Wohnbau : Mietpreisdeckel – Ein Abschied von Bauprojekten in Berlin
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In Berlin kocht derzeit die Stimmung – auf Seiten der politischen Opposition, der Immobilienwirtschaft, in weiterer Folge der Bauwirtschaft, und auf jeden Fall auf Seiten so manches Vermieters.
Grund ist der kürzlich angekündigte Mietpreisdeckel, der in der gesamten Hauptstadt bis auf wenige Ausnahmen die Kaltmieten nicht über knapp acht Euro pro Quadratmeter lassen will. Je älter die Wohnung, desto billiger. Bei der Lage wird entweder gar nicht, oder nur zwischen Ost und West unterschieden. Je nach Erstbezug und Lage würde eine 70-Qaudratmeter-Wohnung beispielsweise zwischen knapp 400 und gut 550 Euro monatlich kosten. Das Gesetz ist noch nicht durch, soll aber rückwirkend ab dem 18. Juni gelten.
Es ist die Reaktion des Stadtsenats auf in den letzten Jahren enorm gestiegene Mietzinse in Berlin. „Um die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt zu beruhigen und den Mieterinnen und Mietern die Sorgen vor steigenden Mieten zu nehmen“, begründet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen den Mietendeckel. Und davon sollen Bewohner – aktuelle wie künftige – der rund 1,5 Millionen Mietwohnungen in der Stadt profitieren. Einzige Ausnahmen wären geförderte Sozialwohnungen und neu fertig gestellte Objekte. Mit anderen Worten: Alle sollen weniger bezahlen, dann geht‘s auch bald allen wieder gut. Wenn das mal nicht der größte Trugschluss der deutschen Immobiliengeschichte wird.
Noch drastischer formuliert es die Berliner Morgenpost: „Die Linken zünden Berlin an.“ Der Vorstoß kommt nämlich von Bausenatorin Katrin Lompscher von den Linken. Sie wolle mit dem Deckel „ein Stoppzeichen gegen Spekulationen, für leistbare Mieten und eine soziale Stadt“ setzen.
Doch wie soll es weitergehen? Wie sollen Vermieter mit den viel niedrigeren Einnahmen zurechtkommen? Wie soll Geld für Sanierungen und Modernisierungen zur Seite gelegt werden? Wie soll es nach dem fünfjährigen Zeitraum, für den der Deckel vorgesehen ist, weitergehen, dürfen dann die Mieten sofort in die Höhe schnellen und Bewohner haben wieder das Nachsehen? Und vor allem: Wie sollen in den kommenden fünf Jahren Investoren für neue Bauprojekte gefunden werden, wenn praktisch nichts an Einnahmen versprochen werden kann?
„Grundlegende Probleme werden nicht beseitigt“
Dass das schwierig wird, ist keine Schwarzmalerei, sondern eine Wiedergabe der bereits ersten Tage nach Bekanntgabe der Pläne. Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen BFW, konkret sein Landesverband Berlin/Brandenburg, hat eine Umfrage unter seinen Mitgliedern gemacht. 72 Prozent der Immobilienunternehmen haben sofort ihre geplanten Investitionen auf Eis gelegt oder gleich ganz gestoppt. 61 Prozent geben an, bis auf Weiteres auf geplante Modernisierungen oder sogar dringende Sanierungen zu verzichten. Und sie sind mit ihren Reaktionen nicht alleine, denn drei Viertel der Befragten sagen, dass Investoren und Projektpartner bereits negative Signale abgegeben haben. Drei Viertel der Endinvestoren – das sind beispielsweise Banken oder private Pensionsfonds – haben ihre Investitionen in den Berliner Markt gestoppt. Sie gehen lieber woanders hin.
Gerne ins benachbarte Brandenburg beispielsweise. 41 Prozent der befragten Immobilienunternehmen sehen sich jetzt eher hier um, 34 Prozent auch in anderen Bundesländern. Und das sind nur die Reaktionen der ersten Tage. Was wird in naher Zukunft den engagierten Investor oder gewinnorientierten Entwickler davon abhalten, sein Kapital im Ausland zu Wohnungen zu machen? Die sechs Euro dreißig pro Quadratmeter, die ihn in Berlin erwarten, sicher nicht.
https://youtu.be/iO8ShPz_mjU
Damit könnte der Mietendeckel also das wirklich große Problem am Berliner Wohnungsmarkt, nämlich den Mangel an Wohnungen, drastisch verschlimmern; einfach nur, weil er ein anderes Problem, nämlich das der hohen Mieten, lösen wollte. So gut gemeint der Ansatz wohl war, er beweist alles anderes als Umsicht. Und keine Familie hat etwas von einer wirklich billigen Wohnung, die sie nicht bekommt, weil es einfach viel zu wenige Wohnungen am Markt gibt.
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Mit Gewalt verbessern
Seit 2011 ist Berlin um 50.000 Menschen, doch gleichzeitig nur um 10.000 Wohnungen pro Jahr gewachsen. Das ist ein Problem, dem nur mit einer „Bauoffensive“ begegnet werden kann, wie Sebastian Czaja, FDP-Vorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus, es formulierte. Gleichzeitig ist das Mietpreisproblem ein reales – die Wohnkosten haben sich im letzten Jahrzehnt fast verdoppelt. Doch das zweite Problem hat viel mit dem ersten zu tun – es fehlt an Angebot, also treibt die Nachfrage den Preis. Am Preis etwas mit Gewalt zu ändern, richtet nichts im Angebot-Nachfrage-Gefilde aus.
Ein möglicherweise sehr viel durchdachterer Vorschlag kommt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW in Berlin – nämlich das staatlich geförderte Mietkaufmodell. Hier wird von der Prämisse ausgegangen, dass der Staat faktisch zinsfrei an Geld kommen, so also als Bauherr für Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern fungieren und den Zinsvorteil an die Mietkäufer weitergeben kann. Diese zahlen monatlich den Baupreis ab, als würden sie Miete zahlen – nur dass sie auf diese Weise nach und nach Eigentümer würden.
Wie sinnvoll das wäre, lässt sich an einer einfachen Rechnung sehen: Eine 100-Quadratmeter-Wohnung wird mit Kosten von 210.000 Euro gebaut. Eine Familie mit Kindern und ohne nennenswertes Eigenkapital zieht ein – sie wurde bei der Auswahl bevorzugt – und zahlt monatlich 933 Euro. In 24 Jahren würde ihr die Wohnung damit gehören. In zehn Jahren könnte so eine halbe Million Haushalte zu Eigentümern werden – und davon gibt es in Deutschland derzeit im Vergleich zu Spanien oder Italien etwa eher wenig.
Hallo, Deckel. Gute Nacht, Berlin.
Markus Grabka vom DIW meint, das Mietkaufmodell könnte für mehr neue Bauprojekte sorgen. Ein Mietendeckel hingegen kümmere sich nur um ein Symptom, den Mietanstieg, aber „ohne die grundlegenden Probleme auf dem Immobilienmarkt zu beseitigen“.
Negative Reaktionen kommen nicht nur von Brancheninsidern in Deutschland. Der Economist beruft sich auf mehrere Experten, die da warnen: Vermieter werden bei Sanierungen sparen oder überhaupt ihren Besitz verkaufen. So geschehen in Großbritannien, wo es bis zu den 1980ern Mietpreisdeckel gab. In San Francisco macht ein Deckel in den 1990ern die Wohnungsnot aufgrund Baumangels noch drastischer – viele noch intakte Wohngebäude wurden abgerissen und stattdessen neue, kostspielige gebaut. Da Neubau, waren sie von der Regulierung ausgenommen.
Soll das alles in Berlin unmöglich sein? „Deutsche Wohnen“ warnt bereits, es würden in den nächsten Jahren 50.000 weniger Wohnungen gebaut werden. Die Aktie des Konzerns sank am Montag übrigens gleich um drei Prozent. Bauprojekte wird es natürlich trotzdem geben – für Eigentumswohnungen oder Gewerbeobjekte. Dafür interessieren sich laut BFW schon 39 Prozent der Mitglieder als Alternative zur Mietwohnung.
Profitieren wird natürlich – zumindest fünf Jahre lang – trotzdem eine Gruppe – diejenigen, die bereits in der Wohnung ihrer Wahl leben. Das schließt zwar sehr viele gut verdienende Menschen in großen, tollen Wohnungen in beliebten, zentralen Lagen mit ein; aber sicher werden sich auch viele weniger vermögende darüber freuen, jetzt bei der Miete Geld zu sparen. In dem Sinne auch ganz zu recht. Bloß zu welchem Preis? In fünf Jahren könnte die Wohnungsnot in der deutschen Hauptstadt noch viel schlimmer aussehen als derzeit. Wenn das sozialer sein soll, dann gute Nacht, Berlin.
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