Um so ein gewaltiges Städtebauvorhaben wie die Seestadt Aspern zu verwirklichen, braucht es (ab einer Nutzfläche von mehr als 100.000 Quadratmetern, die Aspern um ein Mehrfaches übertrifft) eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Nach der UVP für Aspern Seestadt Süd läuft gerade die UVP für Aspern Seestadt Nord. Doch da scheint es ordentlich zu haken.
Denn Ing. Michael Bierbaum, der Gruppenleiter Direktion AR-Bereich Denk Strabag AG und oberste Projektleiter der Seestadt Süd, erklärt: „Auf der Grafik sind noch eine Menge weiße Flecken. Diese sind alle im Nordteil der Seestadt Aspern. Ich habe mit Roman Koselsky, Projektleiter technische Infrastruktur Wien 3420, gesprochen. Es ist so, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung, die es jetzt schon gibt, nur für den Süd-Bereich gilt. Für den Norden ist gerade eine im Laufen. Die wird aber sicher noch dauern." Anfang 2014 war der Startschuss für die Vorbereitung der UVP-Prüfung für die Seestadt Nord. Im Juni 2014 wurde die Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) durch die MA 28 bei der UVP-Behörde eingereicht. Derzeit ist die UVE durch die Sachverständigen der UVP-Behörde in Prüfung. Gegebenenfalls wird ein Verbesserungsauftrag durch die MA 28 bearbeitet.
Als Nächstes erfolgt die öffentliche Auflage der UVE in der Standortgemeinde mit der Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme. Danach erfolgt die mündliche Verhandlung. Voraussichtlich 2015 wird der Genehmigungsbescheid veröffentlicht.Sollte die UVP Nord negativ ausfallen, kann schlicht und einfach nicht gebaut werden. Und diese Umweltverträglichkeitsprüfung hängt unter anderem auch an den für die Fortführung der Bauarbeiten im Stadtteil Nord nötigen Zubringerstraßen, konkret der Stadtstraße Aspern.Was bringt die Stadtstraße Aspern?Die Stadtstraße Aspern ist Bestandteil der UVP-Prüfung für Aspern Seestadt Nord. Ohne diese vierstreifige Zubringerstraße mit Mittelstreifen kann der Stadtteil Seestadt Nord nicht gebaut werden, da es sonst keine brauchbare Verbindung gibt. Und sie wird natürlich auch für den Betrieb der Seestadt notwendig sein, da es sonst keine Verbindung gibt, die die täglichen verkehrstechnischen Herausforderungen abdeckt.
Nicht zu vergessen: Die Seestadt Aspern Nord wird direkt neben der Seestadt Aspern Süd gebaut, die bereits bewohnt wird. Das ist in dieser Dimension neu und bedeutet verkehrstechnisch neue Herausforderungen. Und die Stadtstraße Aspern ist jetzt nicht eine neue Straße, die erst mit der Seestadt als Idee entstanden ist. Seit gut 20 Jahren, konkret seit 1992, laufen die Bemühungen, diese Straße zu bauen, so die Chronologie auf der Homepage der Magistratsabteilung 28 der Stadt Wien.Dass es sie bis jetzt noch nicht gibt, sagt auch einiges über die Problematik des Projektes aus.„Die ganze Geschichte ist schaumgebremst“ Wie genau der gordische Knoten bei der Verkehrssituation aussieht, erläutert Michael Bierbaum von der Strabag: „Der Knackpunkt ist, dass es verkehrstechnisch eine zweite Anbindung an den Norden der Seestadt Aspern geben muss. Von der Seestadt Aspern führt die Erzherzog- Karl-Straße stadteinwärts, da kann es zu einem Problem kommen – und deswegen gibt’s da die Anschlussstelle an die S1 oder die A23, die Spange.
Es wird eine mehrspurige Stadtstraße gebaut, die eine Anbindung an die S1 sein soll. Diese Spange wird aber erst 2017/2018 realisiert werden, so wird vermutet. Und davon hängt jetzt natürlich der Bau des Nordens ab. Deswegen ist die ganze Geschichte natürlich ein bisschen schaumgebremst.“Die Stadtstraße Aspern gehört nicht nur zur Seestadt, sondern ist ein wesentlicher Teil des Gesamtentwickungskonzeptes für den Nordosten Wiens.Unter Berücksichtigung aller geplanten Verkehrsszenarien, die bis 2030 realisiert werden, kann nur mit ihr die Entlastung der Ortskerne von Hirschstetten, Aspern, Essling und Breitenlee dauerhaft gewährleistet werden.Die Stadtstraße Aspern soll die A 23 an der Anschlussstelle Hirschstetten mit der S1-Spange Seestadt, Anschlussstelle Seestadt West verbinden und bildet letztendlich den Lückenschluss zum Regionenring S1-Wiener Außenring Schnellstraße mit Vösendorf, Schwechat, Groß Enzersdorf, Süßenbrunn und Korneuburg. Gleichzeitig erschließt sie neue Stadtteile wie die Seestadt oder das obere Hausfeld.Untertunnelungen in sensiblen Bereichen, neue Fußgängerwege, neue Radfahrwege und die nachgewiesene Umweltverträglichkeit durch das UVPVerfahren sollen die Stadtstraße auch kritischen Anrainern schmackhaft machen. Auch Themen wie Feinstaub und erschütterungstechnische Erhebungen müssen im Vorfeld mit den Anrainern geklärt werden.Als möglicher Baubeginn ist 2015 angedacht. 2017/18 ist die Inbetriebnahme der Stadtstraße Aspern geplant. (Diese Informationen sind der amtlichen Mitteilung über das Projekt „stadtstraße aspern verbindet lebensräume“ der Magistratsabteilung 28, Stand Mai 2014, entnommen.)Reichen die LKW-Fahrten?Die Baugeschichte der Seestadt Aspern Süd wird natürlich als Beispiel für die Seestadt Nord herangezogen. Michael Bierbaum von der Strabag AG: „Das wird spannend. In der Umweltverträglichkeitsprüfung gibt es eine Auflage, dass maximal 700 LKW-Fahrten pro Tag stattfinden dürfen. Das heißt, man darf mit 350 LKWs hineinfahren und wieder hinausfahren. Es werden Ein- und Ausfahrten gezählt. Da haben wir uns natürlich Gedanken gemacht, wie soll das in der Bauphase funktionieren?“Und: Trotz aller Alternativen für den Autoverkehr muss davon ausgegangen werden, dass der Autoverkehr insgesamt noch ansteigt. Denn auch wenn es in der Seestadt mit der U2, den Autobussen, der Straßenbahnlinie 26, Schnell- und Regionalbahnen und den Fahrradwegen (die von Anfang an durch die Baustelle führen) sehr viele Angebote für öffentliche Verkehrsmittel gibt, bleibt die Frage: Werden diese für die 20.000 geplanten Bewohner ausreichen?Für den Autoverkehr gibt es zwar sechs Tiefgaragen, die als einfaches Garagensammelsystem mit insgesamt 1.900 Parkplätzen angelegt sind, aber pro Haushalt sind nur 0,7 Parkplätze vorgesehen. An der Oberfläche im Straßenraum sind Kurzparkzonen geplant. Wenn in der Seestadt Nord das gleich große Angebot von 1.900 Parkplätzen geplant ist wie in Aspern Seestadt Süd und auch umgesetzt wird, heißt das: Es gibt 3.800 Parkplätze für 20.000 Bewohner, deren Besucher und sonstige Menschen, die in Aspern zu tun haben und vielleicht auch – zumindest manchmal – mit dem Auto kommen müssen. Auch darauf kann man gespannt sein.____________Zahlen zu Aspern:
240 Hektar Fläche hat Aspern, das entspricht einer Größe von 340 Fußballfeldern.
20.000 Menschen werden in der Seestadt wohnen und arbeiten.
50.000 Quadratmeter groß ist der künstlich angelegte See.
Ein 64.000 Quadratmeter großer Park ist geplant.
(SOLID 11 / 2014)