Österreich : Konjunkturbarometer: zu wenige Lehrlinge bei guter Wirtschaftslage
„Generell sind wir mit der Entwicklung der Branche zufrieden“, fasst Franz Josef Eder, Präsident des Verbands Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke (VÖB), die Ergebnisse des aktuellen Konjunkturbarometers zusammen. Der Wohnbau sorgt österreichweit weiterhin für die meisten Umsätze, auch Industrie- und Gewerbebau entwickeln sich gut. Rund die Hälfte der befragten Unternehmen gab an, dass die Umsätze im ersten Halbjahr 2019 gestiegen sind. Die Gründe dafür: Die allgemein gute Baukonjunktur führte zu Zugewinn von Kunden, dazu gesellten sich Veränderungen im Marktsegment, Ausbau des Leistungs- bzw. Produktportfolios, Ausbau der eigenen Kapazitäten, Erschließung neuer Geschäftsfelder und nicht zuletzt Firmenzukäufe bzw. Fusionen. Grundsätzlich blickt die Branche optimistisch in die Zukunft: Der Großteil der Befragten – zusammengerechnet stolze 90 Prozent – geht davon aus, dass sich das Jahr 2019 für das eigene Unternehmen sehr oder eher zufriedenstellend entwickeln wird. 40 Prozent der Befragten rechnen außerdem mit einer Umsatzsteigerung, vor allem aufgrund der nach wie vor guten Wirtschaftslage.
Problemkind Lehrlingsausbildung
Anlass zur Sorge gibt hingegen die Personalentwicklung, speziell im Bereich der Lehrlingsausbildung. Zwar stehen derzeit über 100 Lehrlinge in ganz Österreich bei den Betrieben der Branche in der Ausbildung, gleichzeitig sind aber auch Lehrstellen vakant. „Mehr als 40 Prozent der Befragten haben angegeben, dass sich zu wenige Interessenten auf die offenen Lehrstellen bewerben. Nur 21 Prozent sind mit der Situation zufrieden“, zeigt Franz Josef Eder auf. Besonders alarmierend: 91 Prozent der befragten Unternehmen haben angegeben, aktiv Maßnahmen zu treffen, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. „Dass ein Großteil von ihnen dennoch keine Auszubildenden findet, zeigt, dass es an anderer Stelle hakt“, so der VÖB Präsident weiter.
Deshalb wurde auch abgefragt, welche Gründe die Mitgliedsunternehmen des VÖB hinter der Lehrlingsflaute vermuten. Eder: „Die Antworten sind sehr aufschlussreich und reichen von Eintönigkeit im Industriebetrieb über zu geringe Aufstiegschancen und hoher Lärmbelastung bis hin zu gesellschaftlichen Gründen.“ Letztere umfassen etwa den gesellschaftlichen Rang von Arbeitern versus Angestellten sowie den Umstand, dass eine höhere schulische Ausbildung in der Gesellschaft mehr zählt als Handwerk. Gleichzeitig zeigt sich die Branche aber auch durchaus selbstkritisch: „Unsere Arbeitsplätze sind attraktiv und werden laufend an aktuelle Entwicklungen angepasst. Das muss auch über Marketing der Öffentlichkeit bzw. potenziellen Mitarbeitern bekannt gemacht werden“, lauten weitere Antworten.
Bürokratie bremst Lehrlinge
Für den VÖB Präsidenten kommt noch ein weiterer Grund hinzu, der einen Ansturm auf freie Lehrstellen zum Betonfertigungstechniker verhindert: „Die Artikel 15a-Vereinbarung zwischen den Bundesländern blockiert jegliche Flexibilität in der Zuteilung der Lehrlinge zu Berufsschulen. Anstatt die Berufsschule zu besuchen, die für sie am besten erreichbar ist, werden Lehrlinge durch die Schulbürokratie immer wieder dazu gezwungen, quer durch Österreich zu reisen.“ Das Ergebnis: Lehrlinge wählen andere Berufe, für die sie die Berufsschule entweder am Heimatort oder zumindest in zumutbarer Entfernung zum Wohnort besuchen können.
„Der Standort einer Berufsschule kann ausschlaggebend dafür sein, ob ein junger Mensch eine Lehre in der Baubranche beginnt oder nicht“, fasst Eder zusammen.
Nachhaltigkeit spielt immer größere Rolle
Erstmals wurde die Branche auch zum Thema Nachhaltigkeit am Bau befragt. Die Resonanz war eindeutig: Für 92 Prozent der Befragten ist Beton ein nachhaltiger Baustoff. Ein nachhaltiges Bauwerk sollte dabei unter anderem folgende Merkmale aufweisen: hohe Lebensdauer, Recycling der Baumaterialien, niedriger Energiebedarf des Gebäudes im Betrieb, Einbau von wiederverwendbaren Bauteilen. Die Befragten waren sich auch einig, dass Nachhaltigkeit in Zukunft eine immer größere Rolle im Bauwesen spielen wird – angefangen von der CO2-Gesamtbilanz eines Gebäudes über die gesamte Lebensdauer sowie rasches und kostengünstiges Bauen bis hin zu naturnahen regionalen Baustoffen und dem vermehrten Einsatz von Bauteilaktivierung.
Verbesserungsbedarf in den Abläufen
„Grundsätzlich sind wir zufrieden mit den Entwicklungen in der Branche“, fasst VÖB Präsident Eder zusammen. Wie im Vorjahr gebe es allerdings gehäuft Probleme in der Abwicklung: „Eine besser geplante Organisation der Abläufe, rechtzeitige Bestellungen, weniger Planänderungen und dergleichen mehr würden dazu beitragen, die Produktivität unserer Branche sowie des gesamten Bauwesens weiter zu steigern.“