SOLID Plus - Österreich : Immo-Poker in Österreich: Vom Nehmen und Genommenwerden
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In Form einer Aussendung hielt die Pressestelle der conwert am 28. April eine Lehrstunde darin, wie ein tadelloser Eiertanz auszusehen hat. Nach der vorsichtigen Überschrift „Mögliche personelle Änderungen im Geschäftsführenden Direktorium“ heißt es dort: "Die im österreichischen ATX gehandelte conwert Immobilien Invest SE gibt bekannt, dass der Verwaltungsrat mit dem Geschäftsführenden Direktor Mag. Clemens Schneider aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die Umsetzung der Strategie der Gesellschaft Gespräche über ein vorzeitiges Ausscheiden als Geschäftsführender Direktor führt. Die Gespräche befinden sich in einem fortgeschrittenen Stadium."
Bedeutet übersetzt so viel wie, dass in Stein gemeißelt ist, dass Schneider – im übrigen ehemals Finanzchef des ÖGB – dem gescheiterten Verkauf der conwert an die Deutsche Wohnen AG zum Opfer fällt. Was war geschehen? Exakt 13 Tage zuvor, am 15. April, hatte der heimische Immobilienkonzern bekannt gegeben, dass die Mehrheit der Aktionäre das Angebot der Deutsche Wohnen zu 11,50 Euro pro Aktie abgelehnt hatte. Fünfzig Prozent plus eine Aktie wollte die schwarz-rot-goldene Wohnungsgesellschaft erwerben. Und scheiterte mit dieser Intention. Preislich nachbessern wollten die Deutschen nicht, da sie die 11,50 pro Aktie als fair einstuften. Das sah der größte conwert-Aktionär ähnlich. Dabei handelt es sich um keinen Geringeren als Hans Peter Haselsteiner beziehungsweise dessen Haselsteiner Familien-Privatstiftung (HFP). Mit seinem direkt und indirekt gehaltenen Anteil von rund 19 Prozent hatte der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Strabag das Angebot der Deutsche Wohnen befürwortet. Es wird gemunkelt, dass sich Schneider mit der geplatzten Übernahme den Groll Haselsteiners zuzog. Mit den erwähnten Konsequenzen. Ein Spitzenmanager mehr auf Jobsuche.
Wechselseitige Beteiligungsversuche
Gleiche Branche, ähnlicher Sachverhalt und Zeitpunkt, ähnlicher Ausgang: In der Beteiligungsschlacht zwischen der CA Immo AG und der Immofinanz AG glätteten sich Mitte April zumindest vorläufig die Wogen. Zuvor lagen die beiden börsenotierten österreichischen Konzerne wochenlang im Clinch – inklusive einstweiliger Verfügungen sowie außerordentlicher Hauptversammlungen. Es ging darum, wer am Ende wen schluckt und damit ein Unternehmen mit einem Immobilienvermögen von rund zehn Milliarden Euro kontrolliert.
Den Ausgangspunkt der Beteiligungsschlacht bildete die Tatsache, dass sich die CA Immo und ihr Kernaktionär, die zypriotische Firma O1 des russischen Milliardärs Boris Mints, einen gewichtigen Minderheitsanteil an der Immofinanz sichern wollten. So sollte der Grundstein für eine spätere Fusion gelegt werden. Mit ihrem als feindlich und zu wenig ambitioniert eingestuften Offert verfehlte das Unternehmen mit Firmensitz im dritten Wiener Gemeindebezirk dieses Ziel jedoch klar. Es sackte statt der anvisierten 15 Prozent lediglich 6,08 Prozent des Grundkapitals ein. Währenddessen machte die Immofinanz überraschend einen Rückzieher von einem Gegenangebot für eine substanzielle Beteiligung an der CA Immo. Das begründete der Konzern mit Firmensitz am Wienerberg damit, dass voraussichtlich kein adäquater Einfluss im Aufsichtsrat des Übernahmekandidaten erlangt werden hätte können. Ursprünglich hatte die Immofinanz vorgehabt, eine Beteiligung von 29 Prozent zu erwerben und dafür mehr als 530 Millionen Euro hinzublättern.
Das Erreichen von 6,08 Prozent des Grundkapitals der Immofinanz kommentierte Bruno Ettenauer, CEO der CA Immo, am 17. April mit den Worten: „Als zweitgrößter Anteilseigner hoffen wir, dass die Immofinanz uns als Aktionär willkommen heißen und konstruktiv daran arbeiten wird, zum Wohle aller Aktionäre Wert zu schaffen." Bleibt abzuwarten, wie konstruktiv sich das Miteinander der ehemaligen Kontrahenten in der Praxis gestaltet. Im Gegensatz zu conwert forderte der Übernahmepoker weder bei der CA Immo noch bei der Immofinanz personelle Konsequenzen.
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Kapitaldruck sucht Synergie
Was steckt hinter dieser geballten Unruhe innerhalb der heimischen Immobilienbranche? Die Gründe dafür sind vielfältig. Mangels fehlender attraktiver Anlagemöglichkeiten und hohem Kapitaldruck drängen brancheninterne und -fremde Investoren verstärkt in den Immobiliensektor. Die Entwicklung der Preise und Renditen spiegelt die positive Entwicklung des Immobilieninvestmentmarkts sowie die Kombination von ungebrochen hoher Kapitalverfügbarkeit und einer Knappheit an Topprodukten wider. Da deutlich weniger Qualitätsobjekte angeboten als nachgefragt werden, suchen große Investoren verstärkt auch nach Alternativen zum direkten Kauf von Immobilien. In erster Linie sind das Übernahmeangebote für Immobilienunternehmen und die Beteiligung an Immobilienen-Developern, um sich von diesen entwickelte Projekte zu sichern, berichtet der Immobilienconsulter EHL in seiner neuesten Investmentanalyse.
Der Übernahme- bzw. Konsolidierungsdruck ist aber auch in vielen Teilsegmenten der Immobilienbranche selbst zu erkennen. Vor allen in der Wohnimmobilienbranche streben viele Unternehmen nach Größe. Das treibt die Mieteinnahmen und setzt Synergien frei, die über zentrale Verwaltungseinheiten gehoben werden können. Mittelgroße und regional beschränkte Unternehmen sind vor diesem Hintergrund bestens geeignete Übernahmekandidaten, selbst wenn sie das in manchen Fällen nicht wahrhaben wollen und zum Gegenangriff übergehen.
Auch die mitunter – freundlich ausgedrückt – moderate Bewertung mancher börsennotierter Immobilienunternehmen machen vollständige Aquisitionen beziehungsweise Teilübernahmen derzeit attraktiv. In einigen Fällen liegt der Net Asset Value - also der innere Wert der Immobilienunternehmen – weitaus höher als der gehandelte Kurswert. Und an der Wiener Börse kam man in den letzten Monaten mit den Kaufphantasien wie etwa am Deutschen Aktienmarkt keineswegs mit. Zudem zeigt sich der ATX im internationalen Vergleich ungewohnt immobilienlastig.
Developments seltener gefragt
Weiters fällt ins Gewicht, dass institutionelle Investoren seit der Immobilienkrise nicht mehr gewillt sind, für höhere Renditen ein paar Jahre auf ihren Cashflow zu warten. Entsprechend führen neue Projektentwicklungen derzeit ein Schattendasein. Obwohl imposante Developments mit langen Anlaufzeiten und günstigen Beteiligungsmöglichkeiten in der Branche in aller Munde sind, gibt es sie de facto immer seltener. Vielmehr achten die institutionellen Anleger darauf, dass das eingesetzte Geld umgehend finanzielle Früchte abwirft. Der Druck in diese Richtung ist enorm. Josip Kardun, CEO der an der Wiener Börse notierten Atrium European Real Estate, erklärt: „Die Nachfrage nach einem gut laufenden Immobilien-Portfolio übertrumpft jene nach einer Projektentwicklung bei weitem. Bei den Investoren gilt salopp formuliert das Motto, dass es gut und schön ist, billig in einer frühen Phase in ein Development einsteigen zu können, aber lieber kaufen sie teurer einen stabilisierten Bestand mit sofortigem Cashflow.“ Oder man beteiligt sich gleich an einem Unternehmen, das über ein solides Portfolio verfügt. Kurzum: Die Konsolidierungsphase in der österreichischen, aber auch in der internationalen Immobilienbranche wird sich weiter fortsetzten.
Claudia Aigner
Der Leitindex ATX schloss das Jahr 2014 mit einem Minus von 15,18 Prozent. 2015 kehrte der Trend um und per Ende März verzeichnete er einen Zuwachs von 16,19 Prozent gegenüber Jahresultimo. Die Marktkapitalisierung lag per Ende Dezember 2014 bei 80 Milliarden Euro und damit etwas niedriger als per Ultimo 2013. Im ersten Quartal des heurigen Jahres stieg sie wieder auf 90,56 Milliarden Euro. Bezüglich der Segmentierung sticht ins Auge, dass die Wiener Börse extrem Banken- und Immobilien-lastig aufgestellt ist. Aus zweitem Segment notieren an ihr Athos, Atrium, Buwog, CA Immo, Conwert, Immofinanz, S Immo, UBM, Warimpex.