Baustoffhersteller : Pfleiderer schwört Aktionäre auf Rettungskonzept ein
Bei einer außerordentlichen Hauptversammlung in Berlin sagte der langjährige Vorstandschef Hans Overdiek den rund 150 anwesenden Aktionären, er trage die Verantwortung für die Entwicklung. "Ich bin weit davon entfernt, alles auf externe Faktoren - den Markteinbruch, die Finanzkrise, die Rezession - zu schieben." Rückblickend seien Übernahmen wie beim Laminat-Spezialisten Pergo und andere Beteiligungen zu teuer gewesen. "Allerdings war das Ausmaß der Marktverwerfungen so groß, dass die Möglichkeiten, durch Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen entgegenzusteuern, nicht ausreichten", schränkte er ein.Derzeit größter Sanierungsfall des Landes Pfleiderer ist unter seiner Ägide zum derzeit größten Sanierungsfall in Deutschland geworden. Eine riskante Expansionsstrategie, hohe Rohstoffpreise sowie Probleme auf dem nordamerikanischen und den westeuropäischen Märkten machen dem bayerischen Konzern seit Jahren zu schaffen. An der Börse setzten die Aktien am Donnerstag ihre Talfahrt fort: Sie verbilligten sich bis zum Nachmittag um knapp zwölf Prozent auf 94 Cent.Mehrere Aktionärsvertreter forderten Overdieks Rücktritt und ernteten dafür Beifall: Der Umgang mit den Aktionären sei ein Desaster, kritisierte Malte Diesselhorst von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Sie hätten praktisch ihr ganzes Geld verloren. Schadenersatzklagen seien jetzt denkbar. Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger ergänzte, es sei unverständlich, dass der Absturz nicht früher hätte erkannt werden können. Overdiek konterte, er habe seinen Rücktritt angeboten. Er sei aber gebeten worden, an Bord zu bleiben. Es ist allerdings fraglich, ob er nach der Rettung des Unternehmens noch im Amt bleiben kann.In den vergangenen Jahren war Overdiek immer wieder mit zu optimistischen Prognosen aufgefallen, die dann nicht erreicht werden konnten. "Das Schiff ist weiterhin in schwerer See, und es ist noch ein gutes Stück bis in den sicheren Hafen", sagte Overdiek. Die Zukunft von Pfleiderer könne heute aber optimistischer als noch vor einigen Monaten eingeschätzt werden. Zwar hätten die hohen Verluste das Eigenkapital der AG nahezu komplett aufgebraucht. Nach den jüngsten Rettungsgesprächen mit den Gläubigern sei die Lage aber unter Kontrolle.
Gerade für die Aktionäre ist der Preis allerdings hoch: Denn sie werden künftig kaum noch Einfluss haben. Um die Pleite des mit einer Milliarde Euro verschuldeten Konzerns abzuwenden, ist ein umfangreiches Rettungspaket geschnürt worden. Die Gläubiger - Banken und Hedgefonds - verzichten dabei auf die Rückzahlung eines großen Teils ihrer Kredite. Zugleich schießen sie frisches Kapital in Höhe von 100 Millionen Euro nach. Dafür bekommen sie die Macht. Die bisherigen Aktionäre werden künftig nur noch mit wenigen Prozenten am Unternehmen beteiligt sein.Details zu der finanziellen Restrukturierung nannte Overdiek nicht. Die Verhandlungen dauerten an und könnten sich noch Wochen, womöglich Monate, hinziehen. Weitere Hauptversammlungen ab Sommer sollen über die Rettung informieren. Scheitern die Gespräche, droht dem Konzern wieder die Insolvenz, wie Overdiek einräumte. Bisher hat er dieses Szenario stets zurückwiesen.Für 2010 wies Pfleiderer im Einzelabschluss der AG einen Nettoverlust von 345 Millionen Euro aus. 2009 hatte das Minus bei 57 Millionen Euro gelegen. Das Eigenkapital der AG reduzierte sich nach 308 Millionen Euro zum Jahresende 2009 auf 9,5 Millionen Ende Februar 2011. Im Jahresverlauf dürfte es komplett verbraucht sein. Auch im Konzern ist die Situation nicht besser: Der operative Verlust (Ebit) summierte sich auf 439 (2009: minus 16) Millionen Euro. (Reuters/APA/pm)