SOLID 12/2014 - 01/2015 : Marktanalyse Massivbau: Stabile Werte unter Druck
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Hätte die Massivbaubranche ein heimliches Lieblingsmärchen, wäre es vermutlich das von den drei kleinen Schweinchen. Sie lebten einst in drei Häuschen: aus Stroh, aus Holz und aus Stein. Dann kam ein Wolf und pustete zwei Häuser weg. Die zwei Schweinchen retteten sich zuerst zu ihrem Kameraden ins Steinhaus – und überlisteten danach auch den Wolf. Ein alter englischer Volksmythos, der bis heute in vielen Ländern sehr lebendig zu sein scheint – auch und gerade in Österreich. So hat das Linzer Market Institut im Auftrag der Initiative „Bau!Massiv!“ rund 1000 Österreicher gefragt, für welche Bauweise sie sich entscheiden würden. Das Ergebnis war mehr als eindeutig.Drei Viertel der hierzulande Befragten würden sich auch heute für einen Massivbau entscheiden. Die Bauweise punktet mit Stabilität, Langlebigkeit oder einer hohen energetischen Speichermasse im Sommer wie im Winter. Tatsächlich gilt Ziegel als ein Baustoff für die Ewigkeit – formbeständig, praktisch unverrottbar auch bei widrigsten Umwelteinflüssen, hervorragend bei Schallschutz, Wärmedämmung und hoch ökologisch. Und Beton darf aufgrund seiner Vielseitigkeit als „meistverwendeter Baustoff der Welt“ gerühmt werden. Zusätzlich ist im Wohnbau auch der Kostenfaktor entscheidend, und dieser Bereich ist seit jeher der wichtigste Treiber für das Geschehen im Massivbau.Für die Betriebe ist damit die Entwicklung des Wohnbaus von zentraler Bedeutung. Den Wohnbau prägt einerseits die Gesamtkonjunktur, andererseits die Schritte der Politik – und schließlich besonders jetzt auch das Problem des Lohndumping durch neue Billigstbieter.
SOLID fasst hier den aktuellen Stand der Themen zusammen, die für die Konjunktur bei Baustoffherstellern und Massivbaufirmen am wichtwichtigen sind - und bringt aktuelle Einschätzungen zum Verlauf des Jahres 2015.Erste Zahlen zu 2014: „Leicht positiv"
Das heurige Jahr wird die Branche nach ersten Schätzungen mit einem leichten Plus abschließen – im Vergleich zu den Einbrüchen 2013 wegen des harten Winters gingen die Bauarbeiten heuer schon Mitte Jänner los. Ab dem Sommer habe sich das Geschehen deutlich abgekühlt, so heimische Marktbeobachter, trotzdem dürfte sich das Ergebnis auf dem Niveau des ganz passablem Jahres 2012 einpendeln. Das spiegelt sich in den aktuellen Zahlen der Fachverbände. Der jüngste Konjunkturbarometer des Verbandes Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke (VÖB) weist eine leicht positive Umsatzentwicklung unter seinen Mitgliedern aus. 39 Prozent gaben an, dass ihr Umsatz im ersten Halbjahr gewachsen sei, bei 29 blieb er gleich. Für das zweite Halbjahr ist jeder dritte Betrieb eher skeptisch eingestellt, etwa 40 Prozent erwarten keine Änderung und 23 Prozent ein Umsatzplus. Auch der Fachverband der Stein- und keramischen Industrie erwartet nach einem ausgezeichneten ersten Quartal und einer Abkühlung in den Folgemonaten ein leichtes Plus bei seinen Mitgliedern. Treiber sei unter anderem die hohe Nachfrage im Wohnbau gewesen, so Verbandsgeschäftsführer Andreas Pfeiler. Im gesamten Gewerbe und Handwerk rechnet jeder vierte Betrieb mit Rückgängen, so die KMU Forschung Austria. Nur 14 Prozent erwarten steigende Auftragseingänge und Umsätze, 62 Prozent rechnen mit einem gleichbleibenden Niveau. Ein Blick auf 2015 – und Kritik an den Daten selbstWohin die Reise geht, zeigen die Prognosen des Wifo. Ende November korrigierten die Wirtschaftsforscher ihre Konjunkturdaten wieder leicht nach unten – sie erwarten jetzt beim BIP für das heurige Gesamtjahr ein mageres Plus von +0,8 Prozent und für 2015 ein Plus von 1,2 Prozent. Die Oesterreichische Nationalbank ist im Hinblick auf das kommende Jahr etwas pessimistischer: Laut OeNB-Gouverneuer Ewald Nowotny erwarten die heimischen Notenbanker für 2015 nur mehr ein Wachstum von einem Prozent. Zum aktuellen Trend meint Wifo-Experte Marcus Scheiblecker: „Die Konjunktur schwächt sich weiter ab.“ Diese Aussichten sind für viele ein Grund zur Sorge. Für manche jedoch ist auch das Zahlenwerk selbst ein Grund zur Kritik – zum Beispiel für Christian Weinhapl von Wienerberger. Die Konjunkturdaten seien die Basis für sehr viele Entscheidungen, aber gerade für den Bau „außerordentlich schlecht“. Er schlägt vor, den Erhebungsbogen radikal zu vereinfachen. Statt der derzeitigen Schätzungen, die permanent revidiert werden müssen, solle in Zukunft in einem ersten Schritt nur möglichst zeitnah gemeldet werden, was gebaut wird, wie viele Quadratmeter und Wohneinheiten – damit Betriebe und Politik sich danach richten könnten. Baubewilligung von 46.000 WohnungenDenn im Wohnbau sind politische Entscheidungen ein treibender Faktor geworden. Zahlen für heuer liegen noch nicht vor – siehe oben. Im Vorjahr betrugen die staatlichen Wohnbauförderungen insgesamt 2,71 Milliarden Euro, im Jahresabstand war das ein Plus von sechs Prozent. Davon habe vor allem der großvolumige Neubau mit 1,47 Milliarden Euro profitiert, so eine Studie des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen (IIBW). Für das Gesamtjahr wurden Förderungen für 30.300 Wohneinheiten zugesagt, davon 24.100 für den mehrgeschossigen Bau. Die Förderungen von Eigenheimen reduzierten sich dagegen um knapp ein Viertel auf 6.200 Zusicherungen. Die Baubewilligungen beliefen sich im Vorjahr auf 46.000 Neubauwohnungen. Betonelemente profitierenDer starke Trend hin zu Mehrgeschossern komme vor allem dem Absatz von Bauelementen aus Beton zugute, sagt Marktforscher Andreas Kreutzer von Kreutzer, Fischer und Partner: „Betonwände verdrängen den Ziegel aus dem mehrgeschossigen Wohnbau. Ziegel wird heute zu 70 Prozent bei Ein- und Zweifamilienhäusern eingesetzt, und wenn es hier Rückgänge gibt, dann ist das entsprechend beim Ziegelabsatz spürbar. Im sozialen Wohnbau zählen Kosten und die Fläche, deswegen werden oft einfach 15 Zentimeter dicke Wände aus Beton verbaut. Betondoppelwände werden in Großserie produziert und fertig auf die Baustelle geliefert. Das hat sich in den letzten 20 Jahren so durchgesetzt – aus Kostengründen.“Bedarf im Wohnbau wird nicht gedecktReinhold Lindner vom Fachverband der Stein- und keramischen Industrie verweist allerdings auf Studien, wonach die Baubewilligungen im Wohnbau rund zehn Prozent unter dem tatsächlichen Bedarf liegen – weshalb es weiter zu Engpässen kommen werde. Interessensvertreter und Baugewerkschaften trommeln daher für höhere Wohnbauförderungen, doch die Regierungsstellen bleiben hier trotz wiederholter positiver Signale recht vage. Ende November hieß es etwa, die rot-schwarze Koalition plane ein Konjunkturprogramm für den Wohnbau mit einem stattlichen Volumen von 6,5 Milliarden Euro. Neue WohnbauprogrammeIn mehreren Ministerien werde eine neue Wohnbauoffensive vorbereitet, sagte Bundeskanzler Werner Faymann Ende November. Dabei sollen auch Darlehen der Europäischen Investitionsbank und privates Geld genutzt werden, während der Bund Haftungen übernehmen würde – doch genaue Eckdaten gab es bis Redaktionsschluss nicht. Faymann verwies auf die derzeit sehr niedrigen Zinsen, die Maßnahmen begünstigen würden – „aber nur, wenn die Länder auch bereit sind, den Neubau zu stärken.“ Konflikt zwischen Bund und Bundesländern In den Bundesländern hält sich die Begeisterung darüber naturgemäß in Grenzen. Beobachter wie Christian Weinhapl sehen hier den finanziellen Rahmen der Länder bereits erschöpft. Und Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) kritisiert die Vergabekriterien des Bundes: Tirol sei „von den Voraussetzungen her“ nicht in der Lage, die Gelder abzuholen. Auch andere Bundesländer hätten „keine Chance“, so Platter – mit einer Ausnahme. Denn die Wohnbauförderung sei eine „Lex Wien“. Tatsächlich konnte die Bundeshauptstadt Ende November zum Unmut einiger anderer für 2014 die Neuerrichtung von 7.273 Wohnungen melden. Nach den Worten von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) ein Rekordwert. Allerdings machten die hohen Grundstückspreise vielen Bauträgern schwer zu schaffen. Baunormen als KostentreiberNicht nur der teure oder ganz fehlende Baugrund in den Städten erschwert dem Massivbau das Geschäft – es wächst zunehmend auch die Kritik an den Kostentreibern in den zahlreichen Regelwerke. In einem Interview machte Städtebundsprecher Matthias Stadler kürzlich einen „Wust an Vorschriften“, verpflichtende Autostellplätze und „350 neue Ö-Normen pro Jahr“ für die stetige Teuerung im Wohnbau verantwortlich. Neue Regeln zum Brandschutz 2015In wenigen Wochen wird die nächste Regeländerung erwartet, und sie erregt in diesen Tagen besonders den Unmut der Massivbaubranche: Die Änderung der OIB-Richtlinie 2 zum Brandschutz. Entlang dieser Linie schwelt seit Jahren ein erbitterter Streit zwischen dem Massivbau und seinem „natürlichen Feind“, dem Holzbau. Die OIB-Richtlinie 2 schreibt derzeit für ein Haus der Gebäudeklasse GK5 90 Minuten Feuerwiderstand und die Nichtbrennbarkeitsklasse A2 vor. Mit dieser Nichtbrennbarkeitsbestimmung sei das Holz aus dieser Gebäudeklasse ausgeschlossen, erklärt Wolfgang Thoma vom Referat für Bauphysik in der OIB. Deshalb kämpfen Holzbaufirmen seit Jahren für eine Neuformulierung der Richtlinie – und der Massivbau hält ebenso lange dagegen. „Die Absenkung lehnen wir ab, Massivbau ist sicher“, meint dazu etwa Martin Leitl von Leitl Spannton und Techniksprecher der Stein- und keramischen Industrie. Holzbaufirmen verweisen auf zahlreiche Studien, die den erforderlichen Feuerwiderstand bewiesen hätten. Wie die Diskussion ausgehen wird, will Wolfgang Thoma nicht verraten: „Wir als OIB wollen dazu Anfang 2015 eine Richtlinie vorlegen. Ob das dann die Länder übernehmen oder nicht, ist offen.“ Die Bedrohung LohndumpingDen Alltag auf den Baustellen prägt allerdings seit der Marktöffnung für neue EU-Mitglieder 2011 ein weiteres massives Problem: Lohndumping. „Immer mehr Unternehmen beschäftigen ausländische Mitarbeiter auf Werkvertragsbasis zu Niedriglöhnen und betreiben dadurch Preis- und Sozialdumping“, so der VÖB in einer aktuellen Stellungnahme zum Thema. „Bei Auftragsvergaben ist eine Unsitte eingekehrt“, so Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel bei einer Rede im Parlament. „Dubiose Firmen mit unterentlohntem Fremdpersonal und Scheinselbstständigkeit vernichten unsere regionalen Arbeitsplätze.“ Der Nationalrat im November auf den Druck der Sozialpartner reagiert und im November schärfere Regeln gegen Lohndumping verabschiedet. Demnach werden Lohnkontrollen verschärft: Künftig wird nicht nur das Grundgehalt, sondern das gesamte Entgelt, also auch Überstunden und KV-Bestimmungen, kontrolliert. Wer Lohnunterlagen nicht bereit hält, bekommt Strafen zwischen 1.000 und 10.000 Euro. Trotzdem kritisierte die Opposition, dass etwa das Recht auf Schließen einer Baustelle weiter nicht gegeben sei. Sozialminister Rudolf Hundstorfer kündigte weitere Schritte an. Partner drängen auf neues BundesvergabegesetzBaugewerkschaft und Wirtschaftskammer drängen aber auch auf Änderungen von der anderen Seite – bei der Auftragsvergabe. Mit der Initiative „Faire Vergaben“ wollen sie eine Verankerung des Bestbieterprinzips statt des derzeitigen Billigstbieterprinzips erreichen. Nach einer Enquete im Parlament im November soll im ersten Quartal 2015 die Novelle des Bundesvergabegesetzes im Parlament behandelt werden. Mögliche Kriterien für einen Bestbieter wären etwa Regionalität, ökologische Bauführung, Mitarbeiterschulungen und Qualifikation der Mitarbeiter. Für Baugewerkschafter Josef Muchitsch sind vor allem drei Punkte entscheidend, die einen Bestbieter ausmachen: Lehrlinge, ältere Arbeitnehmer und ein hoher Anteil an Eigenpersonal.(SOLID 12/2014 - 01/2015)