Technik : Laserscans und Photogrammetrie: Digital, doch nicht vermessen
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"Stahlbau ist fast immer Bauen im Bestand", sagt ÖSTV-Präsident Dr. Thomas Berr - und dabei spielt digitale Vermessung natürlich eine große Rolle. Doch was sich so einfach anhört, ist es gerade in der Praxis des Stahlbaus nicht. Schweißverzüge sind eines der Themen, einfache Passgenauigkeit der Teile ein anderes. Die realen finanziellen Verluste durch fehlerhafte Teile für die Verbandsmitglieder könne man, so Berr, pro Jahr gut und gern mit 200.000 Euro oder mehr ansetzen.
Geld, das man bei einem gemeinsamen und fruchtbringenden Angehen des Themas zum Großteil einsparen könnte, dachte sich Berr und fand in Peter Dorninger, dem Gründer und Geschäftsführer von 4D-IT, einen kongenialen Partner zum Entwickeln von Gedanken, die schließlich Ende April 2018 in eine spannende Veranstaltung in den Räumen des FMTI führten.
Nicht alles lässt sich richtig scannen
Dorninger erzählte zuerst von seinen langjährigen Erfahrungen unter anderem auch mit einer Marsmission und zeigte sich dabei sehr schnell als in allen Details der Vermessung versierter Fachmann. So erklärte er, man wäre etwa beim Laserscan draufgekommen, dass sich zB Marmor durch seine unterschiedliche leichte Lichtdurchlässigkeit nicht korrekt scannen lasse und man dafür eine Beschichtung brauche, die man nach dem Scan wieder abwaschen müsse. Nämliches gilt zum Teil auch für spiegelnde Flächen.
Dann erklärte er die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Verfahren des Laserscans und der Photogrammetrie - sie sind je nach Aufgabe und Wiederholbarkeit verschieden. Gleich bliebe aber, so Dorninger, dass es nicht auf die Größe eines Objektes an kommt, denn die Algorithmen sind immer die gleichen. Am Ende des Vortrags folgte eine Vorstellung unterschiedlicher Systeme und auch unterschiedlicher Drohnen, mit denen die Vermessung vorgenommen werden kann.
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Und was heißt das für den Stahlbau?
Richtig spannend wurde es dann bei der anschließenden Diskussion. Der im Thema Digitalisierte Fertigung schon recht weit fortgeschrittene Peter Zeman erzählte von den "durch die wahnsinnige Größenstreuung bei Einzelteilen großen Probleme bei der Automatisierung" und klagte gleichzeitig über die hohe Fehlerwahrscheinlichkeit in Produktion und Montage durch die personalintensiven Punktschweißungen und Bandschweißungen. "Mit einer ordentlichen Vermessung nach der Produktion und Vergleich mit den CAD-Daten käme ich auf 80 Prozent der Fehler."
Eine Investition, die ihm das garantiere, wäre relativ leicht darstellbar.
Ziemlich schnell entwickelte sich die rege Diskussion unter den Anwesenden in Richtung der Frage nach der Möglichkeit eines Messportals für Teile von zwei bis 15 Metern Länge und einem Durchmesser unter 3 Meter.
Dorningers Antwort: “Die Hauptfrage dabei ist wahrscheinlich die Stabilität der Halle oder wo immer die Messeinrichtung angebracht ist. Das Problem ist es, präzise Passmarken zu erfassen, es könnten aber auch vorhandene Strukturen sein, die man benutzt.“
Aber möglich wäre es.
SOLID: Was sind aus Ihrer Sicht die großen Unterschiede zwischen Laserscanning und Photogrammetrie?
Peter Dorninger: Laserscanning ist ein aktives Messverfahren. D.h., ein Lasersignal wird vom Messgerät ausgesendet und am Objekt reflektiert. Aus der Laufzeit des Signales kann die Entfernung ermittelt werden. Photogrammetrische Verfahren nutzen im Allgemeinen die vorhandene Textur der Objektoberfläche, um mittels Bildzuordnung aus mehreren Fotos die von unterschiedlichen Standpunkten aus erfasst wurden, die Objektgeometrie zu ermitteln.
Die größten Vorteile des Laserscannings sind einerseits die weitgehende Unabhängigkeit von natürlicher oder künstlicher Beleuchtung bzw. der vorhanden Textur der zu vermessenden Objekte und andererseits die Möglichkeit, 3D-Punkte bereits von einem Standpunkt aus zu ermitteln. Nachteilig ist die komplexere und daher im allgemeinen kostspieligere Sensorik und dass man zusätzlich zum Lasermesssystem Kameras in das System integrieren muss, wenn man neben der Geometrie auch die Textur erfassen möchte. Bildbasierte Geometrieerfassung (häufig als SFM - Structure From Motion - bezeichnet) kann mit nahezu jeder Kamera realisiert werden. Das Angebot an SFM-Software reicht mittlerweile von gratis Apps für Handys bis zu professionellen Softwarelösungen für den industriellen Einsatz.
Die Stärke der Photogrammetrie liegt somit einerseits in der "einfachen Verfügbarkeit" der erforderlichen Sensorik sowie in der impliziten Erfassung der Textur. Die zwei größten Nachteile sind die zwingende Notwendigkeit die zu erfassende Oberfläche von mindestens zwei Standpunkten zu erfassen und die Tatsache, dass ohne Textur (d.h. ein Muster) eine Erfassung der Oberfläche nicht möglich ist.
Ein Mittelding stellen die meisten sogenannten Nahbereichsscanner dar. Derartige System basieren im Allgemeinen auf dem photogrammetrischen Prinzip der Bildzuordnung. Allerdings werden zusätzlich Musterprojektoren verwendet um so künstliche Texturen auf Objekte zu projizieren. Auf Grund der präzisen Ausführung der Geräte sind meist extrem hohe Genauigkeiten (< 0.1 mm) erzielbar. Nachteilig ist hier allerdings der meist beschränkte Erfassungsbereich (wenige cm² bis m²).
Welche Vor- und Nachteile hat welche Methode für den Stahlbau und seine Anforderungen?
Dorninger: Wie bereits aufgezeigt, haben Laserscanning und Photogrammetrie jeweils Stärken und Schwächen die sich optimaler Weise durch hybride Anwendung der beiden Messverfahren ergänzen. Dies erfordert allerdings entsprechende Messsysteme die beide Sensoren integrieren und adäquate Software und Prozesse die in der Lage sind, derartige Daten, wenn möglich in kurzer Zeit, zu verarbeiten. Aus Kosten- und Effizienzgründen ist daher vorab zu überlegen, welches Verfahren einzusetzen ist.
Ist man an der Oberflächenform von weitgehend untexturieren Objekten interessiert, so sollte man jedenfalls ein aktives Verfahren verwenden. Soll das System kostengünstig sein und man möchte nur den Umriss automatisch detektieren, so kann ein relativ einfaches, kamerabasiertes System durchaus ausreichend sein.
Generell kann man sagen, dass eine kleinräumige Vermessung genauere Ergebnisse liefert und mit kostengünstigeren Messanordnungen erfasst werden kann als großräumige Aufnahmen. Eine wesentliche Entscheidung ist daher, wie man die praktische Integration in den Produktionsprozess realisiert. Unter Berücksichtigung der extrem hohen Genauigkeitsansprüche über das gesamte, zu vermessende Objekt kann es daher durchaus einfacher und kostengünstiger sein ein Messportal zu realisieren welches eine stückweise Erfassung des Objektes zulässt als eine umfassende Vermessung großer Objekte mit der Erfordernis entsprechende Referenzsysteme mit mit hoher Genauigkeit (< 1mm) zu realisieren.
Beim Stahlbaudialog wurde hauptsächlich über Kontrollanwendungen diskutiert - sehen Sie auch andere Anwendungsmöglichkeiten und welche?
Dorninger: Eine umfassende Kontrolle im Zuge der Fertigung ist essenziell, um Fehlentwicklungen im Laufe eines Projektes zu minimieren bzw. rechtzeitig entgegen wirken zu können. Dadurch soll gewährleistet werden, dass nicht erst bei der Endabnahme oder noch schlimmer im laufenden Betrieb Fertigungsmängel aufgedeckt und somit hohe Kosten zur Behebung verursacht werden. Allerdings muss man auch bedenken, dass es im Zuge der meisten Projekte zu Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Gewerken kommt. Die Planung des Architekten unterscheidet sich von der Realität nach den Betonbauarbeiten. Somit ist der SOLL-Plan des Architekten nur bedingt für eine präzise Planung der Folgearbeiten geeignet. Photogrammetrie und Laserscanning können hier eingesetzt werden, um eine solide Planungsgrundlage für weitere Arbeiten zu schaffen. In gewisser Weise ist dies natürlich auch eine Kontroll-Anwendung. Wenngleich nicht zur Kontrolle der Tätigkeiten im Stahlbau, sondern zur Kontrolle der voran gegangenen Arbeiten.
Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten der Initiative des Stahlbauverbands?
Dorninger: Das rege Interesse so wie die konstruktive Diskussion im Rahmen des Stahlbaudialoges haben gezeigt, dass hier durchaus Bedarf für die Etablierung innovativer Technologien besteht. Es ist immer schwierig, neue Prozesse in bestehenden und durchaus bewährten Verfahren zu integrieren. Die Gespräche und Diskussionen haben aber gezeigt, dass den Teilnehmern bewusst ist, dass es im Zeitalter von Industrie 4.0 und BIM - um einige aktuelle Schlagworte anzuführen - zuverlässigere und genauere Verfahren zur Kontrollmessung geben muss als Maßband oder elektrisches Distanzmessgerät.
Ich denke, dass das geplante Treffen im Rahmen einer Besichtigung eines Fertigungsbetriebes sowie die zu erwartende Unterstützung bei der Entwicklung angepasster Messsysteme durchaus eine gute Erfolgsaussicht haben, um die Möglichkeiten der Stahlbauindustrie in Österreich im Rahmen eines kooperativen Projektes zu erweitern und zu verbessern.