Österreich : Nicht nur Preiszonentrennung macht Strom teurer
Strom ist in Österreich seit 2018 spürbar teurer geworden - für die Industrie, aber auch für Gewerbe und Haushalte. Grund dafür ist nur zum Teil das Aus für die frühere deutsch-österreichische Stromhandelszone. Stärker wirken sich CO2-Preisanstiege bzw. Steuern, Abgaben oder Systemkosten aus. Haushalte sind trotz der kleiner gewordenen Einsparmöglichkeit wechselfreudig, stellt die E-Control fest.
Die Strom-Großhandelspreise sind in der EU ganz allgemein gestiegen - abhängig von den Notierungen für Kohle, Gas und Kohlendioxid, sagte E-Control-Vorstandsdirektor Andreas Eigenbauer am Montag bei einer Tagung der Regulierungsbehörde. Bei den Durchschnittspreisen für Strom sei Österreich im Beobachtungszeitraum mit 45,12 Euro pro Megawattstunde (MWh) ähnlich hoch wie Frankreich gelegen, in Summe im besten Drittel der Länder. In Ungarn, Italien, aber auch der Schweiz sei Strom etwas teurer als bei uns, in Österreich in den letzten zwölf Monaten im Schnitt 3,40 Euro/MWh höher als Deutschland.
Der Preisaufschlag zu Deutschland habe somit 7 Prozent ausgemacht, wie teils schon vorher angenommen, so Eigenbauer. Hätte man zur Preiszonen-Auftrennung nicht eine Grenzkapazität von 4,9 Gigawatt (GW) erreicht, sondern - wie es gedroht habe - von lediglich 2,5 GW, läge das Stromgroßhandels-Preisniveau in Österreich wohl 14 Prozent über dem deutschen.
E-Control-Volkswirtschafter Johannes Mayer verwies darauf, dass sich die Strom-Futurepreise von Jahr zu Jahr erhöht haben. 2017 habe man für 2018 noch für gute 30 Euro je MWh Elektrizität kaufen können, ein Jahr später seien (2018 für 2019) hätten die Preise in Deutschland um rund 10 Euro angezogen, das sei rein im Nachbarland hausgemacht gewesen. Bei uns sei der Anstieg durch die Gebietstrennung sowie CO2 und Gas noch höher gewesen. Jetzt, 2019, liege man für Lieferungen im Jahr 2020 schon bei 50 Euro/MWh - trotz mittlerweile niedrigerer CO2-Preise. Deutschland, einst ein großer Exporteur, sei in den letzten Monaten zu einem Stromimporteur geworden; Strom kaufen könne man in Frankreich und Tschechien.
Seit dem Aus für die gemeinsame Stromzone gibt es in Österreich geringere Chancen auf Einsparungen durch einen Anbieterwechsel, also eine "eklatante Flurbereinigung der Einsparpotenziale", sagte Mayer, Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung bei der Regulierungsbehörde. Um die 100 Euro Einsparmöglichkeit seien etwas wenig, um den heimischen Markt zu dynamisieren, 150 bis 200 Euro wären da schon besser, argumentierte er. Es habe zwar der Preiswettbewerb abgenommen, dennoch hätten die Wechselraten heuer Rekordhöhe erreicht. Bis jetzt sei also noch nicht absehbar, dass die Kleinkunden weniger aktiv seien am Markt.
Für Haushaltskunden seien die Preise in Österreich vom 1. Halbjahr 2018 bis zum 1. Halbjahr 2019 - also über die Trennung der Strompreiszone per Anfang Oktober 2018 hinweg - um 8,5 Prozent gestiegen, absolut um 5 Euro pro MWh bzw. um 0,5 Cent je Kilowattstunde (kWh). Dabei hätten sich sinkende Steuern und Abgaben (bzw. geringere Ökostromkosten) etwas senkend bzw. preisstabilisierend ausgewirkt; die Netzkosten seien in etwa gleich geblieben.
Bei den Tarifkunden im Kleingewerbe seien die Preise im gleichen Zeitraum um 14 Prozent angestiegen - trotz gleichfalls einer Entlastung beim Ökostrom und neutralen Netzkosten habe der Anstieg 7 Euro/MWh bzw. 0,7 Cent/kWh ausgemacht. Möglicherweise hätten sich Privathaushalte stärker wettbewerbsorientiert verhalten, mutmaßte Mayer.
Die Industrie habe binnen Jahresfrist einen Anstieg ihrer Strompreise um 25 Prozent zu verkraften gehabt. Für sie hätten sich anders als bei Gewerbe und Haushalten höhere Steuern/Abgaben und höhere Netzpreise ausgewirkt, da die Redispatch-Kosten gestiegen seien. Das habe für industrielle Stromverbraucher mit 20 bis 70 Gigawattstunden (GWh) Abnahme im Jahr zu einem Anstieg der Energiepreise um 9 Euro/MWh bzw. 9 Cent/kWh geführt.
"Die Hoffnung sinkender Preise sehe ich für Österreich nicht gegeben", meinte Mayer in einem Blick auf die Zukunft. Die Gaspreise seien zwar derzeit extrem niedrig, lägen für 2020 aber um einiges höher. Die Frage sei, ob dann die Kohle in Deutschland anders als jetzt "im Markt" sei oder Gas. "Dramatisch gestiegen" seien die CO2-Preise, "der" eigentliche Treiber.
Auch für E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch ist die Conclusio, dass die Effekte etwa durch CO2 und andere Einflüsse viel stärker sind als die Stromzonentrennung. Mit den Marktteilnehmern sei man laufend in Gesprächen, wie sich mehr Transparenz in den Markt bringen lasse.
International zu erörtern sein werden auf EU-Ebene Neuerungen, die mit Anfang 2020 in Kraft treten, nämlich das Erfordernis, dass Übertragungsnetzbetreiber mindestens 70 Prozent der Übertragungskapazität dem Markt zur Verfügung stellen müssen - es kommt also eine neue Grenzbewirtschaftung. Diese Vorgabe sei marktfreundlich und daher durchaus positiv, betonte Urbantschitsch, dennoch sei dazu noch einiges auf europäischer Ebene zu diskutieren, nämlich zwischen den Regulatoren sowie mit den Übertragungsnetzbetreibern (ENTSO-E), der EU-Kommission und den EU-Mitgliedsstaaten. Erreicht werden müssen die 70 Prozent bis Ende 2025, notfalls muss dies durch den Bau neuer Stromleitungen oder durch Redispatch bewerkstelligt werden.
Im Zusammenhang mit der Umsetzung des Clean Energy Package (CEP) in der EU gehe es darum, die wettbewerbsfreundlichste Regelung umzusetzen, sowohl in Bezug auf den Ökostromausbau, das 70-Prozent-Kapazitäts-Ziel als auch eine neue Engpassmanagement-Regelung, die in Diskussion sei. Urbantschitsch: "Es ist nötig, die wettbewerbsfreundlichste Variante zu wählen, weil sie die kostengünstigste und effizienteste ist."
Trotz der Zonentrennung zwischen Deutschland und Österreich sind die Engpassmanagement-Kosten übrigens gestiegen, sagte der Bereichsleiter Handel der EnergieAllianz, Paul Kaluza. In Deutschland sei das vor allem im Winter der Fall, in Österreich im Sommer. Umgelegt auf den Verbrauch bezifferte er die Engpassmanagement-Kosten mit 2 bis 2,5 Euro/MWh. Letztlich helfe hier nur der Netzausbau, so Kaluza: "Das Marktdesign kann gar nicht so gut sein, dass das reicht." Dass - anders als Windenergie - Solarenergie keinen Einfluss auf die Preisdifferenz der beiden Länder habe, "hat uns überrascht".
Auch verwies der Experte - wie andere Referenten - darauf, dass der große deutsche Markt ungleich liquider sei als der österreichische. In Deutschland werde jede Kilowattstunde Strom im Schnitt 4,6 mal gehandelt, ehe sie verbraucht werde, in Österreich nur 0,3 mal. Also sei der deutsche Markt 15 mal liquider als der österreichische. Am Futures-Markt sei das besonders eklatant, da würden in Deutschland im Monatsschnitt 200 bis 250 TWh Strom gehandelt, in Österreich nur 5 bis 6 TWh. Mayer von der E-Control meinte, dass speziell der Forward- und Future-Handel ein Problem sei in Österreich: Es gebe kaum jemanden, der Stromkontingente zB fürs dritte Quartal 2020 handle - und statt eines transparenten Börsenhandels gehe es eher in Richtung intransparente OTC-"Plattförmchen". Auch von anderer Seite wurde das Fehlen von Marketmakern moniert. (APA)