000 Metern, Bohrtiefen über 20 MeterBohrverfahren: vollverrohrt mit Durchmesser von 1200 MillimeterBohrgerät: Bauer BG 36(SOLID 07 / 2014)