Österreich : Ludwig: "Wünsche mir von Baufirmen neue Technologien und Abläufe!"
SOLID: Wie sind Sie generell mit dem Verlauf der Stadtentwicklung in Wien zufrieden? Passt der Mix aus Neubau und "Wiederaufbereitung" im Bestand oder wovon wünschen Sie sich mehr? Und was ist realistisch?
Michael Ludwig: Sowohl was die Neubauleistung als auch jene im Bereich der Stadterneuerung anbelangt, ist Wien international führend. Das starke Bevölkerungswachstum stellt allerdings auch uns, zumal die Einkommen in großen Teilen der Bevölkerung stagnieren, vor große Herausforderungen. Wien antwortet darauf mit SMART-Wohnungen, der neuen Wiener Wohnbau-Offensive und einer ganzen Reihe weiterer Maßnahmen, die auf die schnellere Abwicklung von Bauvorhaben abzielen. Wir bieten ein noch größeres kostengünstiges Wohnungsangebot und kurbeln den Wohnbau zusätzlich an.
Die Wiener Wohnbauförderung löst aktuell – Neubau und Sanierung zusammengenommen – ein Investitionsvolumen von mehr als 2 Milliarden Euro aus. Das zeigt auch in wirtschaftlicher Hinsicht sehr deutlich, was für eine entscheidende Rolle die Wohnbauförderung in Wien spielt.
Mit der Internationalen Bauausstellung in Wien, IBA_Wien, geht die Stadt einen zukunftsweisenden Schritt weiter. Die IBA_Wien steht ganz im Zeichen von Innovationen im Bereich des „Neuen sozialen Wohnens“. In Zusammenarbeit mit heimischen und internationalen Fachleuten und unter enger Einbindung der Bevölkerung werden tragfähige Lösungen für die Zukunft erarbeitet – und das sowohl im Neubau als auch der Stadterneuerung. Ich erwarte mir von der IBA einen kräftigen positiven Schub für den sozialen Wohnbau in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Präsentationsjahr der IBA_Wien ist 2022 – wir erwarten 130.000 Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt, die sich direkt vor Ort über die Innovationen in den IBA-Gebieten informieren werden.
Daher: Ja, ich bin mit dem Verlauf der Stadtentwicklung zufrieden. Wien investiert sehr hohe Mittel in Wohnbau und wir arbeiten intensiv daran, dass das auch so bleibt.
SOLID: Welches Potenzial hat im gesamten Mix die Nachverdichtung?
Ludwig: Ergänzend zum Neubau ein Potenzial, das wir stark im Fokus haben. Wir gehen damit – im Sinne der Bevölkerung und des Stadtbilds – sehr behutsam um. Nachverdichtung macht nur dann Sinn, wenn es auch eine Verbesserung für die dort bereits ansässige Bevölkerung gibt. Wir kombinieren sie daher mit Sanierungsmaßnahmen im Bestand. Im Rahmen von umfassenden Revitalisierungen wird beispielsweise neuer Wohnraum durch Dachausbauten geschaffen. Auch in städtischen Wohnhausanlegen wie dem Goethehof in der Donaustadt. Ein sehr schönes Beispiel ist auch die Anlage am Handelskai 214 in der Leopoldstadt, in der anstelle einer abbruchreifen Hochgarage ein Neubau mit Gemeindewohnungen entstehen wird. Dabei werden auch Angebote für die bestehende Bewohnerschaft geschaffen.
SOLID: Wie sehen Sie die Frage der Grundstückspreise? Und was könnte und sollte man tun, um hier Erleichterung zu schaffen?
Ludwig: Wir haben bei der Novelle der Wiener Bauordnung 2014/2015 die Widmungskategorie „förderbarer Wohnbau“ eingeführt. Weiters wurde durch die Möglichkeit, die Widmung „Bauland“ nur befristet festzulegen, ein Instrument geschaffen, um das Horten von Grundstücken zu verhindern. Wien hat aber selbstverständlich auch bei den Grundstücken Vorsorge getragen. Die Stadt Wien besitzt über den wohnfonds_wien Bauland im Umfang von insgesamt 2,8 Millionen Quadratmetern, die für den geförderten Wohnbau vorgesehen sind. Durch das Immobilienmanagement, das die Stadt eingerichtet hat, werden alle potenziellen Liegenschaften verbessert koordiniert und schneller einer Entwicklung zugeführt. Dazu zählen auch bebaute Areale, die für eine Neunutzung durch den Wohnbau geeignet sind.
SOLID: Wie sehen Sie vor dem Hintergrund dieser hohen Grundstückspreise die Zukunft der Gemeinnützigkeit?
Ludwig: Die Herausforderung besteht darin, diesen Druck durch eine systematische Reduktion der Baukosten abzufedern, ohne die für die Nutzerinnen und Nutzer wesentlichen Qualitätsstandards zu reduzieren. Im Bereich der kostenrelevanten Verfahrensbeschleunigung haben wir bereits effiziente Maßnahmen gesetzt. Ein Beispiel dafür sind verschränkte Bauträgerwettbewerbe, bei denen Widmung und Wohnbau enger miteinander verzahnt sind. Dass es trotz höherer Grundstückspreise möglich ist, Projekte kostengünstig umzusetzen, zeigen unter anderem die Bauplätze D16 und D17 in aspern Seestadt. Dort wurden Gesamtbaukosten von 1.416 bis 1.434 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche erzielt.
SOLID: Die Bauwirtschaft wünscht sich öffentliche Aufträge und Investitionen von Seiten der öffentlichen Hand, der Politik. Drehen wir die Frage um: Was wünschen SIE sich von der Bauwirtschaft? Womit sind Sie zufrieden? Womit nicht? Und welche Hinweise können Sie der Bauwirtschaft geben, wie Sie die Zusammenarbeit besser gestalten und damit zu mehr Geschäft kommen kann?
Ludwig: Die Bauwirtschaft in Wien hat bereits ein sehr hohes Niveau. Wir können auf Baufirmen zählen, die mit einem herausragenden Engagement arbeiten. Dafür legen nahezu alle geförderten Neubauten, aber speziell natürlich jene Projekte, die schwierigere Voraussetzungen haben, ein sichtbares Zeugnis ab. Wenn ich mir also darüber hinaus noch etwas wünschen könnte, so wäre das der verstärkte Einsatz neuer Verfahrenstechnologien und Abläufe. Stichworte dafür wären serielles Bauen, die Schnellbauweise und Systembauweise. Solche Zukunftslösungen sind mehr als willkommen, auch im Zusammenhang mit der IBA_Wien.
SOLID: Ein großes Kriterium ist immer die Zeit, die ein gesamtes Projekt in Anspruch nimmt. Wie kann man die verkürzen, ohne an Qualität zu verlieren? Ist da administrativ etwas drinnen?
Ludwig: Die Optimierung von Verfahrensabläufen in Wohnbau und Planung, also Deregulierung und Vereinfachung, waren und sind entscheidende Erfolgsfaktoren in dem laufenden Programm der Wiener Wohnbau-Offensive. Um nur einige Punkte zu nennen: Wir haben einerseits bereits die Bauträgerwettbewerbsverfahren gestrafft. Der erste Wettbewerb dazu war „In der Wiesen Süd“ in Liesing mit einer Realisierungsspanne, beginnend bei der Förderempfehlung, von in Summe 32 Monaten. Größere Areale mit mehreren Bauplätzen und dem Erfordernis der Kooperation der Bauträger werden zudem als „Wettbewerb mit Projektmanagement“ abgewickelt um „falsche Kosten“ bei der Realisierung zu vermeiden. Darüber hinaus wurden die Limits für Bauträgerwettbewerbe von derzeit 300 auf 500 Wohneinheiten erhöht. Alles darunter kann über den Grundstücksbeirat abgewickelt werden, was bis zu 12 Monaten Zeitgewinn bringt. Im Rahmen von IBA_Wien-Projekten werden auch mehr Lösungen in Systembauweise umgesetzt werden. Ein Stichwort dazu wäre die „trockene Baustelle“. Alle genannten und weiteren Maßnahmen haben zum Ziel, Zeit und Kosten zu sparen und die günstigen Konditionen für die Mieterinnen und Mieter, trotz Steigerung der Bau- und Grundstückskosten, zu sichern.