SOLID 10/ 2014 : Marktanalyse Tiefbau - Licht am Anfang des Tunnels
Aktive Mitgliedschaft erforderlich
Das WEKA PRIME Digital-Jahresabo gewährt Ihnen exklusive Vorteile. Jetzt WEKA PRIME Mitglied werden!
Sie haben bereits eine PRIME Mitgliedschaft?
Bitte melden Sie sich hier an.
Es sind keine einfachen Zeiten für die traditionsreichen heimischen Tiefbaubetriebe – vor allem im Bereich der staatlichen Aufträge beherrscht die Flaute das Bild. Zwar soll der Tiefbau heuer nach jahrelangen Rückgängen die Trendwende schaffen, wie die jüngsten Prognosen des österreichischen Wifo und des europäischen Forschungsnetzwerks Euroconstruct vorhersagen.
Doch seine jüngste Prognose vom August hat das Wifo wieder heruntergeschraubt – in der Sachgütererzeugung erwarten die Konjunkturforscher für heuer ein Plus von nur einem Prozent. Allerdings kann sich die heimische Bauwirtschaft bisher deutlich vom allgemeinen Trend abheben. Diesen September hat die Statistik Austria Zahlen vorgelegt, wonach der Bau in den ersten fünf Monaten dieses Jahres ein Umsatzplus von satten sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erwirtschaftet hat. Symbolträchtiger Kauf der GPSBeim Blick auf 2015 bleiben heimische Konjunkturforscher verhalten optimistisch: Gerade weil im Tiefbau jahrelag deutlich weniger Geld geflossen sei, seien mittelfristig Investitionen in die Infrastruktur unausweichlich. Ein anderer positiver Impuls kommt über Umwege. Die Milliardenpleite der Alpine hat die gesamte Branche erschüttert, seither wird der Kuchen auch im Tiefbau neu verteilt. Das berühmteste Beispiel ist der im Vorjahr erfolgte Verkauf der Grund- Pfahl- und Sonderbau (GPS) aus der Konkursmasse der Alpine an die Porr. Dass die aktuelle Nummer zwei der heimischen Baubranche unbedingt GPS schlucken wollte, ist nicht ohne eine eigene Symbolkraft – denn die ehemalige Alpine-Tochter ist eines der namhaften Mitglieder der Tiefbaubranche. Seit Jahrzehnten spezialisiert sich der Betrieb auf Schlitzwände, Bohrpfähle, Düsenstrahlverfahren & Co. Doch die Alpine-Pleite hat trotzdem nicht die große Erleichterung am Markt gebracht – im Gegenteil. Sowohl Strabag-Chef Thomas Birtel als auch Karl-Heinz Strauss von der Porr haben bekanntlich zugegeben, dass sie trotz des Wegfalls von Alpine mit einer weiteren Marktbereinigung rechnen. Auch Thomas Pirkner, Geschäftsführer des Spezialtiefbau-Fachverbands VÖBU, meint: „Der Verdrängungswettbewerb ist in der Branche leider allgegenwärtig.“ In diesem Zusammenhang ist in den letzten Monaten auch wiederholt Kritik an der üblichen Auftragsvergabe laut geworden – und zwar nach dem „beliebten“ Billigstbieterverfahren. Eine Methode, mit der staatliche Stellen Geld sparen wollen, um dann am Ende oft genug drauf zu zahlen.Positive Signale mit SeltenheitswertIm hochrangigen Straßennetz sorgt heuer vor allem das millionenschwere Bauprogramm der Asfinag für positive Signale in der Branche an allen Ecken des Landes. In Wien setzt die Entscheidung für den Bau der neue U-Bahn U5 zumindest ein atmosphärisches Zeichen – gebaut wird erst ab 2018, aber die Probebohrungen sollen noch diesen September starten. Anderswo im Tiefbau haben große Aufträge Seltenheitswert. Das gilt vor allem für den Bereich des niederrangigen Strassennetzes – hier sind bedeutende Bauvorhaben rar. „Aufgrund der Budgetlage der Gemeinden und Länder sehe ich in absehbarer Zukunft keine deutlichen Verbesserungen in der allgemeinen Auftragslage“, so Thomas Pirkner vom Fachverband VÖBU. Umso mehr Aufmerksamkeit bekommen derzeit einige besondere Bauprojekte der ÖBB. Die Bundesbahnen stehen bekanntlich nicht nur hinter dem größten Bahnhofsneubau der Republik mitsamt der Umgestaltung der gesamten Infrastruktur rund um Wien (SOLID berichtete in der Juli-Ausgabe). Sondern sie treiben auch die Megaprojekte Semmering-Basistunnel und Koralmtunnel voran. Die ÖBB beziffern die gesamten Investitionen in die Südstrecke, die bis 2025 fertig werden soll, mit insgesamt über elf Milliarden Euro – wobei Kritiker mit weitaus höheren Ausgaben rechnen. Deshalb sind die Milliardenprojekte nicht nur in weiten Teilen der Öffentlichkeit, sondern selbst innerhalb der Baubranche stark umstritten – denn mit dem vielen Geld ließen sich sehr viele Wohnhäuser, Schulen und Kindergärten bauen, so die Kritiker. Problemprojekt Semmering-TunnelEntsprechend stark weht den ÖBB der Gegenwind ins Gesicht, wie vor allem der Bau des Semmering-Tunnels zeigt. Wiederholt konnten Anrainer und Umweltschützer einen Baustopp erzwingen, seit diesem Sommer geht der Tunnelbau weiter. Das freut nicht nur den heimischen Bauriesen Swietelsky, sondern auch seinen Schweizer Arge-Partner Implenia. Neben einigen Osteuropäern zeigen in diesen Wochen ausgerechnet die Schweizer immer wieder Ambitionen, im Garten des Alpennachbarn zu wildern. Dass sie selbst den heimischen Tiefbaufirmen nicht einmal einen Fuß breit vom eigenen Markt überlassen, steht auf einem anderen Blatt. Vollbetrieb auf dem Baulos KAT3Die Arbeiten am Koralmtunnel gehen derzeit ohne große Unterbrechungen voran. Wenn der knapp 33 Kilometer lange Tunnel eines Tages fertig ist, wird er zu den längsten Tunnelbauwerken der Welt zählen. Der Koralmtunnel ist seinerseits zentraler Teil der 130 Kilometer langen Koralmbahn, deren Bau mit 5,4 Milliarden Euro veranschlagt wird. Sie soll bis 2020 fertig sein und dann zum ersten Mal Graz und Klagenfurt direkt miteinander verbinden. Jetzt im September passiert ein großer Teil der Arbeiten auf dem Baulos KAT3. Diesen 300 Millionen Euro schweren Auftrag konnte der Baukonzern Porr bei einer europaweiten Ausschreibung als Billigstbieter gewinnen. In diesen Tagen treiben Mineure der Porr zwei Tunnelröhren durch den Berg in Richtung Steiermark. Bei der Südröhre wird durchgehend im Bagger- und Sprengvortrieb aufgefahren. Dabei wird der bereits bestehende 8,2 Kilometer lange Sondierstollen bis zum Vollprofil aufgeweitet. Zusätzlich errichtet die Mannschaft 2,7 Kilometer im Vollprofil mittels "Neuer Österreichischer Tunnelbaumethode" (NÖT). Die Vortriebslängen in der Steiermark betragen in der Südröhre über zehn Kilometern bei einer täglichen Vortriebslänge von bis zu 43 Metern. Die Nordröhre mit einer Länge von 12,6 Kilometer wird vorwiegend mit dem Einsatz einer Tunnelvortriebsmaschine aufgefahren. Die Bauingenieure der Porr erwarten den Tunneldurchschlag zum Baulos KAT2 in der Südröhre 2016 und in der Nordröhre 2018. Drei neue Projekte sorgen für GesprächsstoffEin besonderes Gesprächsthema der Branche ist in diesen Tagen allerdings nicht das Baulos KAT3, sondern drei neue Bauprojekte auf der Kärntner Strecke der Koralmbahn, die erst ab dem nächsten Jahr begonnen werden. SOLID stellt hier exklusiv diese drei Vorhaben vor, die sich gerade in diesen Tagen in der Vergabephase befinden. Das Finanzvolumen dieser Projekte soll einen niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionenbetrag ausmachen, wie es aus der Baubranche heißt. Die ÖBB wollten diese Summe auf Anfrage von SOLID weder bestätigen noch dementieren. Die Eckdaten stehen allerdings fest: Nach Ablauf der Vergabephase werde "in der zweiten Jahreshälfte 2014 entschieden", so ÖBB-Sprecher Christoph Posch. Baubeginn soll dann im Laufe des Jahres 2015 sein. Die Vorarbeiten für die Projekte sind bereits voll im Gang. So hat die Baufirma Kostmann aus St. Andrä im Lavanttal vor Kurzem in Millimeterarbeit eine Hilfsbrücke im Bereich Hörzendorf errichtet. Insgesamt müssen nach Angaben der ÖBB vor Baubeginn der Tunnelkette noch bis Ende 2014 rund 300.000 Kubikmeter Erdreich bewegt und rund fünf Kilometer Baustraßen und Wirtschaftswege angelegt werden.Und wer bei den drei großen Vorhaben nicht zum Zug kommt, für den hält ÖBB-Sprecher Christoph Posch aufbauende Ankündigung bereit: "Die Koralmbahn ist lang, da werden sich schon noch einige weitere Großvorhaben finden." So wollen die ÖBB ab dem nächsten Jahr weitere millionenschwere Projekte ausschreiben. (SOLID 10 / 2014)
__________________
Drei ÖBB-Großprojekte in der Vergabephase Eckdaten:
Teil von: Neubau der Koralmbahn
Finanzvolumen: Niedriger bis mittlerer dreistelliger Millionenbetrag. Keine näheren Angaben von den ÖBB.
Status: In der Vergabephase. Entscheidung laut ÖBB "in der zweiten Jahreshälfte", laut Beobachtern in wenigen Wochen.
Baubeginn: Ab Jänner 2015
(1) Tunnelkette St. Kanzian (Kärnten) Für die Tunnelkette St. Kanzian auf der Kärntner Seite der Koralmahn wird jetzt das Baufeld freigemacht, damit der Bau im nächsten Jahr starten kann. Dabei geht es um zwei Bautunnel: In Untersammelsdorf (665 Meter) und in Srejach (620 Meter) sowie eine Grünbrücke in Peratschitzen (230 Meter). Derzeit errichten regionale Baubetriebe im geologisch schwierigen Terrain umfangreiche Drainsysteme und führen Auflastschüttungen durch. Auch eine neue Strecke für die Regionalbahn wird gerade verlegt. (2) Ausbau zwischen Klagenfurt und Grafenstein-AlthofenIm August veröffentlichten die ÖBB die Ausschreibung auf der Strecke zwischen Klagenfurt und Grafenstein-Althofen. Auf rund 15 Kilometern Länge geht es um zwei Gleise und vier größere Eisenbahnbrückentragwerke. Baubeginn ist im April 2015 vorgesehen, die Bauzeit veranschlagen die Bundesbahnen mit etwa zwei Jahren. Über die Vergabe entscheiden sie im heuer vierten Quartal. (3) Tunnelkette GranitztalDie Entscheidung zur Vergabe dieses Projekts stand bis Redaktionsschluss nicht fest, wird aber in den nächsten Tagen erwartet. Im Mittelpunkt steht der Vortrieb des Tunnels Deutsch-Grutschen mit etwa 2,6 Kilometer Länge, dann des Tunnels Langer Berg mit etwa 2,9 Kilometern Länge, beide in "geschlossener Bauweise". Dazu kommen Begleitmaßnahmen wie Wasserbau oder Straßenbau sowie die Verbindung zwischen diesen Tunneln in offener Bauweise auf einer Länge von etwa 600 Metern. Zeitgleich sind gerade geologische Dokumentation und Beratungsleistungen als Projekt ausgeschrieben – denn diese Tunnelprojekte sind alles andere als einfach. Sie erreichen nach den Worten von Christoph Posch ein Gefälle von bis zu neun Promille. Schon ab Jänner 2015 soll der Bau beginnen und etwa 2019 im Rohbau fertig sein. Die Inbetriebnahme ist für 2022 bis 2023 vorgesehen.
(SOLID 10 / 2014)