Der Nachweis und die Ermittlung (Herleitung, Berechnung) von Behinderungsmehrkosten und Bauzeitverlängerung der Höhe nach war, ist und bleibt wohl das Dauerthema bei größeren Infrastrukturprojekten. Die dabei fast unausweichlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Bauherren- und Baufirmenseite erschöpfen sich dabei keineswegs ausschließlich in Fachfragen aus dem Bereich der Bauwirtschaft und dem Baubetrieb. Es zeigt sich vielmehr immer wieder, dass auch die Ermittlung der Höhe nach von grundlegenden Rechtsfragen durchdrungen wird. Oft gehen Rechts- und Fachfragen Hand in Hand und sind nicht selten kaum voneinander zu unterscheiden. Besonders markant zeigt sich dies am Beispiel der sogenannten "Preisgrundlagenregel" der ÖNORM B 2110: Die rechtlichen Prämissen für die Ermittlung der Vergütungshöhe nach Leistungsänderung und/oder -störung (Behinderung) werden in der ÖNORM B 2110, Punkt 7.4.2, Abs 2 explizit geregelt. Die Ermittlung der neuen Preise hat demgemäß - soweit dies möglich ist - unter sachgerechter Herleitung von Preiskomponenten (Preisgrundlagen des Angebotes) sowie Mengen- und Leistungsansätzen vergleichbarer Positionen des Vertrages zu erfolgen. Diese Bestimmung folgt bekanntlich dem Postulat „guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis“. Nur wenn diese Frage zu verneinen ist, gilt gemäß § 1152 ABGB ein angemessener Preis als vereinbart. Zum Preis gehört auch ein Gewinn An dieser Stelle ist jedoch zu betonen, dass es sich bei dem ziffernmäßig der Höhe nach zu ermittelnden Betrag gemäß expliziter vertraglicher Vereinbarung um einen Preis zu handeln hat - und das hat Konsequenzen: Bekanntlich besteht ein Preis nur zu einem Teil aus den Gestehungskosten. Zum anderen Teil aus Zuschlägen, nicht zuletzt dem Gewinn (dem Motor jeden unternehmerischen Handelns). Es geht dabei im Kern um die kalkulatorische Ermittlung der monetären Vergütungsanpassung, die sich von den tatsächlichen Aufwänden (eben Kosten) des Unternehmers durchaus unterscheiden können – und dürfen! Immer wieder versuchen Bauherrnberater – seien es nun Sachverständige aus dem Bereich des Baurechts, der Bautechnik oder der Bauwirtschaft –, diese zwischen den Parteien vereinbarte Preisgrundlagenregel zugunsten der von Ihnen beratenen Seite zu durchbrechen und verlangen Kostennachweise und Ist-Stunden-Aufzeichnungen für die betroffenen Bauteile und Bauabschnitte. So plausibel die dann oft vorgebrachten Argumente auch sein mögen, lassen sie dennoch stets das hinter der Preisgrundlagenregel stehende Prinzip vermissen: die weitgehende Bindung an die Urkalkulation.Selbstverständlich ist das Vorhandensein einer Urkalkulation – auf die sich der Auftragnehmer stützt – von diesem zu beweisen. Dass diese jedoch allenfalls unrichtig (zu "sportlich") war, liegt hingegen in der Behauptungs- und Beweislast des Bauherrn. Schließlich handelt es sich dabei um einen anspruchsvernichtenden Einwand, welcher auf die mangelnde Kausalität abzielt. Es ist aber jedenfalls unzulässig, innerhalb eines Bauvertrages die Mehr"kosten" (es müsste korrekterweise Mehr"preise" heißen!) einmal auf Kosten- und einmal auf Preisbasis berechnen – und dies auch noch einseitig entscheiden zu wollen. Tipps für derartige Fälle: 1.Wenn eine Preisgrundlagenregel vereinbart wurde, ist diese bei Geltendmachung einmes Werklohnanspruches auch einzuhalten: Mehrkostenforderungen (zu verstehen als monetäre Vertragsanpassungen) sind auf Basis der Urkalkulation zu ermitteln. Die so ermittelten Ansprüche können von den tatsächlichen Kosten verschieden sein – übrigens in beide Richtungen. 2.Das Begehren des Auftraggebers auf Übergabe von Kostennachweisen sollte zuvor rechtlich geprüft werden. Zumeist hat der Auftraggeber keinen Anspruch auf derartige Nachweise. 3.Wenn seitens des Auftraggebers argumentiert wird, dass auch die Rechtsprechung in Deutschland nur tatsächliche Kosten als anspruchsbegründend ansehe, so ist dem zu entgegnen, dass die österreichische Rechtslage zum Werklohn in diesem Punkt entscheidend von der deutschen abweicht. 4.Besteht Unsicherheit (Uneinigkeit) darüber, ob vergleichbare Kalkulationsgrundlagen vorhanden sind (die bei der Ermittlung verpflichtend anzuwenden sind), sollte ein bauwirtschaftlicher Sachverständiger zu gezogen werden. 5.Setzt der Auftraggeber einseitig die vereinbarte Prüffrist zur Prüfung dem Grunde und/oder der Höhe nach aus, sollte erwogen werden, einen Rechtsanwalt mit der Prüfung der Rechtslage zu beauftragen. Wolfgang Müller ist Rechtsanwalt in Wien und Partner bei WolfTheiss-Rechtsanwälte. Er berät und vertritt projektbegleitend im Bereich des Bauvertragsrechts sowie vor Gerichten und Schiedsgerichten.