Internationale Märkte : Russland greift nach der Macht am Balkan

"Wir und die Russen, das sind 150 Millionen", lautet ein seit Jahren belächeltes Bonmot in Serbien mit sieben Millionen Einwohnern. Doch nach dem Regierungswechsel in diesem zentralen Balkanstaat werden jetzt die Bande zwischen Moskau und Belgrad im Schnellverfahren eng geknüpft. Erst kauften Russen in Montenegro an der südlichen Adria schätzungsweise 40 Prozent der Küste sowie die größten Industriebetriebe. Jetzt ist Serbien an der Reihe. "Die Russen sind in Serbien die Chefs", wunderte sich bereits die Belgrader Zeitung "Press".Russen gehören 40 Prozent der montenegrinischen Küste Es begann im vorigen Jahr mit der Errichtung des "russisch-serbischen Zentrums für Ausnahmesituationen" in der südlichen Stadt Nis. Der Westen verdächtigte Serbien, hier einen russischen Militärstützpunkt zu ermöglichen, was Belgrad vehement bestritt. In dieser Woche kehrte Verteidigungsminister Aleksandar Vucic aus Moskau mit der Nachricht zurück, schon bis Ende des Jahres werde eine russisch-serbische Rüstungsfabrik in diesem Balkanland ihre Pforten öffnen.Bau von Panzern geplant Geplant ist nach Medienberichten der Bau von Panzern, gepanzerten Mannschaftswagen und Artilleriegeschützen. Die Produktion soll auf Drittmärkten an den Mann gebracht werden. "Brüder auch bei den Waffen", titelte bereits die Belgrader Zeitung "Novosti". Die Erlöse aus diesen Geschäften könnten auch dazu genutzt werden, dass Serbien in Russland neue Kampfflugzeuge bestellt. Denn die uralten MiG 21 und MiG 29, die zwischen 2006 und 2008 in Russland generalüberholt wurden, fallen im wahrsten Sinne des Wortes fast auseinander, warnt die Luftwaffe vor Unfällen selbst bei Ausbildungsflügen.Tankstellen zum Spottpreis an Gazprom verkauft Noch viel inniger werden die Wirtschaftsbeziehungen. Schon vor Jahren hatte Serbien seine Erdölindustrie wie das Tankstellennetz an Gazprom "zu einem Spottpreis" verkauft, so der damals gar nicht einverstandene Wirtschaftsminister. Zur Zeit verhandelt das vom Bankrott bedrohte Land mit Russland um einen 800-Millionen-Dollar-Kredit, um die Pleite abzuwenden. Passend dazu will die Sberbank noch vor Jahresende ihre Arbeit in Serbien aufnehmen.Auf russischen Investoren liegen auch die Hoffnungen bei dem von US-Steel für einen symbolischen Dollar an die Regierung abgetretenen Stahlwerk in Smederevo, immerhin dem wichtigsten Industriebetrieb des Landes. Und die marode nationale Fluggesellschaft JAT soll von Moskau gerettet werden, hofft das Infrastrukturministerium. Schließlich könnte selbst der staatliche Stromerzeuger EPS schrittweise an Russland verhökert werden, spekulieren die heimischen Zeitungen seit langem.Staatspräsident fliegt als erstes nach Moskau Die neue dicke Partnerschaft wird auch politisch begleitet. Staatspräsident Tomislav Nikolic, der nach früherer Darstellung auf seinem Handy die russische Nationalhymne als Klingelton nutzt, machte seine erste Auslandsreise folgerichtig nach Moskau. Am 11. September trifft sich das Staatsoberhaupt erneut mit dem russischen Kollegen Wladimir Putin in Sotschi. Der wiederum soll im Dezember nach Belgrad kommen. Im August wurde erstmals in Serbien eine russische Partei gegründet, die nach Darstellung der Zeitung "Danas" eng mit der Serbisch-Orthodoxen Kirche verbandelt ist."Auf die EU schwören, aber nach Moskau rennen!", titelte die größte Zeitung "Blic" in der vergangenen Woche und veröffentlichte diese Bilanz: Russland macht 5,5 Prozent des serbischen Außenhandels aus, die EU jedoch 57 Prozent. Seit dem Jahr 2000 flossen aus der EU 2,2 Milliarden Euro an Schenkungen nach Serbien. Aus Russland "kam nicht einmal ein einziger Dollar". (von Thomas Brey /dpa/APA/pm)