Flash-Interview : "Rund ein Viertel der Baufirmen hat ein erhöhtes Ausfallsrisiko"

SOLID: Seit etwa einem halben Jahr sind Ratingagenturen ja in aller Munde. Ist der KSV nicht eigentlich auch eine Ratingagentur? Kann der KSV daher die Wirtschaft ebenso massiv beeinflussen?

Johannes Nejedlik: Wirtschaftsauskunfteien wie die KSV1870 Information GmbH bewerten die Bonität von Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt, um deren Lieferanten und Geschäftspartnern Orientierung zu bieten. Unser Ziel ist es nicht, die Wirtschaft zu beeinflussen, sondern unseren Mitgliedern und Kunden eine Basis zu bieten, auf der sie ihre Geschäftsentscheidungen fällen können.

SOLID: Wie "funktioniert" Rating beim KSV?

Nejedlik: Die Ratingmodelle des KSV1870 sind Instrumente, die das Risiko im Rahmen einer Geschäftsbeziehung zu einem bestimmten Unternehmen bewerten. Je nach Datenlage kommen dabei unterschiedliche wissenschaftlich-statistische Modelle zum Einsatz. Basis dafür sind die Strukturdaten des Unternehmens, die laufend und aktuell in die Wirtschaftsdatenbank eingespeist werden, dazu kommen Inkassoerfahrungen, Insolvenzen, aktuelle Bilanzen etc.

SOLID: Wie agiert dann der KSV "anders" als Ratingagenturen"?

Nejedlik: Wir arbeiten nicht im Auftrag und auf Rechnung des zu beauskunftenden Unternehmens. Im Gegensatz zu Ratingagenturen führen wir Informationen aus verschiedenen Quellen zusammen, wir recherchieren auch im Unternehmensumfeld, bei Banken und Lieferanten. Eine Durchleuchtung des betreffenden Unternehmens bis ins Mark, also etwa eine Due-Diligence-Prüfung, führen wir hingegen nicht durch.

SOLID: Warum sollen Unternehmen überhaupt mit dem KSV kooperieren? Was bringt das? Ist es für meine Firma nicht viel besser, dem KSV keinerlei Infos zu geben? Warum soll jemand etwas über mein Unternehmen wissen?

Nejedlik: Firmen, die nicht bereit sind, ihre Karten auf den Tisch zu legen, müssen damit rechnen, dass ihr Verhalten Niederschlag in den angebotenen Konditionen findet. Nicht nur in Krisenzeiten müssen Risiken entsprechend kalkuliert werden. Ein gutes Rating ist also nicht nur dem Image förderlich, sondern auch dem Bankkonto. Wer Transparenz bei anderen fordert und selbst nicht dazu bereit ist, ist im Geschäftsleben sehr schnell im Out.

SOLID: Welche aktuellen Trends sehen Sie speziell beim Bau?

Nejedlik: Das Baugewerbe ist gekennzeichnet durch harten Preis-Wettbewerb, bedingt durch häufige Zuschläge an Billigstbieter. Zahlungsausfälle oder -verzögerungen und hohe Vorfinanzierungskosten sind weitere Handicaps. Die Krise und die damit zusammenhängende restriktive Vergabepolitik der öffentlichen Hand hat die Lage nicht verbessert. Das durchschnittliche Branchenrating liegt bei 360 und damit unter der problematischen 400er Marke. Aus unserer Sicht hat rund ein Viertel der Unternehmen aus der Branche ein erhöhtes Ausfallsrisiko. Besonders betroffen davon ist derzeit das Baunebengewerbe, in dem es viele kleinere Unternehmen und überdurchschnittlich viele Subunternehmer gibt. Diese stehen in besonderem Maße unter Preisdruck. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres stiegen die Insolvenzen in dieser Branche um mehr als 6 % gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres.

SOLID: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Managementfehler? Was kann man besser machen - speziell in der Baubranche?

Nejedlik: Echte Managementfehler sind meist Versäumnisse und mangelnde Befassung mit der Welt außerhalb des Unternehmens und ihren Herausforderungen und Veränderungen, und gleichzeitig die Faktoren, welche die Insolvenzursachen-Statistik seit Jahren anführen. Preisänderungen, Verknappungen von Rohstoffen, zu späte oder oft gar nicht erfolgende Korrekturmaßnahmen auf Fehlentwicklungen im Unternehmen, finden sich in dieser Kategorie. Dies ist mit Fahrlässigkeit eng verwandt und manchmal schwer von ihr zu trennen. Zusammen ergeben diese Ursachen über die Jahre Werte um oder leicht über 60 % aller Fälle. Und darin liegt die langjährige Konstante: Unternehmer verantworten, was in ihre Firma geschieht, aber auch, was nicht passiert. Außerbetriebliche Ursachen werden vom Management gerne als Grund für das Scheitern genannt, aus unserer Beobachtung allerdings in ihrer Bedeutung sehr oft überschätzt.

SOLID: "Abgewiesen!" ist ein sehr aktueller Trend - Was würde der KSV hier vorschlagen, was lässt sich besser machen, um den (volkswirtschaftlichen) Schaden zu minimieren?

Nejedlik: Die Gesamtverschuldung der Unternehmen, die mangels ausreichender Deckung der Verfahrenskosten nicht in Konkurs gehen können, beträgt rund 600 Mio. Euro. Dem stehen verwertbare Sicherheiten der Gläubiger von ca. 100 Mio. gegenüber, woraus sich eine Schadenssumme von 500 Mio. Euro ergibt. Nicht erfasst sind dabei die Schäden, die Unternehmen verursachen, die trotz ihrer eigentlichen „Konkursreife" weiter tätig sind. Wir sind der Meinung, dass diese Zahlen für sich sprechen und fordern gesetzliche Rahmenbedingungen, die eine durchgängige Eröffnung des überwiegenden Teils der Insolvenzen zulassen. Hier wird Steuergeld vergeudet, das - gerade in Zeiten von Sparpaketen - weit sinnvoller eingesetzt werden könnte!

Das Interview führte Paul Jezek