SOLID 03 / 2014 : Marktanalyse Dachmaterialhersteller: Gegen Wind und Wetter
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Wenn kleine Kinder ein Haus malen, dann vergessen sie manchmal die Tür oder die Fenster – aber nie das Dach. Denn erst das Dach eines Hauses macht das Gebäude ganz. Es ist der Schlusspunkt beim Bau und der letzte entscheidende Schritt bei der Frage, ob ein Gebäude gelungen ist – und viele Jahrzehnte überdauert.
Zu seiner natürlichen Schutzfunktion vor Wind und Wetter ist in den vergangenen Jahren eine neue dazu gekommen: Energie zu gewinnen und einzusparen. Aktuell ist die Entwicklung der Produkte und der gesamten Dachbranche enorm, auch und gerade in Österreich. Denn hier sind zahlreiche namhafte und weit über die Landesgrenzen erfolgreiche Hersteller von Dachmaterialien daheim. Ihre Dächer sind in Architekturmagazinen zu sehen, in Europas Hauptstädten, bei den Winterspielen in Sotschi und auf ehrwürdigen Schlössern in Niederösterreich. Und natürlich auch überall zwischen Bregenz und Eisenstadt.
Markt massiv unter Druck
Doch die Hersteller müssen ihre Position ständig neu erkämpfen – ihr Markt ist in diesen Wochen massiv unter Druck. Der Sanierungsbereich, traditionell das wichtigste Standbein der Branche, ist im vergangenen Jahr regelrecht weggebrochen. Dazu sind Billigprodukte aus dem Ausland auch in der Dachbranche ein Thema.
SOLID bringt einen Überblick zu den wichtigsten Entwicklungen im heimischen Angebot von Dachmaterialien und liefert einen Ausblick dazu, was Hersteller heuer erwarten. Dazu eine zentrale Aussage vorweg: Für heuer erwarten sowohl Produzenten als auch Konjunkturforscher ein deutlich besseres Geschäftjahr als 2013.
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Baustoffgruppen. Wie sehen hier die Marktanteile im Einzelnen aus? Die Antwort auf diese Frage liefert das Wiener Marktforschungsinstitut Kreutzer, Fischer und Partner (KFP) in seinem jüngsten Branchenradar. Dazu hat das Institut wie jedes Jahr alle namhaften Hersteller am heimischen Markt befragt.
Die Ergebnisse im März 2014: Tondachziegel dominieren weiter den heimischen Markt mit einem Marktanteil von rund 30 Prozent. Dahinter folgt Betondachstein mit rund 27 Prozent. Faserzement hält einen Anteil von 18 Prozent. Den übrigen Teil vom Kuchen teilen sich Dächer aus Metall, Bitumen, Dachschindeln und anderen. Der dominierende Baustoff in dieser Gruppe sind Dächer aus Metall.
Die Studie geht aber auch auf die einzelnen Hersteller ein. Demnach zeige Tondach Gleinstätten eine gute Performance, schreiben die Marktforscher von KFP. Auch Hersteller wie Villas oder Erlus entwickelten sich demnach signifikant besser als der Markt.
Riesige Produktpalette - Steildächer bleiben stark
Was tut sich in der riesigen Produktpalette? Auffallend hier sind zwei Trends: Erstens gewinnen Pultdächer und Flachdächer Marktanteile auf Kosten der Steildächer, auch wenn diese gerade im Osten Österreichs weiterhin stark bleiben. Zweitens mischen neue Produkte, die gezielt Lösungen zu Energiefragen anbieten, gerade den Markt auf.
Dass Flachdächer an Terrain gewinnen, gehe Hand in Hand mit dem Aufkommen der Niedrigenergiebauweise. „Der Trend zu Flachdächern ist architektonisch bedingt. Beim Passivhausbau gab es mal die Meinung, dass Passivhäuser gleichzusetzen sind mit Flachdächern, und das wirkt immer noch nach. Solche Trends gibt es immer wieder, auch wenn nicht alle rational zu begründen sind“, kommentiert die Entwicklung Thomas Schöffer, Vertriebsleiter des Dachmaterialproduzenten Bramac.
Ziegel, die Energie produzieren
Der niederösterreichische Hersteller holte 2013 den SOLID Bautechpreis in der Kategorie „Innovation“ für zukunftsorientierte Dachsystemlösungen. Der Steildachproduzent muss sich wie andere Mitbewerber gegen wachsende Konkurrenz behaupten, kann aber unter anderem im Bereich des Dachzubehörs zulegen. Ein deutliches Wachstum erreicht Bramac allerdings mit seiner Antwort auf den zweiten großen Trend – nämlich mit Dachmaterialien, die Energie liefern.
So liefert Bramac neben Dachmaterialien wie etwa dem Dachstein „Montero“ auch Solarsysteme. Zum Beispiel das „SolarDach Pro“. Schon zwei Quadratmeter Fläche dieses Systems decken rund 70 Prozent des jährlichen Warmwasserbedarfs einer Person ab. Die „Indach Kollektoren“ haben einen vormontierten Eindeckrahmen und können so auch auf bestehenden Dächern installiert werden. Dazu startete der Hersteller erst 2013 mit einer dritten Produktgruppe: Dachelemente mit eingebauter Photovoltaik.
Der Clou: Die „InDax“-Systeme werden direkt in die Dachhaut verbaut und ersetzen die Dacheindeckung völlig. Das ist zwar teurer als aufgeschraubte PV-Module, sieht aber besser aus und ist zudem sturmsicherer. Eine eingebaute Hinterlüftung verhindert die Überhitzung in der Sommerzeit. In dieser neuen Produktgruppe habe das Unternehmen seine Erfahrungen aus dem Solarbereich nutzen können, so Schöffer, und die Verarbeiter seien dem neuen Vorstoß gefolgt. Heute bewertet Schöffer die Entscheidung positiv: „Obwohl wir mit den PV-Produkten erst seit einem Jahr im Markt sind, ist der Bereich so gewachsen, dass er sich inzwischen zum dritten Standbein von Bramac entwickelt hat.“
Ein anderer namhafter heimischer Produzent stellt unter anderem die konkurrenzlose Haltbarkeit seines Produkts in den Mittelpunkt: Tondach Gleinstätten verweist mit seinem Slogan „Das Jahrhundertdach“ auf Dachziegel aus einem Werkstoff, der sich in Jahrtausenden bewährt hat. Diese Dachmaterialien halten so lange wie kein anderes Produkt. Entsprechend ist auch die Garantie von Tondach Gleinstätten auf seine Ziegel rekordverdächtig: 33 Jahre.
Das hat natürlich seinen Preis. Die Kosten für Tondachziegel bewegen sich im Vergleich zu anderen Baustoffgruppen im oberen Segment. Das käme allerdings deutlich billiger als ein günstigerer Baustoff, der öfter ausgetauscht werden müsse, heißt es bei Tondach Gleinstätten. Und schließlich kommt auch hier die Energieeffizienz ins Spiel: Eine Sanierung mit Tondachziegeln könne laut Herstellerangaben die Energiekosten um bis zu 20 Prozent senken.
Klimawandel verschärft Wetterextreme - und Produktanforderungen
Eine besondere Herausforderung für alle Hersteller sind nicht nur Energiefragen, sondern auch die Wetterextreme, die sich wegen des Klimawandels jedes Jahr weiter verschärfen. Tatsächlich müssen alle Dachmaterialien heute genau vordefinierten Normen zur maximalen Schneelast, Windlast und zum Hageleinschlag entsprechen – die Details regeln einzelne ÖNormen wie etwa ÖNorm EN 1991-1-1-3, ÖNorm B 4000.
Oder die ÖNorm B3418, die nur die Ausführung der Schneeabrutschsicherung regelt. Auch ein Hagelschlagregister gibt es, das für jede Region in Österreich die genauen Widerstandswerte bei Hagel festlegt.
Die genaue Anpassung an die sich verändernden Witterungsbedingungen hat sich der Produzent Villas auf die Fahnen geschrieben. Der Kärntner Hersteller liefert Abdichtungsmaterialien aus Bitumen sowohl für Steil- als auch Pult- und Flachdächer, aber auch für begrünte Dächer, Terrassen und erdberührende Flächen. Der Trend zu Pult- und Flachdächern kommt Villas entgegen, wie Geschäftsführer Otto Lauritsch erklärt: „Wenn auf einem Flachdach oder Pultdach viel Schnee liegt, dann schmilzt er, friert in der Nacht ein, es wächst eine Eisschicht und die Gefahr nimmt zu, dass Wasser sich rückstaut und in die Konstruktion kommt. Je flacher also das Dach, desto höher der Anspruch an die Abdichtungen.“
Besonders stolz ist man bei Villas auf die „DichtDach Systemlösungen“ und ihren Schutz vor Sturm, großen Schneemassen, Eisrückstau und vor allem vor Hagel bereits ab drei Grad Dachneigung. Letzteres hat Villas extra am Institut für Brandschutztechnik und Sicherheitsforschung in Linz testen lassen. Dabei schoss eine Druckluftkanone bis zu sieben Zentimeter dicke Hagelkörner mit 150 km/h auf eine mit Bitumen bedeckte Dachkonstruktion – und die hielt problemlos stand.
Abschließend ein Blick auf das aktuelle Marktgeschehen. Nach den jüngsten Daten von KFP hat sich der Absatz von Dachmaterialien hat sich 2013 auf minus elf Prozent beschleunigt – ein regelrechter Einbruch. Nach einem Absatz von 10,9 Millionen Quadratmetern im Jahr 2012 wurden in Österreich im Vorjahr nur noch 9,7 Millionen Quadtratmeter an Dachmaterialien abgesetzt, so ein Ergebnis des Branchenradars von KFP. Der Umsatz im Bereich geneigter Dächer (ab fünf Grad) pendelte sich im Vorjahr bei 128 Millionen Euro ein.
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Drei Faktoren
Marktexperten erklären das mit drei Faktoren: Erstens der extrem lange Winter zu Beginn 2013. Zweitens ist aufgrund spektakulärer Pleiten wie Alpine, Schlecker und anderen sowie der Entwicklung am Arbeitsmarkt die Investitionsbereitschaft nicht allzu hoch – und die Dachbranche lebt bekanntlich nicht nur vom wachsenden Neubau, sondern auch vom Sanierungsbereich privater Auftraggeber. Und eine Sanierung kann man bekanntlich auch verschieben.
Der dritte Grund sind die zu geringen Handwerkskapazitäten. „Das Handwerk war mit dem Neubau ausgelastet. Die Betriebe waren nicht bereit, Personal einzustellen, sondern sind eindeutig auf Ertrag gegangen und haben ihre Preise erhöht“, kommentiert die Entwicklung Andreas Kreutzer.
Die Erwartungen für nächstes Jahr
Und die Erwartungen für nächstes Jahr? Hier zeigen sich alle befragten Hersteller deutlich optimistischer als im Vorjahr. „Die Auftragslage ist wesentlich besser. Es kommen Renovierungsprojekte, die wegen des langen Winters 2013 verschoben wurden. Auch mit der Unsicherheit bei der Investitionsbereitschaft ist es viel besser geworden“, meint dazu Thomas Schöffer von Bramac.
Ein anderer leitender Manager, der nicht genannt werden will, erzählt von „sensationellen“ Signalen aus dem Markt in den ersten zwei Monaten – fügt aber an, dass sich dies sicher im Lauf des Jahres ausgleichen würde.
Auch Otto Lauritsch von Villas meint: „Es ist zu erwarten, dass die gesamte Branche der Dachmaterialhersteller die Rückgänge im Volumen des Vorjahres aufholen wird. Wir erwarten eine Steigerung sowohl bei der Menge als auch beim Umsatz.“
(SOLID 03 / 2014)