SOLID: Worauf bauen Sie bei Ihrem beruflichen Erfolg? Josef Paul Gasser: Auf unserer familiären Strukturen. Daraus ergeben sich für mich und uns oft viel kürzere und einfachere Entscheidungs- und Kommunikationswege. Des weiteren sehen wir uns als Familienunternehmen in der Region mit einem starken Bezug zur Regionalität und natürlich auch zu den MitarbeiterInnen und deren Familien, die bei uns arbeiten und einkaufen. Als steirisches Unternehmen wird bei uns auch Tradition und die damit verbundene Handschlagsqualität groß geschrieben. Was sind die wesentlichen Säulen des wirtschaftlichen Erfolges der Firma Lieb Bau? Josef Paul Gasser: Handschlagsqualität, zufriedene und hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die teilweise bereits in der vierten Generation bei uns tätig sind und mit uns gemeinsam zum Erfolg des Unternehmens beitragen und natürlich die Diversifikation in die Bereiche Handel, Immobilien und Bau, die im Zuge eines gesunden Wachstums des Unternehmens entstanden ist.Gerade durch ein rationales und gesundes Wachstum war es uns immer wieder möglich Bereiche einzugliedern, die für unsere Unternehmensgruppe sinnig sind. Daraus ist auch der starke Unternehmensverbund entstanden, der sich durch gemeinsame Synergien doch wieder gegenseitig stärkt.Der Bereich Bau wurde so in erster Instanz in den 1970er Jahren durch einen eigenen Baustoffhandel für die lückenlose Materialbeschaffung und Bereitstellung erweitert. Der Handel in weiterer Folge in einen Baumarkt, Sport und Garten- und Landschaftsbau weiterentwickelt.Im Baubereich wurde eine Weiterentwicklung in den Bereich Trockenbau (hier waren wir einer der Mitbegründer des industriellen Trockenbaus in Österreich), Holzbau und Keramikbau mit den jeweiligen Schwerpunkten wiederum in diesen Bereichen.Ein weiterer wesentlicher Zweig ist unser Immobilienzweig. Durch die eigene Projektentwicklung für Entwicklung und Vermietung von unter anderem Fachmarktzentren ist es uns möglich, unsere eigenen Standorte zu stärken und Kaufkraft und Arbeitsplätze auch an die Region zu binden.Zusätzliche ist eine nachhaltige Kunden- und Lieferantenbeziehung ein wesentlicher Bestandteil des gesamten wirtschaftlichen Erfolges. Wo sehen Sie in der Zukunft Ihre größten Entwicklungschancen als Firma? Wo ist Geld zu verdienen? Was braucht man zur Absicherung und Risikoverteilung? Josef Paul Gasser: Die Zukunft liegt meines Erachtens bei ganzheitlichen Projekten (als General- bzw. Totalunternehmung). Hier ist man eine Ansprechperson und somit ein Verantwortlicher für die komplette Abwicklung des Projektes und somit auch der unmittelbare Problemlöser. Als Unternehmung ergibt sich dabei auch ein Vorteil in der Abwicklung – da hier direkter Einfluss auf die Ausführung genommen werden kann, was derzeit im Objektgeschäft nicht gegeben ist. Wie erklären Sie den Trend zur Projektentwicklung? Josef Paul Gasser: Man ist einfach ein einziger Ansprechpartner und somit ein einziger Problemlöser für den Bauherren. Dadurch ergibt sich für den Bauherren in der Abwicklung des Projektes ein enormer Vorteil durch eine einfache Struktur. Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders am Herzen liegt? Josef Paul Gasser: Am Herzen liegt einen meistens das letzte Projekt, welches erfolgreich umgesetzt wurde. In meinem Fall wäre das die erfolgreiche Umsetzung des Shopping West in Graz Webling und gerade jetzt – in der Finalisierung – die Ausbaustufe GEZ V des Gleisdorfer Einkaufszentrums. Bei welchem Projekt haben Sie am meisten gelernt? Josef Paul Gasser: Ganz klassisch beim ersten eigenen Großprojekt: der Umsetzung des Gleisdorfer Einkaufzentrums. In der ersten Umsetzungsphase stand die Entwicklung des Gesamtkonzeptes mit einer neuen Straßenentwicklung, der externen Vermietung und einer Umsetzung des Projektes in einer extrem kurzen Bauzeit. Liegt die Zukunft eher in der völligen Neuentwicklung oder in der Aufwertung von bestehenden Projekten? Josef Paul Gasser: Beides. Hier gibt es kein entweder-oder bzw. links oder rechts. Die Zukunft wird vermehrt zu kombinierten Lösungen führen. Hier liegt auch die Stärke unseres Hauses: bestehende Objekte mit neuem Leben zu füllen bzw. die Kombination aus der Sanierung eines Bestandes und zusätzlich einem Neu- bzw. Zubau. Beispiel hierzu wäre gerade die Nutzung der bestehenden Strukturen in Webling mit der Adaptierung und Wiederbelebung dieser sowie dem Zubau Shopping West. Und wo denken Sie, geht die Baubranche überhaupt hin? Es gibt ja die unterschiedlichsten Philosophien, allein wenn man an die ganz Großen denkt - aber wo ist Platz für vernünftiges Existieren und Wachsen? Josef Paul Gasser: Gebot der Stunde und Thema der nächsten Jahre sind sicher Ökologisierung und energietechnische Optimierung. Zusätzlich wird auch die Abwicklung der Finanzierung bei Projekten durch das durchführende Unternehmen immer mehr zum Thema.Prinzipiell wird es dabei kein großes Wachstum in den nächsten Jahren geben – und die Wirtschaft wird lernen müssen, damit umzugehen.Auf unser Haus bezogen könnte man von einem Wachstumsdenken in einer Spartenerweiterung sprechen. Somit wäre noch mehr Knowhow im eigenen Haus vorhanden, von dem die gesamte Unternehmensgruppe profitieren kann. Sie haben ja mit dem Liebmarkt auch einen "interessanten Gemischtwarenhandel" - wie kam es dazu und wie profitiert die gesamte Gruppe davon? Josef Paul Gasser (lacht): Der Ausdruck Gemischtwarenhandel ist hier doch etwas weit hergeholt. - Grundsätzlich ist gerade diese Diversifikation auch der Grundstein des heutigen Erfolges. Durch unseren Baumarkt inkl. Baustoffhandel ist eine Grundversorgung der eigenen Baustellen lückenlos mögliche.Abgerundet wird dabei das Baumarkt- und Baustoffsortiment um die Bereiche Garten sowie Freizeit & Sport. Die Ergänzung des Baumarktsortimentes inkl. Adaptierung auf die regionalen Bedürfnisse ist in weiterer Folge eine lebensnotwendige Strategie, um als Baumarkt in Kleinstädten überleben zu können. Worauf bauen Sie selber ganz persönlich? Was ist Ihnen wichtig im Leben? Auf Handschlagsqualität, Tradition, Familie und Regionalität. Uns ist es wichtig, als Familienunternehmen und als Familie im Betrieb und in der Region immer „greifbar“ zu bleiben. Es ist auch schön mitzuerleben, wie die nächste Generation bereits aktiv in unser Unternehmen „wächst“. Die Bahnen für eine erfolgreiche Zukunft somit bereits gelegt. Persönlich finde ich Ausgleich in meinen Hobbies.
Erstmals erschienen in SOLID 7+8/2015, das Gespräch führte Thomas Pöll