Hintergrund : Skandal um größten Baulöwen Lateinamerikas weitet sich aus
Alejandro Toledo wird in Peru der "dicke Fisch" genannt. Aber dieser ist entwischt. Der Ex-Präsident, der vom Schuhputzer zum ersten Mann im Staate aufgestiegen war, soll bis zu 20 Millionen US-Dollar (heute 18,82 Mio. Euro) an Bestechungsgeld kassiert haben. Für den Bau einer Schnellstraße, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Es gibt Hinweise, dass Toledo damit mehrere Immobilien finanziert hat.Wie ein Schneeball, der immer größer wird
Alejandro Toledo ist längst nicht der einzige Spitzenpolitiker in Lateinamerika, der in einen der größten Korruptionsskandale der Welt verwickelt ist. Seit Tagen gibt es um ihn ein Katz- und Maus-Spiel. Die Justiz in Peru hat internationalen Haftbefehl beantragt. Erst war er in Frankreich, dann wurde er mit seiner Frau in den USA gesichtet.Dort wurde der Haftbefehl aber nicht vollstreckt, Toledo will nach Israel, wo er und seine Frau Eliane Karp, die auch die israelische Staatsbürgerschaft haben soll, bestens vernetzt sind. Israel hat kein Auslieferungsabkommen mit Peru - die Regierung verlangt aber, dass er erst seine Affäre regelt, um diplomatische Spannungen zu vermeiden.Wie ein Schneeball, der immer größer wird, wenn er ins Rollen kommt, erfasst der Skandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht von Brasilien ausgehend immer mehr Länder der Region. Vor allem weil Behörden in Brasilien, den USA und der Schweiz knallhart ermitteln.
Die Liste recht bis zu einem FriedensnobelpreisträgerBis zu Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos reicht die Liste der ins Zwielicht Geratenen. Kolumbiens Präsident pocht auf eine rasche Aufklärung durch die nationale Wahlbehörde, wonach Odebrecht 2014 eine Million Dollar für seine Kampagne gezahlt haben soll. "Der Schaden ist schon da", kritisiert Santos. Er vertraue der Aussage seines Wahlkampfchefs Roberto Prieto, der alle Vorwürfe bestreitet.Genauso bestreitet Panamas Präsident Juan Carlos Varela Spenden von Odebrecht bekommen zu haben - er hat nun seine Spender bekanntgegeben. Pikant: Er war vom einstigen Vertrauten Ramón Fonseca Mora belastet worden. Fonseca ist Partner der Kanzlei Mossack Fonseca, die zahlreichen Politikern und anderen Promis beim Ausnutzen von Steuerschlupflöchern half und durch die "Panama Papers" ins Zwielicht geriet. Fonseca und sein Partner Jürgen Mossack wurden wegen angeblicher Verstrickung in den Odebrecht-Skandal festgenommen.Ein System systematischer Bestechung
Angefangen hat das "Odebrecht-Beben" in Brasilien mit dem "Lava Jato"-Skandal ("Autowäsche") um Schmiergelder bei Auftragsvergaben des halbstaatlichen Petrobras-Konzerns. Politiker erhielten eine satte "Provision", wenn sie beim Zuschlag halfen, etwa für den Bau von Bohrplattformen. Nach und nach kam ein System systematischer Bestechung in mehreren Ländern ans Licht. Odebrecht "refinanzierte" die Kosten offensichtlich dadurch, dass Bauprojekte am Ende viel teurer waren - so kostete der Ausbau der Interoceánica in Peru am Ende statt der geplanten 850 Millionen US-Dollar 2,1 Milliarden.Insgesamt sollen 785 Millionen Dollar (734 Mio Euro) Schmiergelder in zwölf Ländern geflossen sein. Es soll im Konzern extra eine eigene "Bestechungsabteilung" gegeben haben. Mehrere Manager hatten durch ihre Aussagen die Ausmaße des Skandals ans Licht gebracht. Sie hoffen auf eine gnädige Kronzeugenregelung, nachdem der langjährige Chef Marcelo Odebrecht zu mehr als 19 Jahren Haft verurteilt worden ist.Angeblich 734 Millionen Euro an Schmiergeldern in zwölf Ländern
Vor Weihnachten willigten der von Nachfahren deutscher Einwanderer gegründete Odebrecht-Konzern und das Chemie-Unternehmen Braskem, an dem Odebrecht beteiligt ist, in einen historischen Vergleich ein: 3,5 Milliarden US-Dollar (3,3 Mrd Euro) sollen über mehrere Jahre gezahlt werden.
Es ist laut US-Justizministerium die größte Strafsumme, auf die sich die Beteiligten je in einem Korruptionsfall geeinigt haben. Odebrecht hat seine Schuld eingeräumt, versucht aber, die in den USA, Brasilien und der Schweiz zu zahlenden Geldsummen noch zu drücken.In Brasilien wird in Kürze die nächste "Bombe" erwartet. Der Justiz liegen zahlreiche brisante, noch unter Verschluss gehaltene Aussagen von Odebrecht-Managern vor, die die Regierung von Präsident Michel Temer erschüttern könnten. Unter dubiosen Umständen kam der in der Affäre ohne Rücksicht ermittelnde Richter am Obersten Gerichtshof, Teori Zavascki, am 19. Jänner bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.Es gibt starken Druck, trotzdem die Aussagen ans Licht zu bringen - für viele Bürger hat der Skandal sogar etwas Gutes: Die Jagd auch nach "dicken Fischen" könnte die Korruption eindämmen, die Justiz gilt als Gewinner: In Brasilien wird der "Lava-Jato"-Richter Sérgio Moro, der auch Konzernchef Marcelo Odebrecht hinter Gitter gebracht hat, für 2018 schon als Präsidentschaftskandidat gehandelt.
(Von Georg Ismar/dpa/APA)
Der brasilianische Odebrecht-Konzern ist das größte Bauunternehmen Lateinamerikas und weltweit tätig. Das Unternehmen hat 128.000 Mitarbeiter, ist in 26 Ländern aktiv - und hat deutsche Wurzeln: Emil Odebrecht war in den 1860er Jahren aus Greifswald nach Blumenau in Südbrasilien ausgewandert und machte sich als Ingenieur und im Eisenbahn- und Straßenbau einen Namen.
Einwanderer aus Greifswald
Seine Nachfahren verhalfen dort der Stahlbetontechnik zum Durchbruch. 1944 gründete Urenkel Norberto Odebrecht die Odebrecht-Gruppe, die den Sitz in Salvador hat. Das Unternehmen baut Infrastrukturprojekte weltweit und zeichnete auch für die Konstruktion von Stadien für Fußball-WM und Olympische Spiele in Rio verantwortlich.
39 Milliarden Euro Jahresumsatz
Der Umsatz betrug zuletzt bis zu 39 Milliarden Euro pro Jahr. Odebrecht ist als Mischkonzern auch im Energie- und Chemiesektor tätig.Das Unternehmen hatte nach Erkenntnissen der Ermittler eine eigene "Bestechungs"-Abteilung und ist durch Strafen in Milliardenhöhe zum Sparen gezwungen. Der langjährige Chef Marcelo Odebrecht wurde 2016 zu gut 19 Jahren Haft verurteilt, weitere Manager sitzen in Haft. (dpa/apa/red)