SOLID Plus : KH Nord-Skandal: Krankheit im Bau
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„Bauprojekte der öffentlichen Hand sind erheblicher Teil unserer Baukultur. Umso wichtiger ist ihre transparente und qualitätsvolle Abwicklung. ... In diesem Zusammenhang möchten wir ganz deutlich festhalten, dass wir gerade die Stadt Wien als verantwortungsvolle und besonders kompetente Auftraggeberin kennen, ...“ Dieses Statement stand am Anfang einer Medieneinladung (mit Hauptthema „Skandal Stadthallenbad“) im Jänner dieses Jahres. Merkwürdig, dass man sich zuerst einmal so absichern muss, bevor man Kritik äußert, die letztlich Kritik an öffentlicher Misswirtschaft und Geldverbrennung auch auf den Schultern der Bauwirtschaft (inklusive Architekten) ist. Schwerer fassbar als das Stadthallenbad, Westbahnhof, WEV-Turm etc. ist allerdings das Krankenhaus Nord in Wien Floridsdorf. Dafür ist es noch teurer. Der Sündenfall Sehen wir uns einmal die wahrlich abwechslungsreiche Geschichte an, gehen ihr nach und ziehen wir dann unsere Schlüsse.
Als Sieger aus einem Wettbewerb zur Errichtung dieses Großprojektes ging 2008 das Healthteam Albert Wimmer (übrigens Ehemann der Wiener SPÖ-Frauengesundheitsbeauftragten Beate Wimmer-Puchinger). Man plante ein „Wohlfühlspital“ mit „Kempinskyausstattung“.
Errichtet sollte das 800-Betten-Spital als PPP (Privat Public Partnership) Projekt werden. Bis 2010 hatte der KAV (Krankenanstaltenverbund) mit dem Bieterkonsortium Porr/Siemens/Vamed verhandelt. Dieses hätte ein fertiges Spital hingestellt, wäre für alle Baukosten- und Zeitüberschreitungen verantwortlich gewesen und hätte den laufenden technischen Betrieb (wiewohl nicht den medizinischen) übernommen. 2010 war allerdings plötzlich Schluss mit PPP und der KAV beschloss, die einzelnen Bauarbeiten gewerkeweise selbst zu vergeben.
Die vom Bieterkonsortium bis dorthin erbrachten Leistungen wurden mit 9,2 Millionen Euro abgegolten.
Der KAV kaufte das Grundstück (ohne U-Bahn-Anbindung) zwischen den Geleisen der Bundesbahn (Fachleute schließen Störungen der medizinischen Geräte durch Erschütterungen und Lärm nicht aus) und legte den Grundstein. Seither wird gebaut und es wird immer teurer. Die Kostenspirale Anfangs verkündete man ca. 500-600 Mio. Euro Kosten und einen Fertigstellungstermin 2012/2013. Im März 2010 verlautbarten die Geschäftsgruppe für Gesundheit und Soziales/Stadträtin Sonja Wehsely und der damalige Generaldirektor des KAV, Wilhelm Marhold, dass sich an Kosten, Zeitplan, Qualität nichts ändern werde (damals schätzte man die Kosten auf 825 Millionen Euro). Im gleichen Jahr rechnete die ÖVP-Gemeinderätin Ingrid Korosec mit bis zu 1,3 Milliarden Euro für das Krankenhaus. 2013 kündigte der KAV nochmals 825 Millionen Baukosten und den Vollbetrieb für 2016 an. Im Vorjahr war von 958 Millionen und Vollbetrieb 2017 die Rede. Heuer im Sommer sprach man von 1,050 Milliarden Euro und es wurde die Fertigstellung für Ende 2017 garantiert. Die Be- und Übersiedlung der einzelnen Abteilungen sei für 2018 geplant. In allen diesen Angaben sind im übrigen die Finanzierungskosten nicht enthalten - der KAV gibt sie nicht bekannt. Dass heute, 2016, bereits offiziell von 1,1 Milliarden Baukosten gesprochen wird und Wehsely immer noch die Frage von SOLID nach den endgültigen Kosten mit 1 Milliarde beantwortet, ist zumindest verwunderlich. Korosec ihrerseits schätzt die Kosten auf 1,5 Milliarden ohne die Kosten für die medizinischen Geräte, die allerdings teilweise aus den aufzulassenden Spitälern übersiedelt werden. Im KH-Nord kostet somit ein Bett 1,4 Mio. Euro. Ein Spitalsfachmann (der anonym bleiben will) meinte, dass um 200-500.000 Euro ein Bett in einem - größenmäßig vergleichbaren - Spital jederzeit möglich sei.
Es stellt sich die Frage, wie der KAV, der die Aufgabe hat, kranke und pflegebedürftige Menschen in Wien medizinisch, pflegerisch und psychologisch zu betreuen, den Bau dieses Projektes managen kann. Der Verdacht der Überforderung liegt nahe. So wurden zum Beispiel durch Beamte der Finanzabteilung der Stadt einen größeren Betrag des 300 Mio. EIB Darlehens für das KH Nord viel zu früh abgerufen. Dieser Fehler bescherte den Wiener Steuerzahlern Mehrkosten in der Höhe von 3,6 Millionen Euro und die fehlen natürlich dem Bau. Und wir wagen die Aussage: dem Bau fehlt mehr als die scheinbare Ersparnis durch Einzelvergaben. Dass einzelne gewiefte ausführende Unternehmen nun im Laufe des Baus versuchten, durch geschicktes (manchmal wohl auch übertriebenes - so wissen wir es zumindest von anderen Großprojekten) Claim-Management zu mehr Geld/Gewinn zu kommen, um die - im damals sogar rechtlich notwendig gemachten Preisdumping-Bewerb - zu tiefen Angebotspreise auszugleichen, soll nicht verschwiegen werden und steht ursächlich damit im Zusammenhang. Da läuft etwas schief Im Dezember 2013 schlugen dann mehrere Firmen beim KAV Alarm und begründeten ihre Sorge mit „schweren Systemfehlern“ und einem „unrealistischen Terminplan“. Kurz darauf ging der damalige KAV-Chef Wilhelm Marhold in Pension. Neuer Boss über Europas größtes Spitalsunternehmen mit 30.000 Mitarbeitern und drei Milliarden Budget wurde Marholds Vize Udo Janßen (der als Spitzenverdiener mit einer Billig-Wohnung um 370 Euro für 90 Quadratmeter in einem KAV-Haus für einkommensschwache Mitarbeiter zu medialer Aufmerksamkeit kam).Im Sommer 2014 suchte der KAV sodann eine neue Projektleitung. Aus der ersten Stufe dieser Ausschreibung kamen die acht billigsten Bieter in die zweite Runde, schließlich bekamen die Moser Architects den Zuschlag. Diese waren beim ursprünglichen Architekturwettbewerb lediglich auf dem 3. Platz gelandet. Ein Mann im Hintergrund Der wichtigste und vielleicht mächtigste Mann, der bis vor kurzem die Geschicke des Krankenhausbaus in Wien mit verantwortete, war Friedrich Prem, Vertragsbediensteter der Stadt im KAV. Als Bauherrnvertreter managte er die Vergabe von Aufträgen und kontrolliert, ob sie ordentlich umgesetzt wurden. Am 1. Februar 2016 ließ Prem sich karenzieren, der Grund war möglicherweise ein 21 Seiten starker Bericht der internen Revision des KAV mit schwerster Kritik an seiner Arbeit (Falter 9/16). Prem ist nach diesem Bericht nicht nur Beamter, sondern auch Unternehmer. Er verwertet das Wissen, das er als städtischer Bauherrenvertreter gesammelt hat, dabei für sich privat: als Geschäftsführer einer Firma namens Precon und als Stifter einer in Berlin ansässigen Stiftung namens World Construction Client Council (WCCC), die er allein vertritt. Die Stadt Wien (KAV) akzeptierte seit dem Jahr 2000(!) Prems Nebenjobs. Spitals-Immobilien: unübersichtliche Verhältnisse Damit aber nicht genug: Es gibt noch einen riesigen Bereich, der für Immobilienentwickler, Baufirmen und Steuerzahler interessant ist, aber in der Öffentlichkeit wenig Beachtung findet: Was passiert mit den Immobilien, die - nach Verlegung der diversen Spitäler und Abteilungen in den Neubau - frei werden? Betroffen sind allein in diesem Fall folgende nicht so kleine Einrichtungen: Das Krankenhaus Floridsdorf, die Semmelweis Frauenklinik und das Orthopädische Krankenhaus Gersthof. Sie alle werden komplett in das neue Spital integriert. Aus anderen KAV-Spitälern übersiedeln einzelne Abteilungen. Solid fragte daher Stadträtin Sonja Wehsely, was aus diesen Immobilien wird? Wehselys Antwort: "Die genannten Standorte sind Krankenhäuser des Krankenanstaltenverbunds. Er ist Betreiber von Akutspitälern, Pflegewohnhäusern und Geriatriezentren. Er verwertet Immobilien, die im Rahmen des Spitalsbetriebes nicht mehr genutzt werden, nicht selbst, sondern beauftragt entweder die Wiener Standortentwicklung WSE mit der Erstellung von Nachnutzungskonzepten oder meldet den Leerstand an das Immobilienmanagement der Stadt Wien, Magistratsabteilung 69." Wird es dann anstelle der zwölf bestehenden nur mehr sieben KAV-Krankenhäuser in Wien geben? Wehsely: "Ja, neben dem AKH wird die medizinische Versorgung Wiens künftig in drei Regionen organisiert. Das Wiener Spitalskonzept 2030 und den Medizinischen Masterplan haben wir genau deshalb entwickelt, weil Wien wächst. Deshalb müssen wir die Wiener Spitäler jetzt fit machen für die Zukunft. In Summe wird die Stadt Wien 4 Milliarden Euro in das Wiener Spitalkonzept 2030 investieren." Wer baut das KH Nord, GU oder KAV? Bei wem liegt die Verantwortung? Der Wiener Krankenanstaltenverbund ist Bauherr und verfügt über eine bereits vom Stadtrechnungshof geprüfte und für gut befundene Programmstruktur mit Programmleitung, Projektsteuerung, Örtlicher Bauaufsicht und Begleitender Kontrolle (Anm.d.Red.: Der Stadtrechnungshof ist eine nicht weisungsfreie Institution der Gemeinde Wien. Er hat - entgegen der Aussage von Wehsely - bereits 2014 deutliche Mängel und Fehler beim KAV festgestellt). Die KHN-Programmleitung besteht aus einem KAV-Team, in dem wirtschaftliche Kompetenz, bautechnische Kompetenz und IKT-Kompetenz abgedeckt sind. Projektsteuerung, Örtliche Bauaufsicht und Begleitende Kontrolle sind KAV-externe ExpertInnen auf den jeweiligen Gebieten und haben Steuerungs- und Kontrollfunktionen. Die Letztverantwortung liegt beim Bauherrn, also beim KAV." Diese doch sehr allgemein gehaltenen Antworten veranlassten uns, bei der MA 69 und der WSE nachzufragen. Bei der MA 69 konnte/wollte man uns zuerst gar nichts sagen und verwies auf die WSE. Dort erfährt man, dass die meisten der Grundstücke dem KAV selbst gehören, dieser sei jedoch eine Institution der Gemeinde Wien. Was jedoch im Endeffekt mit den Grundstücken passieren wird, könne nur der KAV beantworten. Bei den drei angefragten Immobilien - Floridsdorf, Gersthof und Semmelweis - gibt/gab es nur bei Letzterer eine „begleitende Funktion“ des WSE. Also fragten wir beim KAV nach und erfuhren, dass man uns das nicht sagen könne, weil die Grundstücke der Stadt Wien gehörten. Man kümmere sich nicht selbst um die Nachnutzung, sondern übertrage das der WSE und der MA 69 - womit sich der Fragekreis geschlossen hatte. Konfrontiert mit den Aussagen von WSE und Magistrat versprach der KAV das zu klären. Bis zum Redaktionsschluss erhielten wir keine Antwort. Schließlich meldete sich noch der Pressesprecher der MA 69 und formulierte: „So weit ich Ihnen Auskunft geben kann, mache ich das natürlich gerne. Unter den geänderten Rahmenbedingungen, das heißt unter der Immobilienstrategie der Stadt Wien, nach der sich sämtliche Bereiche mit der MA 69 abstimmen, werden freie Liegenschaften uns gemeldet und eine gemeinsame Vorgangsweise abgestimmt.“ Auf die konkrete Frage, wem die drei Liegenschaften denn gehören, sagte er allerdings: „Das kann ich Ihnen nicht beantworten! Ich weiß nur bei der Semmelweis-Klinik, dass sie dem KAV gehört!“ Fazit: Bei sehr, sehr vielen Vorgängen rund um das KH Nord ist durch Fehler und Ungeschicklichkeit viel Geld verloren gegangen, das man besser in einen anständigen Bau und einen kompetenten Generalunternehmer gesteckt hätte. Wem gehört heute was?
Diese Spitalsflächen und -gebäude werden durch das KH Nord frei. Nachnutzungskonzept gibt es (bis auf die zur Hälfte bereits verkauften Semmelweis-Gründe - aber ist das eine Nachnutzung?) bis dato keines. 1. Orthopädisches Krankenhaus Gersthof Gesamtfläche: 16.568 m² (Bau- und unverbaute Fläche), zu 100% im Besitz der Gemeinde Wien. 2. Semmelweis-Frauenklinik
Gesamtfläche des gesamten Klinik-Areals: 51.607 m² (Bau- und unverbaute Fläche).Die Hälfte des Grundstückes ist bereits verkauft und zwar: 2.490 m2 seit 2012 an die Scotia Handelsgesellschaft m.b.H. und 23.297 m2 seit 2012 an die AMADEUS VIENNA Campus Eigentümergesellschaft mbH. 3. Sozialmedizinisches Zentrum Floridsdorf
Gesamtfläche: 15.171 m² (Bau- und unverbaute Fläche), zu 100% im Besitz der Gemeinde Wien