Großbritannien : Immo-Markt-Abkühlung in London durch Brexit?
Umgerechnet 1.800 Euro für eine hübsche Zweizimmerwohnung in London - im edlen Stadtteil Westminster gilt so etwas als Schnäppchen. Doch schnell entpuppt sich das attraktive Angebot als herbe Enttäuschung: Der Preis gilt pro Woche. Nicht nur Ausländer, sondern auch Briten fallen auf solche Anzeigen herein.
London zählt zu den teuersten Städten der Welt. Wird sich am Wohnungsmarkt in der Metropole durch den Brexit etwas ändern? "London bleibt begehrt", meint ein Makler des Unternehmens Foxtons, das nach eigenen Angaben Marktführer der Branche in London ist. "Der Platz in der Stadt ist begrenzt und es ziehen immer mehr Menschen hierher." Zahlreiche Häuser stünden unter Denkmalschutz, viele Grünflächen dürften nicht bebaut werden. Die Nachfrage nach Mietwohnungen werde nicht einknicken. "Nur beim Verkauf und Kauf ist eine gewisse Verunsicherung zu spüren", räumt der Makler ein.
Die seit Jahren riesige Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt hat Folgen. Viele leben auch mit 40, 50 oder 60 Jahren in Wohngemeinschaften - nicht unbedingt aus Überzeugung, sondern um Kosten zu reduzieren. Andere ziehen weit außerhalb der riesigen Stadt - Anfahrtswege von mehr als einer Stunde bis zum Arbeitsplatz sind nicht ungewöhnlich.
"Ich brauche mindestens eine Stunde und vierzig Minuten und wenn es schlecht läuft zwei Stunden pro Strecke", berichtet ein 57-jähriger Brite, der im südenglischen Seebad Brighton wohnt und mit der Bahn fährt. Streiks und Verspätungen im maroden öffentlichen Verkehrssystem machen vielen Pendlern zusätzlich zu schaffen. "Aber die Qualität des Lebens für meine Familie und mich ist in Brighton viel höher. Ein Haus mit Garten könnte ich mir niemals in London leisten."
Weit über 8 Millionen Menschen leben in der Multi-Kulti-Stadt. Londons Ex-Bürgermeister und Brexit-Befürworter Boris Johnson - heute Außenminister - hielt mehr als 13 Millionen im Jahr 2050 für möglich.
Seit der Entscheidung für den Austritt aus der Europäischen Union wird nun viel spekuliert: Sinkt die Zahl der EU-Ausländer in der Metropole, könnte sich der Wohnungsmarkt entspannen. So meldete das Immobilienportal imobiliare.ro bereits wenige Wochen nach der Brexit-Abstimmung einen sprunghaften Anstieg von Rumänen in Großbritannien, die sich für Immobilien in ihrer Heimat interessierten. Mindestens 150.000 Rumänen arbeiten im Königreich.
Sollten Finanzinstitute in Zukunft wegen des geplanten Brexits Personal - etwa nach Frankfurt - abziehen, könnte das auch zu moderateren Preisen auf dem Londoner Wohnungsmarkt führen. Banken brauchen für Dienstleistungen innerhalb der Europäischen Union rechtlich selbstständige Tochterbanken mit Sitz in einem EU-Staat. Insgesamt 164.000 Menschen arbeiten nach den jüngsten Zahlen (2015) der Vereinigung "City of London" im Finanzzentrum der Hauptstadt.
Mehr als ein Drittel der Vermieter in Großbritannien fürchtet negative Brexit-Folgen, wie eine Umfrage ihres Verbandes (National Landlords Association) ergab. In London rechnen sogar 55 Prozent mit Einbußen. Landesweit gehen nur 5 Prozent der Befragten von einem positiven Effekt aus, 39 Prozent sehen keinen großen Einfluss.
Tatsache ist: Noch kann niemand die Folgen für den Immobilienmarkt genau voraussagen. Viel hängt davon ab, an welche Bedingungen der Austritt aus der Europäischen Union geknüpft ist und welche Folgen er für EU-Ausländer haben wird. "Kurzfristig ist mit Unschlüssigkeit unter Käufern und Verkäufern zu rechnen, bis es eine größere Sicherheit rund um den wirtschaftlichen Einfluss des Brexits gibt", so die HomeOwners Alliance, die die Hausbesitzer im Land vertritt.
Bis dahin werden sich viele Mieter und Kaufinteressenten wohl weiter verwundert die Augen über die Preise auf dem Londoner Immobilienmarkt reiben: zum Beispiel über die mehr als 86 000 Pfund Monatsmiete für ein luxuriöses Penthouse oder die happigen 1500 Pfund für eine zugige Mini-Wohnung mit viel Schimmel im Bad. Selbst eine Garage im feinen Londoner Viertel Chelsea erzielte bei einer Auktion 360.000 Pfund - für eine große Nobelkarosse war das Objekt allerdings zu klein. (APA)