Österreich/Baukongress 2020 : Krammer: "Man muss und darf nicht auf das perfekte System warten"
SOLID: Wenn man sich das Programm des Baukongress ansieht, fällt auf: BIM hat eine größere Rolle als bei den letzten Malen und steht an der Stelle, an der früher Forschung und Entwicklung stand. Warum hat man sich dazu entschlossen?
Peter Krammer: Weil es das wichtigste Innovationsthema der kommenden Jahre sein wird. BIM ist mittlerweile von der Theorie wirklich zu einem operativen Werkzeug geworden. Wir haben es in den letzten Jahren über die ÖBV geschafft oder zumindest daran mitgewirkt, dass BIM in die Unternehmen und in die Köpfe kommt – auch durch Initiativen wie die Plattform 4.0. Dort wollen wir fortsetzen und haben daher „BIM in der Praxis“ als große Session im Plenum am ersten Tag vorgesehen.
Was erwartet einen bei „BIM in der Praxis“?
Krammer: Das werden Projekte und Beispiele sein, wie man BIM umsetzen kann. Ich bin sicher, dass die Vorträge sehr, sehr interessant sein werden.
Das Thema BIM ist in den letzten fünf Jahren mutiert von der großen Weltverbesserungsmaschine für die Bauwirtschaft zur Hinwendung zu kleinen Dingen, die funktionieren, und zu deren Verbindung. Stimmt mein Eindruck, dass wir ein bisschen wegkommen vom Diktum: Wir müssen erst einmal warten, bis alles standardisiert ist?
Krammer: Ich glaube, dass mittlerweile viele bemerkt haben, dass man auf das perfekte System nicht warten muss und auch nicht darf. Jetzt heißt es: klein anfangen, schauen was geht, einzelne Gewerke und Module herausnehmen und vor allem die Leute schulen.
Das Eis ist gebrochen und die Scheu ist nicht mehr in dem Ausmaß vorhanden.
Es gibt natürlich ein paar große Unternehmen, die voranschreiten – und das ist auch in Ordnung so, weil sie das Potenzial haben. Aber ich glaube, dass es für die gesamte Branche ganz wichtig ist, dass wirklich ALLE mitgenommen werden.
Es müssen ja auch die Subunternehmer mitspielen, oder?
Krammer: Es müssen die Subunternehmer mitspielen, es müssen die kleineren Generalunternehmer mitspielen, es müssen die Bauherren mitspielen und es müssen die Planer und die Architekten mitspielen – wirklich alle! Und da gibt es auch schon einige herausragende Beispiele.
Da sprach jetzt der Vorstandsvorsitzende der ÖBV aus ihnen. In ihrer anderen Funktion als Strabag-Vorstandsmitglied sahen sie sich ja dem Vorwurf ausgesetzt, große Unternehmen wie eben die Strabag, aber auch die Porr würden sich mit ihrer Power einen Vorsprung sichern und die anderen blieben über.
Krammer: Dazu möchte ich etwas aus der ÖBV vorwegnehmen. Es hat ja immer die Bestrebungen gegeben, einen Merkmalserver zu haben. Das wäre in der geplanten Version schön gewesen und ich wäre auch dafür gewesen, aber das hat sich nicht materialisiert. Die Auftraggeber wollten einen eigenen, die Strabag hat einen und andere Unternehmen haben auch einen, jeder ein bisschen anders. Wir als ÖBV haben als Antwort darauf einen Prototypen entwickelt, der sich Merkmalservice nennt und bei dem die einzelnen Merkmalserver gematcht werden, um die Dinge ineinander zu übersetzen. Seit wenigen Tagen (das Interview wurde am 10.2. geführt, Anm.) haben wir dafür ein FFG-Projekt genehmigt bekommen, das Anfang April beginnen wird und über die TU Wien läuft.
Dazu gibt es ganz, ganz breite Zustimmung unter allen Unternehmen.
Außer BIM gibt es noch zwei weitere Themen, die in zunehmendem Maße durch die Bauwirtschaft geistern. Das eine ist alles, was mit neuen Vertragsformen zu tun hat, das andere ist Lean Construction. Wie tragen Sie diesen Themen Rechnung?
Krammer: Alternative Vertragsmodelle und deren Verträglichkeit mit dem Vergaberecht behandeln wir in der ÖBV in einem Arbeitskreis. Wir erarbeiten da Modelle und werden das auch beim Baukongress thematisieren. Und das Thema Lean Construction tritt bei der Abwicklung von Bauprojekten aller Art immer wieder auf – und solche Lean-Projekte werden wir natürlich auch vorstellen.
Man soll sehen, dass das irrsinnig wirkungsvoll und gleichzeitig kein Hexenwerk ist.
Eine Übersicht zum gesamten Vortragsprogramm gibt es unter www.baukongress.at
SOLID ist Offizieller Kooperationspartner des Baukongress 2020 und wird im Zuge dessen im SOLID Newsletter exklusiv über ausgewählte Vorträge vorinformieren.