Baumaschinen : Marke Eigenbau
Sie sind Spezialisten. Und das findet auch in den eingesetzten Maschinen seinen Niederschlag. Eigenbau statt Serienprodukte heißt im Spezialtiefbau oft das Motto. Fast jedes Unternehmen setzt Geräte ein, die in den eigenen Werkstätten konstruiert und gefertigt wurden. Nicht weil gespart werden muss, sondern weil in diesem Bereich oft außergewöhnliche Anforderungen an die Maschinen gestellt werden und sich dafür keine optimales Serienprodukt findet. So erzählt Roland Woboril, Leiter der im Spezialtiefbau tätigen Felbermayr-Niederlassung in Stams: „Da es am Markt nichts gab, das unseren Anforderungen hundertprozentig entsprochen hätte, haben wir mehrere Bohrlafetten selbst gebaut.“
Ein Stolz des Hauses Felbermayr ist beispielsweise ein 32-Meter-Kran von Palfinger mit einer Anbaulafette. Mit diesem in Österreich einzigartigen Gerät lassen sich Bohrarbeiten an Wänden und Hängen präzise und sicher vom festen Boden ausführen. Das erspart abenteuerliche und vor allem zeitraubende Kletterpartien für Mann und Maschine. Konstruiert und gebaut haben dieses Unikat Daniel Hammerle und Josef Regensburger von der Stamser Felbermayr-Niederlassung mit ihren Kollegen und mit Experten von Palfinger. Die gesamte Arbeit konnte sogar zu interessanten Kosten abgewickelt werden: „Unterm Strich sind wir günstiger weggekommen als bei einem Marktprodukt und die Maschine kann mehr“, meint Daniel Hammerle zufrieden.
Angepasst. Insgesamt acht Bohrlafetten hat er bislang zusammen mit seinem Team geschaffen. Da ging es unter anderem darum, die Leistung an die Bedingungen der Einsätze bei Felbermayr anzupassen, berichtet Hammerle. „Wir bohren oft Erdnägel, da stellen sich komplett andere Anforderungen als bei einer Felsbohrung. Wir brauchen bei Erdbohrungen ein hohes Drehmoment, weil in losem Material gearbeitet wird, und das konnten wir bei unseren Eigenkonstruktionen realisieren.“ Gekauft werden die besten Komponenten und dann in der eigenen Werkstatt für die jeweilige Verwendung optimiert. Auch Funkfernsteuerungen haben die Felbermayr-Techniker umgebaut, „damit sie für den Bohristen einfach zu bedienen sind und er sich auf das Wesentliche konzentrieren kann“, sagt Hammerle.
Auf innovative Eigenentwicklungen für anspruchsvolle Einsätze setzt auch die Grund- Pfahl- und Sonderbau GmbH GPS. Das international tätige Unternehmen, eine Tochter der Alpine Bau GmbH, übernahm in den letzten Jahren mehrerer anderer Spezialtiefbaufirmen. Seinen Hauptsitz hat das Unternehmen in Himberg bei Wien. Dort befindet sich die zentrale Werkstätte, „wo nahezu jedes Gerät nach dem Kauf adaptiert und auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten wird“, wie Robert Schoppe vom technischen Innendienst erzählt. Und nicht nur das. Für Spezialeinsätze werden in Himberg Maschinen komplett konstruiert und hergestellt. Teile dazu lässt man in der Region produzieren. „Wir arbeiten mit Maschinenbauern zusammen, die für uns beispielsweise Getriebe fertigen“, sagt Schoppe.
Kellerassel. Auf diese Weise entstand etwa ein liebevoll „Kellerassel“ genanntes Spezialgerät für Bohrarbeiten. Diese Maschine hat einen besonders kompakten Unterwagen und kann - nomen est omen - selbst in Kellern bestehender Bauten eingesetzt werden. Für einen anderen Einsatz haben die Techniker des GPS-Bauhofs einen Bohrwagen so umgebaut, dass damit in einem engen Kraftwerkstollen mit 45-gradiger Neigung präzise Bohrarbeiten durchgeführt werden konnten. Innovative Ideen aus dem eigenen Haus stecken auch in einem Pumpencontainer, der auf wasserreichen Tiefbaustellen eingesetzt wird. Die Steuerung erfolgt vollautomatisch, die komplette Anlage kann über Mobilfunk von der Zentrale aus überwacht und bedient werden. Das erspart einen Mann ständig vor Ort. „Wir haben Technikfreaks, die solche Lösungen perfekt realisieren“, lobt Schoppe seine Kollegen.
60 Mitarbeiter sind am Bauhof von GPS in Himberg beschäftigt. Auf dem 10.000 Quadratmeter großen Areal werden nicht nur Maschinen adaptiert, konstruiert und gebaut, sondern auch gewartet. Und da gibt es einiges zu tun. Das zeigen allein die vom Unternehmen eingesetzten Großgeräte wie etwa 16 Seilbagger mit Einsatzgewichten zwischen 70 und 150 Tonnen oder 13 Raupenbohrwägen. Für einen großen Maschinenpark ist Helmut Hotwagner in Söding bei Graz verantwortlich. In dem an der Packer Bundesstraße gelegenen Areal betreut er mit 40 Mitarbeitern die von Keller Grundbau GmbH in Österreich und Südosteuropa eingesetzten Spezialmaschinen für den Tiefbau. Es sind insgesamt 200 Geräte unter denen sich Großbohrgeräte mit bis zu 80 Tonnen Einsatzgewicht - etwa von Bauer oder Liebherr - befinden.
Bodenvermörtler. Spezialtiefbaugeräte werden bei Keller in Söding nicht konstruiert. Dafür ist die Zentrale in Deutschland zuständig. Eine Stärke des Unternehmens sind eigens entwickelte Tiefenrüttler zur Verdichtung in tieferen Zonen. Dabei setzt die Firma je nach Bodenqualität drei unterschiedliche Verfahren ein. Auch für die Bodenvermörtelung nutzt Keller eigene Technologien. „Diese Maschinen bieten einiges, das andere nicht können, es läuft alles vollautomatisch gesteuert, dadurch arbeiten wir besser und effizienter als andere“, erklärt Helmut Hotwagner. Bei der Errichtung der Metro in Rom stehen derzeit solche Geräte im Einsatz. Tiefenrüttler von Keller arbeiten beim Bau der tschechischen Autobahn R 55 von Olmütz nach Breslau.
Allzu viele Details über ihre Eigenentwicklungen wollen die Spezialtiefbauunternehmen nicht verraten. Sie sind für das Unternehmen ein klarer Vorteil im Wettbewerb. Manchmal verzichtet man allerdings darauf und geht mit den eigenen Maschinen auf den Markt. Diesen Schritt hat Bauer Spezialtiefbau in den 50er-Jahren gesetzt. 1958 entwickelte Firmenchef Karlheinz Bauer den Injektionsanker, der es erstmals ermöglichte, große Baugruben ohne Aussteifungen rückzuverankern. In der Folge wurden eine Reihe weiterer Spezialtiefbauverfahren entwickelt und die dazu notwendigen Maschinen selbst konstruiert und gebaut. So setzte Bauer ab 1970 eigene Ankerbohrwägen ein, 1976 folgte das erste Großdrehbohrgerät. „Diese Maschinen hatten solche Vorteile, dass die Wettbewerber bald sauer wurden und sagten, wenn ihr eure Maschinen nicht anderen zugänglich macht, werden wir mit euch nicht mehr kooperieren“, erzählt Franz J. Mayer, Pressesprecher bei Bauer und Autor eines Buches über die Geschichte des Unternehmens.
Erfolgreich. Der nach langem Zögern erfolgte Schritt auf den Maschinenmarkt lohnte sich. Die Nachfrage nach den Maschinen des Bauunternehmens war groß. Allein von den Großdrehbohrgeräten sind heute fast 2000 Stück weltweit im Einsatz. Und Bauer erweiterte sein Produktionsreich. Heute fertigt die Maschinengruppe in mehreren Werken unter eigenem Namen und unter denen verschiedener Tochterfirmen ein komplettes Programm an Spezialtiefbau-Geräten, „das bei keinem zweiten Hersteller zu finden ist“, wie Franz J. Mayer stolz hinzufügt. Von der Bauer-Gruppe kommen Schlitzwand-Anlagen, RTG-Rammgeräte, Klemm-Ankerbohrtechnik, Geothermie-Bohrgeräte, MAT-Mischanlagentechnik, Eurodrill-Antriebe, Prakla-Brunnen- und Geothermie-Bohrgeräte, Pileco-Dieselhämmer und Fambo-Hydraulikhämmer.
Nahezu jedes Spezialtiefbau-Unternehmen hat eine oder mehrere Maschinen der Gruppe im Gerätepark. Und das obwohl Bauer nach wie vor selbst als Tiefbauspezialist agiert und damit faktisch Wettbewerber im Kampf um Aufträge ist. Auch in Österreich verfügt die Bauer Spezialtiefbau über eine Niederlassung. Der börsennotierte Konzern ist heute Weltmarktführer im Bereich Maschinen für den Spezialtiefbau, das Bauunternehmen ist das viertgrößte in Deutschland. Im letzten Geschäftsjahr erzielte Bauer einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro und trotz internationaler Wirtschaftskrise noch einen Gewinn von über 100 Millionen Euro.
Liebherr. Von den großen Baumaschinen-Produzenten agieren - abgesehen von Baggern, die als Trägergeräte eingesetzt werden - nur wenige Anbieter im Marktsegment Spezialtiefbau. Einer davon ist Liebherr. Der Konzern bietet für diesen Einsatzbereich Drehbohrgeräte, Ramm- und Bohrgeräte sowie Schwing- und Hängemäkler, die übrigens im Vorarlberger Werk Nenzing gefertigt werden. Atlas Copco liefert für den Spezialtiefbau Bohrmaschinen sowie Kompressoren und Stromerzeuger. Bei der ThyssenKrupp GfT Tiefbautechnik finden sich ebenfalls Maschinen für den Spezialtiefbau. Die MFS-Maschinenfabrik fertigt etwa mit Stein HT verschiedene Schlitzwandgreifer, aber auch Schlitzwandmeißel, Schlitzwandfräsen, Mischanlagen und andere Maschinen für den Spezialtiefbau.
Trotz moderner Technik spielen der Mensch und seine Erfahrungen in diesem Baubereich noch immer die Hauptrolle. „Vor allem im schwierigen Gestein hängen beim Bohren 95 Prozent des Erfolgs vom Können des Bohristen ab“, sagt etwa Roland Woboril von Felbermayr in Stams. Einer seiner Bohristen, Engelbert Schuß, führt diesen Job seit 29 Jahren aus. Und er meint bescheiden: „Man lernt in diesem Beruf nie aus“. Allerdings weiß er offensichtlich schon alle Tricks, um etwa ein Bohrgestänge, das in 100 Meter Tiefe hängen geblieben ist, zu retten. „Bis jetzt habe ich es noch jedes Mal rausgebracht“, erzählt er, „selbst wenn’s manchmal ein paar Stunden gedauert hat“.
Abenteuerlich. Auch Mut zum Abenteuer müssen die Spezialisten dieser Baufirmen bei vielen Einsätzen beweisen, weiß Roland Woboril: „Ankerungsarbeiten an bis zu 200 Metern hohen Felswänden sind bei uns nichts Außergewöhnliches.“ Spezialbohrlafetten werden in solchen Fällen oft mit einem Hubschrauber in das schwierige Gelände gebracht und dort mit Greifzügen verhängt. Der Bedienungsmann seilt sich dann zu seinem Arbeitsplatz ab.
Und manchmal gibt’s im Spezialtiefbau nasse Füße. Beim Bau des riesigen Hafentors, das den Wiener Donauhafen Freudenau künftig vor Überflutungen schützen soll, errichtete die Felbermayr Abteilungen Rammtechnik die Spundwandkästen. Ende Juni, als Dauerregen zu Hochwasser führte, wurde allerdings die Baustelle überflutet. Das brachte viel Ärger, aber keine unlösbaren Probleme für die GPS-Mannen: Die eingesetzten Maschinen - Schlitzwandbagger von Liebherr, Sennebogen-Bagger für die Pfahlherstellung, Metax-Hochdruckpumpen und eine Klemm-Bohrmaschine - konnten rechtzeitig ins Trockene gebracht werden. Nach Auspumpen der Baustelle stehen sie schon wieder im Einsatz. Spezialisten wissen sich eben auch in ungewöhnlichen Situationen zu helfen. (Wolfgang Pozsogar)