Österreich : Mehr Zeit für Recycling-Entwicklung nötig

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Die industriellen Dämmstoffhersteller kämpfen seit Jahren um ihre Position im Bezug auf Haltbarkeit ihrer Produkte, Trennung, Recycling etc. Während im Polystyrolbereich der Haltbarkeitszeitraum wissenschaftlich untermauert immer mehr in die Höhe geschraubt und gleichzeitig an Trennungsanlagen gearbeitet wird, ist die Situation im Bereich der Mineralwolle ein wenig anders. Dort ist das große Thema das derzeit für ab dem Jahr 2027 vorgesehene Deponierungsverbot.

Der Vorsitzende der Fachvereinigung Mineralwollindustrie (FMI) Udo Klamminger (gleichzeitig Geschäftsführer von Knauf Insulation) hat sich zum Ziel gesetzt, gemeinsam mit den verantwortlichen Stellen in der Politik eine praxistaugliche Übergangsregelung bis zum Eintritt des Verbots festzulegen.

Das Deponierungsverbot soll sowohl für alte (vor 1996 produziert und möglicherweise gesundheitsgefährdende) als auch neue (zertifizierte) Mineralwolle gelten. Klamminger: „Bis 2017 wurde ja alles gemeinsam auf die Deponie gebracht und niemand hat Fragen gestellt. Mit der Baustoffrecyclingverordnung hat man begonnen zu trennen, damit ist Dynamik in das Thema gekommen. Mittlerweile sind wir im Bezug auf Trennung schon sehr weit.“

Das Ziel der FMI ist derzeit, die Frist bis zum Eintreten des Deponieverbots auf 2030 zu verlängern, um mehr Zeit für technische Lösungen zu haben. Udo Klamminger: „Das EU-Recht würde das ja hergeben, aber wir betreiben da in Österreich Goldplating und haben den Zeitpunkt um drei Jahre nach vorne verlegt.“

Das Problem beim Mineralwolle-Recycling ist die Komplexität: es kommen nicht nur alte und neue Materialien in den Prozess, sondern hat auch jeder der vier Hersteller Isover, Ursa, Rockwool und Knauf Insulation und innerhalb der Hersteller noch jedes einzelne Werk hat darüber hinaus seine eigene chemische Rezeptur. „Man kann daher nicht alte Wolle von zB Rockwool in ein Knauf-Werk geben und glauben, dass man am Ende des Prozesses das herausbekommt, was man standardisiert in den jeweiligen Datenblättern hat.“ Zusätzlich verschärft wird die Problematik dadurch, dass sich die Produkte nicht (wie es etwa im XPS-Bereich gebräuchlich ist) farblich unterscheiden. „Die gesamte Industrie hat es verabsäumt, rund um das Jahr 2000 ihre Produkte zu kennzeichnen und man weiß daher meistens nicht, was man im Rückbau vor sich hat.“

Gegenüber der Verwertung der als eigene bekannten Rückbaumaterialien haben diese großteils unspezifizierten Materialien einen Anteil von neunzig Prozent und mehr.

Eigene Linien für jedes Werk

Man arbeitet daher gerade intensiv an eigenen Linien mit eigenen Hochtemperatur-Schmelzverfahren, bei denen es egal sein muss, welche Rezeptur im eingebrachten Material verwendet wurde. „Unten muss dann ein Produkt herauskommen, das ziemlich sicher völlig andere technische Daten hat als das, was die Unternehmen in ihren Standardproduktkatalogen haben. Wir brauchen auch Produkte für neue Anwendungen, die vielleicht andere Parameter haben.“ Das könnten etwa Schachteinblasdämmungen sein oder andere Anwendungen, bei denen Lambda-Wert oder Abrissfestigkeit nicht so im Detail spezifiziert werden müssen wie etwa bei einer Fassade. Die FMI ist derzeit in Versuchen unter anderem mit der Montanuniversität Leoben, ob man diese Produkte zB in den Straßen- und Tunnelbau einbringen oder anderweitig als Füllstoff verwenden kann. „Wir sind da schon sehr weit und schaffen im Kleinen, also in den je eigenen Werken mit den je eigenen Produkten, schon einiges“, sagt Klamminger.

„Wir stehen ja voll hinter dem Recyclinggedanken“, sagt der FMI-Vorsitzende, „aber wir brauchen mehr Zeit.“ Das finde außerdem vor dem Hintergrund des immer teurer werdenden Bauens statt, welches sich durch den Zwang zur Wiederaufbereitung verschärfen würde. „Das größte Problem ist die Logistik. Es gibt in Österreich kein einziges Mineralwollewerk mehr, damit muss das alles außer Landes gebracht werden.“ Das sei ja auch kein Wunder, denn Mineralwollewerke seien mit einigen hundert Millionen Euro an Investitionssumme um einiges teurer als EPS- und XPS-Werke und müssten rund um die Uhr laufen, was in einem Markt wie Österreich nicht zu machen wäre. Knauf Insulation Österreich etwa würde derzeit von acht verschiedenen Knauf Insulation-Werken bedient, von denen jedes spezifische Produkte fertigt. Auch das wirkt sich klarerweise auf die Identifizierbarkeit von vor mehreren Jahrzehnten produzierten Materialien beim Rückbau aus.

Klamminger denkt, dass die Sammlung der unterschiedlichen Produkte in Zukunft regional geschehen wird. „Außerdem wird sich das auf die neuen Aufträge in der Sanierung auswirken, weil es darum gehen wird, wie der Rückbau gehandhabt werden kann und muss und welche Kosten er verursacht. Dabei spielt der Transport kostenseitig natürlich eine große Rolle und wir brauchen uns nicht vorzumachen, dass das in Zukunft billiger wird.“

Teure Recyclingprodukte

Die FMI befindet sich mit ihren Bemühungen derzeit in einem interessanten Spannungsfeld. Die Tonne Mineralwolle kostet derzeit laut Udo Klamminger in der Wiederaufbereitung ca. 1.500 Euro, während die Neukosten nur etwa 1.000 Euro betragen, „also die Perversion schlechthin.“ Andererseits würden diese hohen Kosten dafür sorgen, dass man sich tatsächliche ernsthafte Gedanken über Geschäftsmodelle macht und alles genau und intensiv durchdenkt. „Damit sind auch Investitionen in Forschung und Entwicklung gewährleistet und es kommt etwas Intelligentes dabei heraus. Am Ende des Tages geht es ja immer ums Geld – und wenn ich das zurückzugebende Produkt nicht als Abfall, sondern als Rohstoff bezeichne und behandle, bekommt das Ganze erste eine Dynamik und es entsteht eine Kreislaufwirtschaft.“ Das Material könnte zB in Österreich vorgeschreddert werden und dann auf dem Schienenweg an den jeweiligen Wiederaufbereitungsort gebracht werden. „Das gehört geplant und sauber aufgegleist und Corona hat das nicht gerade erleichtert.“

Zudem sollte vor allem in Rücksichtnahme auf private Bauherren die Deponierung von Kleinmengen von bis zu drei Tonnen Mineralwolle pro Objekt noch möglich sein und die verpflichtende Vorbehandlung von Mineralwolle-Abfällen in der Deponie bis 2030 soll verhindert werden. Eine Nachweisführung, ob es sich um alte oder neue Wolle handelt, sollte über ohnehin vorzulegende Dokumente wie Rechnungen, Lieferscheine, Herstellerzertifikate, Abfallinformationen ausreichend belegt sein.

Klamminger: „Gerade nach dem wirtschaftlich so herausfordernden Jahr 2020 muss unser Anliegen sehr aktiv weitergetrieben werden. Es betrifft ja nicht nur die Sicherung von mehr als 300.000 Arbeitsplätzen, sondern auch die österreichischen Klimaziele und die Gewährleistung der Baukonjunktur!“

Problem Grauimporte

Und als ob das alles nicht schon genug wäre, kämpft der Mineralwollemarkt noch mit Grauimporten von möglicherweise gesundheitlich nicht unbedenklichem Material aus dem östlichen Ausland, das oft gemeinsam mit Subunternehmern ins Land käme. „Dafür gibt es einen Markt und da meine ich jetzt nicht den kleinen Häuslbauer, sondern namhafte Baufirmen. Da gehen wir als FMI wirklich rigoros vor. Einige reagieren darauf, aber es gibt auch welche, die dagegen resistent sind und sagen: wenn ich um 15 Prozent billiger einkaufen kann, dann mache ich das.“