Österreich : Immobilienwirtschaft: „Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein“
Die Conclusio: Digitalisierung dürfe kein Selbstzweck sein, sondern bringe nur gezielt eingesetzt die versprochenen Mehrwerte.
So sei Digitalisierung in der hiesigen Immobilienwirtschaft immer noch ein zu wenig wichtiges Thema, befand Steffen Robbi, Geschäftsführer des Innovationstreibers „Digital Findet Stadt“ – besonders kleine und mittlere Unternehmen der Baubranche reagieren noch immer zurückhaltend auf die vorschreitende Digitalisierung oder verfügen über zu geringe Kapazitäten für Forschung und Innovation. „Die gute Auftragslage bedingt bei vielen Betrieben wenig Zeit für Weiterentwicklungen dieser Art. Hinzu kommen Unsicherheiten, fehlende gesetzliche Rahmenbedingungen und Standardisierung – sprich, der Innovationsdruck ist auch nicht vorhanden“, analysierte Robbi.
Um die Immobilienwirtschaft ökologisch nachhaltig zu gestalten, brauche es aber eben auch digitale Plattformen und Tools. „Die Zukunft spricht BIM, allein in der Planung lassen sich 30 Prozent Ressourcen einsparen. Es wird allerdings noch viel zu wenig genutzt, vor allem im Betrieb“, so Steffen Robbi. „Der Mehrwert der Digitalisierung entsteht jedoch besonders dann, wenn alle Branchenteilnehmer aus dem Gebäudelebenszyklus an einem Strang ziehen und Innovationen gemeinsam vorantreiben. Hier bietet ‚Digital Findet Stadt‘ ein umfassendes Netzwerk.“
Daten sind der „Game Changer“
Grigor Hadjiev von der Allianz Real Estate bezeichnete Daten, die aus smarten Gebäuden ausgelesen werden können, als „Game Changer“ – es könnten sich daraus erhebliche Vorteile ergeben, insbesondere im Hinblick auf den nachhaltigen Betrieb und für das Wohlbefinden der Nutzer. „Die Daten, die wir aus der Betriebsleistung von intelligenten Gebäuden gewinnen, können genutzt werden, um besser informierte Asset-Management-Entscheidungen im Hinblick auf die Dekarbonisierung des Gebäudes zu treffen. Digitalisierte Gebäude können auch besser auf die Nutzer abgestimmt werden, zum Beispiel wenn es darum geht, das Nutzererlebnis und die Arbeitsbedingungen zu optimieren“, konstatierte Hadjiev.
Wolfgang Scheibenpflug, Geschäftsbereichsleiter Immobilien- und Standortmanagement der Flughafen Wien AG, skizzierte die Möglichkeiten der Digitalisierung anhand des Office Park 4, eines kürzlich eröffneten Büroobjekts am Wiener Flughafen. „Wir wollen der erste Flughafen dieser Größe sein, der CO2-neutral ist. Der Office Park 4 ist ein Meilenstein: Für die Energieeffizienz wurde er mit dem Platin-Zertifikat der ÖGNI ausgezeichnet, zudem erhielt er zusätzlich ÖGNI Kristall für die Einbeziehung soziokultureller und funktioneller Aspekte. Er ist damit Österreichs nachhaltigstes Bürogebäude“. Beim Office Park 4 kam modernste digitale Technologie zum Einsatz. „BIM gab uns Planungssicherheit; vor Baubeginn wurde das Gebäude in einer virtuellen Begehung simuliert. Digitalisierung hilft beim Thema Nachhaltigkeit, aber auch bei menschlicher Interaktion. Es wurden Sensoren für eine optimale Gebäudeeffizienz verbaut“, so Scheibenpflug.
Christoph Schmidt von Drees & Sommer, das Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Immobilien berät, erörterte das Konzept der sogenannten „Customized Smart Buildings“. Im Zentrum stehen dabei der Mensch und seine Bedürfnisse. Schmidt: „Bisher haben sich Nutzer von Gebäuden den Gegebenheiten, die sie vorgefunden haben, angepasst. Das Bürogebäude der Zukunft wird hingegen digital vernetzt geplant und passt sich individuell an die Nutzer und deren Gewohnheiten an.“ (PM)
Nur sinnvolle digitale Technologien nutzen
Bei den von künstlicher Intelligenz gesteuerten Customized Smart Buildings basiert alles auf einem ausgeklügelten Zusammenspiel von Planungs-, Gebäude- und Nutzer-Daten. „Intelligent vernetzte Gebäude analysieren den laufenden Betrieb, die Nutzer und die Umwelt und sorgen für eine sukzessive Optimierung. Die Abläufe werden dadurch immer effizienter, es entstehen wirtschaftliche und ökologische Mehrwerte für alle Beteiligten“, so Christoph Schmidt. „Sollten etwa Komponenten einer technischen Anlage gewechselt werden müssen, reagiert das smarte Gebäude vorausschauend darauf: Es erkennt das, leitet Prozesse ab, führt von selbst entsprechende Maßnahmen ein – und macht zudem neue Geschäftsmodelle möglich.“
Doch Digitalisierung von Immobilien dürfe nicht um der Digitalisierung willen erfolgen. „Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein: Wir überlegen bei jedem Projekt mit dem Errichter ggf. aber auch dem zukünftigen Eigentümer, Nutzer und/oder Betreiber genau, wie viel digitale Technologie überhaupt notwendig ist und in welcher Form diese Sinn macht“, betonte Schmidt. Bei einer ganzheitlichen Digitalisierungsstrategie gehe es stets darum, die Prozesse und das Nutzererlebnis zu verbessern und den nachhaltigen Betrieb der Immobilie sicherzustellen. Der richtige Mix aus digital und analog sei die nachhaltige Lösung und entscheide letztlich, ob ein Projekt zum Erfolg oder Misserfolg wird.