Frauen am Bau : Mehr Frauen am Bau - was die "großen Männer" denken
Container mit Posters von leicht bekleideten Damen drinnen, dazu das berühmt-berüchtigte Nachpfeifen. Oder auch: "Eine Frau als unsere neue Bauleiterin? Da werden wir uns einmal anschauen, was sie kann!" - Ganz vorbei sind diese Zeiten nicht, so ehrlich müssen wir sein. Aber dass die Bauwirtschaft insgesamt weiblicher wird, daran besteht kein Zweifel. Warum sie das wird und werden muss und auf welche Weise sie das werden muss, darüber gehen die Ansichten aber gehörig auseinander. Wir haben dazu die Chefs der fünf größten Baufirmen Österreichs persönlich befragt und bringen hier einige Aussagen.
Die vollständigen Interviews und die von den Meinungen der Top-Five-Chefs teils abweichenden Ergebnisse einer SOLID-Umfrage finden Sie im ePaper von SOLID 11/2017!
SOLID: Sie haben anlässlich Ihrer Wahl zur Baupersönlicheit des Jahres im Frühjahr 2017 auf die Frage, womit Sie in Ihrer Firma nicht so zufrieden wären, geantwortet: der Frauen-Anteil ist zu klein. Warum ist er zu klein? Weil es eine Vorschrift gibt, weil es opportun ist oder aus anderen Gründen?
Thomas Birtel: Kaufmännisch haben wir ja eine sehr hohe Frauenquote, bis auf das Management. Das Thema ist aber die technische Seite - und da gibt es eine deutlich kleinere Grundgesamtheit an überhaupt verfügbaren Frauen. Aber wenn sie sich heutzutage die Absolventenzahlen der verschiedenen bautechnischen Ausbildungsstätten anschauen, gibt es mehr weibliche Absolventen, als wir anteilig im Bestand haben, ca. 20-30 vs. 15%. An diesen Durchschnitt wollen wir näher dran.
Wie schaffen sie das?
Birtel: Wenn sie sich die Einstellungszahlen ansehen, liegen wir sicher auf dem Niveau dieses Durchschnitts. In der Betrachtung von ganzen Berufskarrieren vom ersten Berufstag bis zum 25. Berufsjahr natürlich nicht.
Das Problem ist aber das Halten. Da stellen wir leider Gottes fest, dass wir da mit einem relativ kurzen Zeitraum von fünf Jahren deutlich zurück liegen.
Welche Gründe sind dafür verantwortlich?
Birtel: Der Klassiker ist das Bilden einer Familie und dann nicht mehr zurückzukehren. Das ist aber nicht das einzige. Das zweite ist: wenn sie sich die Herkunft von Damen anschauen, die sich fürs Bauingenieurwesen oder andere bautechnische Berufe interessieren, stellen sie fest, dass ein siginifikant großer Anteil aus Familien stammt, die über einen elterlichen Betrieb dazu Beziehung haben. Da steigt man dann gerne in einem Großkonzern ein und nimmt eine - wie ich glaube - sehr gute Ausbildung mit einem breiten Strauß an Erfahrungen mit. Aber irgendwann dann geht man zurück in den elterlichen Betrieb. - Ein dritter Teil, der für uns erkennbar ist, ist der, der ein paar Jahre nach dem Einstieg in die bauindustrielle Praxis in baunahe Unternehmen wechselt, die vielleicht tendenziell familienfreundlichere Zeiten anbieten können, weil sie keine Baustellen haben - Planungsbüros, Ziviltechnikerbüros etc.
Was tun Sie an den Ausbildungsstätten?
Birtel: Wir machen kein geschlechtsspezifisches Hochschulmarketing. Wir sind dort generell im War of Talents, weil die Fachkräfte in den MINT-Berufen generell wirklich knapp sind. Es gibt Hochschulmessen, Kooperationen, die mit Lehrveranstaltungen zusammenhängen können, das Sponsoring von Preisen für gute Leistungen oder das Veranstalten von Abschlussfeiern in unseren Räumlichkeiten, um uns für Absolventen sichtbar zu machen. Und wir machen auch deutlich, dass wir schon während des Studiums Möglichkeiten mit Praktika eröffnen. Wer einmal mit uns in Berührung gekommen ist, von dem hoffen wir, dass er uns auf dem Schirm hat, wenn es um die Arbeitgeberentscheidung geht. Der qualifizierte Nachwuchs ist so knapp - da kann man nicht die Hälfte der Menschheit außen vor lassen.
Wo wollen Sie hin beim Frauenanteil?
Birtel: Das Ziel ist: es muss immer ein bisschen mehr werden. Wir haben keine Quote fixiert. Hans-Peter Haselsteiner hat das 2013 auf die Reise gebracht und wir sagen: ein realistisches Ziel ist, immer ein bisschen besser zu werden. Es muss ein Fortschritt nachhaltig erkennbar sein, ähnlich wie beim Ergebnis.
Gibt es etwas, das Frauen besser können?
Birtel: Sachlich würde ich sagen nein. Bei den Soft Skills sieht man vielleicht etwas mehr Kompromissbereitschaft und ein bisschen mehr Empathie und weniger Aggressivität. Ich selber kann aber nicht sagen, dass ich immer die Damen als ausgleichend und die Herren als aufeinander eindreschend erlebt habe.
Die vollständigen Interviews und die von den Meinungen der Top-Five-Chefs teils abweichenden Ergebnisse einer SOLID-Umfrage finden Sie im ePaper von SOLID 11/2017!
SOLID: Wie zufrieden sind Sie mit dem Frauenanteil bei der Porr?
Karl-Heinz Strauss: Im technischen Teil sind Frauen viel zu sehr in der Minderzahl. Das führe ich auf mehrere Faktoren zurück. Der erste ist natürlich - und wir reden hier von Projektleiter-, Polier- und ähnlichen Funktionen -, dass viele Damen vor der Technik zurück schrecken. Das nächste Thema: das Baugeschäft ist ein sehr mobiles Geschäft. Die Baustelle ist oft nicht vor der Haustüre, das bevorzugt schon Männer. Und das dritte ist: Bauen ist einfach eine alte Männerdomäne, wovor Frauen manchmal eine Scheu haben.
Das sind unterschiedliche Aspekte - bei welchem kann man was tun?
Strauss: Die Porr geht neue Wege, es geht um Work und Life at Porr. Wir müssen in der Lage sein, Zwänge aus dem Projektgeschäft mit berechtigten Anliegen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie Familie, Gesundheit etc. in Einklang zu bringen. Nur wenn wir das schaffen, sind die Menschen langfristig leistungs- und einsatzbereit und nutzen damit dem Unternehmen am meisten.
Hinter jedem und jeder am Bau Beschäftigten muss eine starke Familie oder ein starker Partner stehen, weil das Projektgeschäft eben Zwänge kennt, denen man nicht ausweichen kann. Aber wir haben auch Eltern-Kind-Büros, wenn es einmal nicht möglich ist, das Kind zu Hause zu betreuen. Flying Nannys für späte Besprechungen etc.
Warum wollen Sie eigentlich mehr Frauen im Betrieb?
Ein Grund ist, weil es nicht genug Männer gibt. Bei dem beschränkten Output, den die technischen Ausbildungsstätten nun einmal haben, ist unsere einzige Chance in der Porr, den Frauenanteil drastisch zu erhöhen.
Wenn Frauen auf der Baustelle sind, ist außerdem der Ton schon ein anderer. Frauen sind auch sehr detailverliebt - auch wenn ich jetzt nicht ein Klischee durch ein anderes ersetzen will. Ich bin einfach der Meinung, dass gerade die Kombination Männer und Frauen sehr gut ist. Das schöne ist das Miteinander.
Wie wollen Sie das erreichen?
Strauss: Durch bewusste Förderung, aber nicht Bevorzugung. Das ist eine Regel in der Porr. Und man muss früh beginnen, die Angst vor Technik und Bau zu nehmen. Ich habe selbst erlebt, dasss eine Betriebswirtschaftstudentin bei uns ein Praktikum gemacht hat und dabei auf eine Baustelle gekommen ist. Sie hat im Spezialtiefbau ein paar Berechnungen gemacht, die unmittelbar draußen umgesetzt worden sind, und ist dann zu mir gekommen und hat gesagt: wenn ich das früher gewusst hätte, hätte ich nicht Betriebswirtschaft studiert!
Es geht um diese Aha-Erlebnisse. Die meisten verbinden Bau ja mit schwerer manueller Arbeit - aber es gibt genug Themen am Bau, wo das gar kein Thema ist."
Gibt es bei Ihnen eigene Frauenförderungs-Veranstaltungen?
Strauss: Wir haben die Initiative Woman@porr. Aber ich glaube: die Frauen sollen nicht nur untereinander darüber reden, sondern auch aus ihren Zirkeln hinaus gehen und sagen, was sie möchten. Wir haben daher parallel einen sogenannten Tisch der Vielfalt, wo Themen, die die Gleichstellung betreffen, im Mix diskutiert werden. Ziel ist, das reine Frauennetzwerk gar nicht so zu brauchen. An diesem Tisch der Vielfalt sitzen viele Ebenen, Kulturen und Altersgruppen, nicht nur Männer und Frauen.
Was sagen Sie zur verpflichtenden Aufsichtsratsquote von 30 Prozent?
Strauss: Da habe ich zwei Herzen in meiner Brust. Ich bin prinzipiell gegen jede Art von Reglementierungen, weil ich davon überzeugt bin, dass sich das Beste so oder so durchsetzen wird. Ich muss aber in diesem speziellen Fall auch anerkennen, dass der erste Schub ohne eine Reglementierung nicht gehen wird.
Ich glaube aber, dass sich durch eine Aufsichtsratsquote im Unternehmen nichts ändern wird, wenn das Unternehmen sich nicht generell umstellt und versucht, Frauen in Positionen zu fördern und in Führungspositionen zu bringen.
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SOLID: Wie steht es um den Frauenanteil bei Swietelsky? Sind Sie zufrieden?
Weidlinger: Im technischen Bereich ist Aufholbedarf gegeben. Das muss aber bereits bei der Motivation im Kleinstkindesalter beginnen, indem auch Mädchen für Technik begeistert werden. Das bedeutet, dass die Früchte dieser Motivation frühestens in 15 – 20 Jahren zu ernten sein werden, wenn sofort begonnen wird.
Warum will man eigentlich mehr Frauen "am Bau“?
Weidlinger: In unserem Betrieb haben wir mit Frauen als Technikerinnen bisher immer gute Erfahrungen gemacht. Eine Frau im Team bringt oftmals ein angenehmeres Klima bei Diskussionen. Außerdem wird man mit Männern alleine den Bedarf an Technikern nicht decken können.
Was sagen Sie grundsätzlich zu verpflichtenden Frauenquoten - wie etwa 30% in AR verpflichtend ab 1.1.2018?
Weidlinger: Von einer verpflichtenden Quote halte ich grundsätzlich nicht viel. Erst mit der Breite an Frauen in der Technik wird die Spitze wachsen. Ich denke, eine Quote schadet dem Image der Frauen allgemein, denn damit werden auch qualifizierte Frauen als Quotenfrau gebrandmarkt.
Gibt es bei Ihnen im Betrieb Vorzeigefrauen?
Weidlinger: Unsere Vorzeigefrauen zeige ich lieber nicht vor, denn sonst werden sie uns weggeschnappt.
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SOLID: Wie sehen Sie die Perspektive von und für Frauen in Ihrer Firma?
Hubert Wetschnig: Der gesamte Frauenanteil liegt bei uns bei 10 % . Damit liegen wir klar über dem Durchschnitt der Bauindustrie Österreichs, der im selben Zeitraum bei 8,2% lt. WKO lag. Bei den Techniker/innen haben wir einen weiblichen Anteil in der Höhe von 8 % . Wir sind davon überzeugt, dass in den kommenden Jahren die Zahl der weiblichen Kolleginnen weiter steigen wird.
Was ist der Grund für den Wunsch nach mehr Frauen am Bau?
Wetschnig: Es ist nachgewiesen, dass Firmen mit hohem Frauenanteil ein besseres Arbeitsklima bieten und die damit verbundene erhöhte soziale Kompetenz zu einem besseren Unternehmensergebnis beiträgt.
Was sagen Sie grundsätzlich zu verpflichtenden Frauenquoten?
Wetschnig: Wir sind in einer Branche tätig, in der wir die Erfüllung einer verpflichtenden Quote wie 30 Prozent Frauen im Aufsichtsrat in einer kurzen Zeitspanne nur schwer erfüllen werden können. Nur 20% aller Absolventen technischer Studien sind etwa überhaupt weiblich - auch wenn ein technisches Studium für den Aufsichtsrat natürlich nicht nötig ist. Ich denke aber, es ist wichtig, schon sehr früh Mädchen bzw. junge Frauen für technische Berufe zu begeistern. Da muss meiner Meinung nach bereits in den Schulen angesetzt werden.
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SOLID: Wie zufrieden sind Sie mit der Frauensituation in Ihrem Betrieb?
Hubert Rhomberg: Zufriedenheit ist der Feind der Entwicklung und der Veränderungsbereitschaft. Aber nicht nur deshalb wollen wir nicht zufrieden sein. Aktuell sind von unseren 540 174 Frauen, in Führungspositionen sind acht unserer Damen angestellt. Insgesamt haben wir aber Potenzial für mehr Frauen bei Rhomberg.
Was treibt den Trend zu mehr Frauen in der Bauwirtschaft?
Rhomberg: Wir suchen generell gute, qualifizierte, engagierte Mitarbeitende. Da ist es erst einmal egal, um welches Geschlecht, welche Staatsangehörigkeit, welche Religion oder welche Wasaauchimmer es geht! Wenn wir also auf der Suche nach neuen Mitarbeitenden sind, wäre es fahrlässig und sogar gefährlich, per se die Hälfte der Bevölkerung auszuschließen.
Unsere tägliche Praxis zeigt aber sowieso, dass Frauen am Bau sehr wohl ihren Mann stehen – als Bauleiterin im Wohn- und Gewerbebau oder im Bauen im Bestand ebenso wie auf der Baustelle selbst. Aktuell haben wir bspw. zwei weibliche Maurerlehrlinge – was uns sehr stolz macht. Immerhin sind unter den österreichweit gut 3 000 Lehrlingen in diesem Gewerk insgesamt gerade einmal 26 Damen zu finden.
Was ist der weitere Plan?
Rhomberg: Die Geschäftsführungsebene der Rhomberg Gruppe ist klar männerlastig. Unser Wunsch und unser Bestreben ist es, dass auch Frauen hier Verantwortung übernehmen. Dies aber nicht, um eine Quote zu erfüllen, sondern weil es passt und das Unternehmen nach vorne bringt.
Gibt es Frauen, die Sie besonders bewundern?
Rhomberg: Generell bin ich ein großer Fan von Astrid Lindgren. Ihre Phantasie und die Freude, die Sie mit Ihrem Werk verbreitet, finde ich sehr inspirierend.
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