Gemacht wurde es schon länger, und der Liebhaberei ist es auch entwachsen: das Verwenden von Beton als Speicher für Wärme und - in unseren Breiten seit dem vergangenen Sommer sehr aktuell - Kälte.Doch dafür, dass diese zukunftsweisende Energietechnologie endgültig die kritische Masse erreicht und überschreitet, braucht es mehr. Da reicht es nicht, dass in der Praxis erfolgreich gearbeitet wird. Da braucht es belastbare Forschungsergebnisse und daraus folgende Normen und Rechenkerne, damit Architekten, Bauträger etc. an den in der Menge interessanten Einsatz dieser Technologie denken und ihre Kosten und Nutzen für ein Bauwerk schnell kalkulieren können. Forschungsmäßig mit dem Thema Bauteilaktivierung intensiv befasst ist Gunther Graupner, der Leiter der Innovations- und Forschungsstelle der Bauakademie Salzburg. Er forscht hauptsächlich zur Neubausimulation, aber "wir sind auch schon dran am Einbringen von aktiviertem Material in bestehenden Putz".Graupner: "Wir haben damals 2012/13 begonnen, mit einer kleinen Firmengruppe das Thema zu bearbeiten. Es gab damals zum Glück schon den Experten Harald Kuster und seine funktionierenden Häuser und das Interesse der Baufirmen und Zementindustrie. Aber es hat an wissenschaftlich bestätigten Grundlagen noch fast alles gefehlt."So entstand der Simulationsraum in Salzburg. "Die Ergebnisse waren so, wie wir sie erwartet haben. Und jetzt kommen langsam noch die einen oder anderen positiven Überraschungen dazu."Und wo ist der nächste große Schritt zur Makteroberung? "Es sind eigentlich die vielen kleinen Schritte, die den Erfolg ausmachen." Wie zum Beispiel, dass man draufkommt, dass auch unbeheizte Teile die Wärme mit minimaler Abweichung speichern, dass also wesentlich mehr Masse aktiv ist, als man ursprünglich dachte. Ein Stadtteil (fast) aus Abwärme Ein weiterer wichtiger Stakeholder im Bereich Bauteilaktivierung ist Felix Friembichler vom VÖZ. Er argumentiert das Thema, das ihm naturgemäß sowohl am Herzen als auch an der Brieftasche liegt, von den politisch vorgeschriebenen Klimaschutz- und Effizienzzielen her. Die großen Hebel dabei sind Energiequellen, Energietransport und -lagerung, Bauwerksqualität und Nutzerverhalten. Friembichler: "Die Bauwerksqualität in Verbindung mit der Bauteilaktivierung spielt in zwei dieser Themen ganz massiv hinein. Durch die Verwendung von Heizungsmedien mit sehr niedriger Temperatur ist erneuerbare Energie eine Riesenthema. Und das sind nicht nur Sonne und Wind, sondern auch zB industrielle Abwärme, Kühlungsumnutzung etc."Die klassische Fernwärme fährt auf Temperaturniveau von 130 Grad bei alten und 90 Grad bei neuen Anlagen. "Das ist aber um Eckhäuser über dem, was wir brauchen." Das sind nämlich 20 bis 35 Grad, was schon allein logischerweise wesentliche Vorteile in der Effizienzbetrachtung bringt.Und auch beim Speicher hat es in jüngerer Vergangenheit Riesenschritte gegeben. "Wir sind relativ weit mit dem Erdwärmespeicher mit vielen Bohrungen in 5-Meter-Abständen und als Tiefenspeicher." Die davor verwendeten Oberflächenspeicher hatten sich als problematisch für die Flora und fürs Grundwasser erwiesen, die neuen Wärmelager liegen bis zu 200 m tief in der Erde. Die allerneueste Sache allerdings hat die innerstädtisch Abwärme zum Thema - und dafür müssen wir zum westlichen Nachbarn in die Schweiz schauen. Die Kühlung von Rechenzentren als Riesenthema ist jedem bewusst, der schon einmal in einem solchen war - und nicht nur im Sommer. Doch daraus lässt sichauch etwas machen. In mehreren miteinander vergleichbaren Projekten der Schweizer Ingenieurunternehmung Amstein & Walthert zeigte sich, dass die nutzbaren Abwärmemengen in einer der Modell-Siedlungen etwa 80 % des gesamten Wärmebedarfs dort entsprechen, im Endausbau ist sogar mehr möglich. "In der gesamten Stadt Zürich könnten es unserer Einschätzung nach ca. 12 % sein", sagt Jakob Scherer, der Projektleiter Energie bei Amstein & Walthert. Diese sogenannten Anergie-Projekte funktionieren folgender Maßen: Herzstück ist eine Ringleitung mit Betriebstemperatur von ca. 20 Grad. Dort kommt die Abwärme hinein, die Überschusswärme wird über Wärmetauscher in den Bodenspeicher abgeleitet. Das 20-Grad-Medium reicht für die Kühlung der bauteilaktivierten Objekte bereits aus und mit Speicher für Heizung. Keine Verbrennungsprozesse mehr Die Perspektive ist für Felix Friembichler klar: "Für Wohnzwecke werden wir komplett weg von Verbrennungsprozessen kommen. Die wird es nur mehr in der Industrie geben."Ein aktivierter Bauteil, das ergeben die Forschungen, speichert Energie für ca. 1 Woche, in der man ohne Energiezufuhr von außen die Konfortzone des Wohnens nicht verlässt. Gerade in Zeiten mit zunehmend großen Temperaturschwankungen ist das ein riesiges Thema. Dazu käme ein "ungeheuer gutes Wohnklima". Forscher Graupner: "Wir haben in unserem Simulationsraum alle fünf Zentiemeter einen Temperaturfühler eingebaut und zwischen beheizten und nicht beheizten Bauteilen nur 0,7 Grad Unterschied gefunden. Das heißt: Jedes Kilo Masse wirkt, nicht nur das beheizte!" "Nie dagewesener Umbruch in der Baubranche" Der Praktiker im Bunde der Bauteilaktivierer ist Harald Kuster. Wir erinnern uns: Gunther Graupner hatte gesasgt, seine Häuser funktionierten bereits, ohne dass er die wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse dazu hatte. Naheliegend daher unsere Frage: Woher wussten sie das? Kuster: "Viel Erfahrung, viele Tests". Und dann legt er los. DieHeizkessel seien über Jahrzehnte viel zu groß dimensioniert worden, die Norm daher veraltet. "Die Heizlast wird noch immer von der maximal kältesten Außentemperatur her berechnet- und das ist bei der Weiterentwicklung der Dämmtechnik der komplette Wahnsinn. Wir haben den Wärmebedarf um den Faktor 10 reduziert, aber es haben sich die Systeme nicht geändert."Braucht man dann überhaupt noch Dämmung? "Ein Haus ohne Dämmung ist nicht realistisch, aber die derzeit geforderten 30 cm sind nicht nötig" (Kuster) und "haben bautechnisch sogar massive Probleme verursacht" (Friembichler) Die Verbreitung der Sache steht und fällt mit der Akzeptanz durch die Bauträger - logisch daher unsere Frage: wie kommt man mit dieser Technologie ins Wohnbaupaket? Felix Friembichler: "Die Kundschaft wird das bestimmen - und es liegt an uns, die Erfahrungen aufzbereiten und vor allem die Schulung entsprechend zu verbessern. Die Baubranche ist in einem Umbruch begriffen, den es bis jetzt noch nie gebeben hat und es werden sich die Strukturen der Verantwortungen komplett ändern müssen. Das muss bis zum Arbeiter und zum letzten Lehrling durchdringen". Auch Grundkenntnisse von anderen Gewerken werden nötig sein, weil der Baumeister immer mehr zum einzigen Ansprechpartner wird, da sich die Kunden das wünschen."Wichtig ist, das alles in Normen einbringen zu können. Aber es wird erst frühestens in zwei Jahren möglich sein, da tatsächlich etwas zu bewegen, aber das ist eben Österreich."Und wie schaut das Bild europaweit aus? Friembichler lächelt: "Die europäischen Normen lassen Bauteilaktivierung ganz leicht zu, weil das Thema eigentlich tot geschwiegen wird. Die Deutschen befassen sich schon damit, aber in ihrer berühmten Gründlichkeit. Wir haben hier also keine Hürden, da sind wir eher voraus." Es geht ums Angreifenkönnen Entscheidend für die Verbreitung sei aber vor allem, dass man es sich wo anschauen kann, und wzar sowohl im In- (da gibt es etliche Plätze vor allem im Bundesland Salzburg wie etwas das Kulturzentrum Hallwang, man blickt aber bereits massiv nach Osten in die Wiener Gegend) als auch im Ausland. "Wir müssen anstreben, dass dieses Wissen mit den österreichischen Baufirmen ins Ausland geht. Das ist der schnellste Weg zur Verbreitung. Das hat ja im Straßenbau und im Tunnelbau funktioniert, nur verschlafen wir dort derzeit das Anknüpfen. Das soltle uns bei der Bauteilaktivierung nicht passieren."